Chance oder Rückschritt?

Ein Blick in die Medien

Ich denke noch ein wenig über die Guttenberg-Sache und verfolge weiterhin gespannt die Meldungen aus den Medien. Dabei fällt mir zuerst auf, wie sehr ich mir doch an dieser Stelle Quellen wünsche, die etwas in die Tiefe gehen und auch kritische Töne zulassen. Denn die sind auffällig schnell verschwunden. Zwar hat sich fast jede „größere“ Nachrichten-Seite getraut, auch negatives über Guttenberg zu schreiben (z.B. hier oder hier ) und das Verhalten in irgendeinerweise anzuprangern. Aber im Moment sieht der Trend schon wieder rückläufig aus und wenn wir alle Pech haben, dann kommt der Minister mit einem blauen Auge davon und „die da oben“ machen so weiter wie bisher. Das wäre sicherlich der „worst case“, also der schlimmste anzunehmende Fall.

So lese ich z.B. plötzlich auf der „Welt“, dass die Mehrheit der Deutschen gegen den Rücktritt Guttenbergs ist, der Artikel bezieht sich dabei auf eine Focus-Umfrage. Nun ja, wir wissen, dass jede Umfrage den Menschen nützt, die sie in Auftrag geben (oder war das mit den Studien?), aber ein wenig seltsam finde ich es schon.
Mein gefühlter Eindruck, was die Stimmung im Internet angeht, ist eher ein ganz anderer. Und zwar nicht nur über die großen bekannten Politblogs, sondern auch, wenn man auf leisere Stimmen hört, z.B. über Twitter. Der emotionale Effekt eines hoch-eingeschätzten, extrem glaubwürdigen Ministers, der plötzlich mit so einer Riesen-Frechheit wie dem Abschreiben und dem Erschleichen eines Titels erwischt wird, ist auf die Bevölkerung enorm. Und zwar zu recht. Es wird einfach der gesunde Menschenverstand verletzt und das Gefühl für das, was richtig oder authentisch ist. Und daher passt der andere Artikel der Welt, der der Internetgemeinde „Spott“ vorwirft wieder viel besser. Überhaupt schauen die klassischen Medien immer öfters in das Internet und was sich da regt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals und so häufig Nachrichtenmoderatoren dabei gehört zu haben, wie sie über „Twitter“ oder „Facebook“ berichten (z.B. im heute journal ). Manchmal habe ich das Gefühl, dass man mit Twitter noch näher dran am Geschehen ist und die klassische Nachrichtensendung bald ein Relikt in einer extrem-schnellen und unmittelbaren Zeit werden wird. Wo Meinungen und Stimmungen sich so schnell bilden und der Wille des Volkes unmittelbar und direkt ausgedrückt werden kann, wird auch die Macht der klassischen Medien ein wenig zurückgehen. Die Menschen vernetzen und informieren sich dezentral und untereinander, früher war man mit seiner Meinung doch sehr auf die Zeitungen und das Fernsehen angewiesen. Was früher eingleisig war und einen sicheren Rechtsstaat voraussetzte, ist die Meinungsbildung heute beinahe selbst-regulierend und wahrhaft demokratisch.

Den besten Artikel zum Thema gab es mal wieder auf den Nachdenkseiten, die inzwischen eine Wette abschließen, ob Guttenberg seinen Doktortitel behalten darf oder nicht. Die Skepsis daran ist durchaus angebracht und wird in dem Text anschaulich erläutert.

Einen ebenfalls guten und kritischen Kommentar findet man auf Telepolis .

Eine etwas emotionale Abhandlung und viele Kommentare zum Thema auf „Spreeblick“, nur um stellvertretend ein paar interessante Meinungen aus der Blogosphäre zu verlinken.

Mir fällt noch eine Sendung ein, die letztens im Fernsehen kam und das Thema „Vertrauen“ hatte. Ich glaube, das war scobel auf 3Sat. Ein paar schlaue Menschen diskutierten darüber und unter anderem kam die Frage auf, ob man nur Personen vertrauen könne, oder auch Systemen? Sie waren sich nicht so einig. Klar, die Systeme sind irgendwie anonym, Menschen sind greifbar. Einem System kann man eigentlich nicht vertrauen, da es nicht zu greifen ist und nichts für die Anschauung oder Identifikation bietet. Einem Menschen kann man hingegen sehr gut vertrauen.

Aber wenn ein so beliebter Mensch wie Guttenberg beim „Mogeln“ erwischt wird, wie es fast etwas beschönigend bezeichnet wird, denn es ist Betrug- dann kommt auch die Frage, wie groß der Schaden für das System Politik sein wird. Die Politik macht es sich sowieso nicht einfach und auch nicht so erfahrene Menschen können sich immer mehr zusammenzählen, wie es da oben läuft und dass es nicht immer alles mit rechten Dingen zu geht. Auf der internationalen Korruptionsliste ist Deutschland z.B. nur auf Platz 15 , was zeigt, dass der Wille zur Bestechung und auch zu unlauterten Mitteln ein glimmender Funken ist, der jederzeit wieder aufflammen kann und vor dem auch Demokratien nicht wirklich sicher sind. Das Erschleichen eines Titels ist zwar keine Korruption, geht aber von der moralischen Wirkung her in diese Richtung.

Der nun offen hervortretende Betrug der Verteidigungsministers ist ein Skandal und kann eigentlich nicht beschönigt oder übertüncht werden. Und selbst, wenn man es schaffen sollte und Guttenberg im Amt bleiben sollte, dann wäre der Schaden am Gesicht der Politik enorm. Das Vertrauen wäre beschädigt und letztendlich würde auch das System Merkel darunter leiden. Keine guten Aussichten für die kommenden Wahlen und das „Superwahljahr 2011“.  Denn solche bundespolitischen Eindrücke fließen auch immer unweigerlich in die Wahlentscheidungen auf Landesebene.

Merkel wäre gut beraten, schnelle Entscheidungen herbeizuführen.

Ansonsten bekommen wir italienische Verhältnisse und das ist glaube ich das letzte, was man sich für Deutschland wünschen sollte.

5 Gedanken zu „Chance oder Rückschritt?“

  1. Hallo, bist Du so lieb und schmeißt den „Aushilfsgoethe“ aus Deiner Blogroll. Den gibt es schon lange nicht mehr und Deine Leser sollen ja nicht im Nirwana landen.
    Herzliche Grüße!

  2. Nun, dies zu entscheiden obliegt der werten Blogbetreiberin 😉 Gefällt es, rein damit. Gefällt es nicht: ignorieren. Ich würde da niemals Einfluss nehmen wollen … aber natürlich ziert meine kleine Herberge jede Blogroll 🙂

  3. Hallo DarkJohann,

    also ich bin etwas hin- und hergerissen. Ich mag deine Blogs, aber ich habe im Moment zu wenig Zeit mich intensiv einzulesen. Satire finde ich eigentlich gut und es passt gut zu meinem Stil.

    Allerdings bin ich etwas verwirrt, weil du alte Blogs so schnell schließt und die neuen dann wie Pilze aus dem Boden schießen. Bei dem Tempo komme ich wahrscheinlich nicht mit. 😉

    Wie wäre es, wenn du eine zentrale URL nimmst und all deine Projekte darunter zusammenfässt? Dann bräuchte ich nur einen Link zu verlinken und du könntest soviel ändern, wie du möchtest. 😉

    Viele Grüße
    Julia

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