Ein schöner Traum

Im Buddhismus gibt es interessante, philosophische Vorstellungen über den Zustand der Welt. Einer davon geht davon aus, dass die ganze Welt, so wie wir sie leben, eine Art Illusion ist, dass es alles Erscheinungen sind, die von Menschen erschaffen werden. Der Film „Matrix“ hatte ein sehr passende Metapher dazu gefunden: Menschen sitzen wie angekettet in einem Behälter und werden mit elektrischen Signalen gefüttert, von denen sie ausgehen, dass dies ihre Realität sei (heute nennt man das Internet…). Alles ist simuliert: Hungergefühle, Bewegungen, Bilder, Töne, Freundschaften, Arbeit- es gibt nichts, was außerhalb dieser „virtuellen Realität“ liegt und somit können sie auch nicht erkennen, was echt oder was falsch ist. Davon ausgenommen die Freiheitskämpfer, an ihrer Spitze „Neo“, der sich dann daran macht, das ganze Komplott aufzudecken und eine Art Sinnsucher in der grauen Tristesse der anderen darstellt.

Ähnliche Vorstellungen von der Welt kann man in jeglichen computersimulierten Umgebungen bekommen, z.B. sehr reale Computerspiele, Videos auf Großleinwänden, 3D-Brillen oder andere Dinge, die es einen kurzfristig vergessen machen, dass man nur eine Erscheinung der Realität sieht, aber nicht die Realität an sich.

Aber wenn man sich die Welt um einen herum genauer anschaut, wird man bald feststellen, dass im Grunde alles Dinge sind, die Naturgesetzen folgen, dass es alles Dinge sind, die in Abhängigkeit voneinander entstehen, aber nicht „aus sich selbst heraus“, wie der Buddhist sagt. Im Grunde sind dann die Augen perfekte Kameras, die Ohren sehr feine Mikrofone, die Hände feinmotorische Steuergeräte, usw. Unser Gehirn ein komplexer Computer, der alle Signale interpretiert und das als „echt“ herausgibt?

Genau genommen kann man sich das Leben wie einen großen Traum vorstellen. Jeder meint, die eigene Welt wäre die Realität, aber es ist immer nur eine begrenzte, subjektive Sichtweise auf den derzeitigen Stand der Dinge- der wiederum relativ von der Sichtweise anderer „Subjekte“ ist, die kollektiv gesehen das ausmachen, was den gesamten Beobachtungsraum- und Seins-Zustand aller Wesen ausmacht. Wir können keine letztgültige Realität finden, wir finden nichts, das für sich steht und absolut zu betrachten wäre. (Die Wissenschaft kennt z.B. das Phänomen, dass man nichts beobachten kann, ohne den Zustand des beobachteten Objektes zu verändern). Dies habe ich an anderer Stelle schon mal beschrieben. Ich möchte in diesem Artikel vor allem die Frage stellen, wie man sich dann zu verhalten hat, was die Folge dieser Erkenntnis sein könnte und was der Ausweg aus dieser manchmal recht traurigen, nihilistischen Vorstellung sein könnte?

Wenn alles relativ ist, lohnt es sich dann überhaupt zu leben? Warum sollte ich leben? Warum sollte ich diese Variablen des „Spiels“ überhaupt benutzen? Wäre es nicht besser, sich gleich umzubringen oder irgendwie den Notausgang zu suchen, so wie dieser „Neo“ aus dem Film?

Im Grunde will der Buddhismus genau das erreichen, nämlich den Ausgang finden! Der Mensch soll erkennen, dass er „in einem Simulation“ sitzt, dass es alles relativ ist, dass die letztendliche Realität das Nirwana ist, somit ein Verlöschen jeglicher Erscheinungen. Paradox ist dabei, dass man einen Nicht-Zustand anstrebt, was der Natur eines Lebewesens, das nach Leben dürstet, sehr zuwider läuft. Warum sollte man das Leben verlassen, wenn das Leben doch soviel Spaß macht? Warum sollen die Reichen keinen Sekt mehr trinken, warum soll man kein Geld mehr ausgeben, sich nicht mehr freuen dürfen, keinen Sex mehr haben, keine Umweltverschmutzung mehr ausführen, keine Ressourcen mehr verschwenden? Der Buddhismus will im Grunde das Nicht-Leben und das macht es so schwer, ihn als wahr zu erkennen, denn als Lebewesen strebt man immer nach irgendetwas, nach Erscheinung, nach Sex, nach Essen, nach Glück. Warum sollte man „nach Nichts“ streben?

Dazu muss man sich in die Lage unterschiedlichster Personen versetzen. Für einen reichen Menschen mag die derzeitige Existenz sehr lustvoll sein. Wenn auch vergängliche Freuden, so erlebt er doch in Westeuropa mehr Lebensgefühl als in einem armen Land wie z.B. in Afrika. Für einen armen Menschen wird das Leben eine Qual sein. Es gibt Leute, die haben einen „sehr guten Traum“, dann gibt es wieder welche, die schlagen sich in Höllen-Qualen herum und erleben ihren eigenen Albtraum. Da wir durch das Leiden der Wiedergeburt und der veränderlichen Erscheinungen nie sicher sein können, dass wir nicht auch wieder „leiden“ werden, z.B. Pech haben, krank und alt werden, usw. muss man das eigene Leben als etwas Zyklisches erkennen. Niemand ist frei vom Leid. Die Erkenntnis des eigenen „Leids“ erzeugt den Wunsch, vom Leid frei zu werden.

Welchen direkten, praktischen Nutzen habe ich aus der Anwendung des Buddhismus im Jetzt?

Auf den Weg der Befreiung zuzugehen, bedeutet, asketisch zu leben und sich von den Begierden der Welt zu lösen, mehr Mitgefühl zu entwickeln und sich insgesamt spirituell und geistig weiterzuentwickeln. Das ist eine gute Sache.

Man lernt z.B. auf gewisse Dinge wie z.B. Alkohol zu verzichten oder sich zumindest einzuschränken. (Der Dalai Lama hat ein gutes Buch zum Thema buddhistische Ethik und Lebensregeln geschrieben, dass diese Dinge erklärt) Oberflächliche Freundschaften, die nicht auf echtem Mitgefühl beruhen, wird man vermeiden. Man wird selbst eher zu einem Sinnsucher und geht mehr in die Tiefe. Indem man sich dem Leiden und den spirituellen Dingen öffnet, wird man um viele Erkenntnisse reicher, die wiederum die eigene Angst vorm Leben nehmen und die eigene Sicherheit verstärken.

Man kann vielleicht nicht aus allem heraus, noch muss man das.

In erster Line geht es darum, die Erscheinungen, mit denen man jetzt umgeben ist, in eine richtige Richtung lenken- Traum oder nicht, wir können nicht wählen, ob wir träumen, also leben wollen oder nicht. Wir müssen leben!

Es geht also mehr um die Frage, wie wir leben wollen.

Im Christentum wird ja die gesamte Ethik auch darauf aufgebaut, dass man entweder die Hölle oder das Paradies erreichen wird und nur „gute Menschen kommen in den Himmel“. Der Buddhismus ist da sehr ähnlich, nur dass für einen Buddhisten das Jetzt sehr ausschlaggebend ist, der Himmel auf die nächste gute Tat folgen kann, es keinen Gott gibt und die Verantwortung für ein gutes Leben vollständig in einem selbst liegt.

Da der Buddhismus auch gut mit wissenschaftlichen Überlegungen zu vereinigen ist, sehr friedvoll und durchdacht ist, ist es kein Wunder, dass er sich gerade in Europa und anderen westlichen Ländern soviel Beliebtheit erfreut.

Muss ich Angst haben, etwas nicht zu verstehen?

Nein! Man darf bei alldem nicht vergessen, dass dies alles Modelle sind und immer von einem selbst überprüft werden müssen. Im Grunde ist das eine Grundannahme, bzw. eine unabdingbare Voraussetzung für jegliche Erkenntnis, sei es im streng wissenschaftlichen oder philosophischen Bereich!

Da letztendlich der eigene Geist für die eigene „Geschichte“ der Spiritualität und Erkenntnis verantwortlich ist, kann man letztendlich nur das begreifen, was man sich selbst beigebracht und verstanden hat. Man kann zwar woanders lesen und es als Anregung verstehen. Aber umsetzen und anwenden muss man alles selbst. Dazu kann und muss man sich Zeit lassen. Es bringt nichts sich zu hetzen. Das Leben ist eine Bereicherung, eine schöne Sache, die wir voll auskosten sollten und zwar nicht nur was den Luxus, sondern vor allem die Spiritualität und die Erfahrungen angeht.

Solange man etwas nicht versteht, ist es nicht schlimm. Wenn man es nicht nachvollziehen kann, was soll´s?

Wenn der Buddhismus eine Sache ist, die man eines Tages mit wissenschaftlichen Methoden vereinen kann, wird er allen Menschen zugänglich.. dann wird man ihn eines Tages in den Schulen lernen, dann wird Tibet wieder Tibet sein dürfen, der Dalai Lama erlebt seine nächste Wiedergeburt und die Welt wird endlich friedlich!

Dann gehen alle Menschen ins Nirwana ein, und keiner ist mehr da. Dann hat der Planet keine Umweltsorgen mehr, die Sonne kann wieder friedlich schlafen gehen oder explodieren- und eines Tages kommen vielleicht auch die Dinosaurier oder die Marsmenschen wieder!

Und jeder weiß, dass das noch ziemlich lange dauern kann. Also kein Grund, sich irgendwie Sorgen zu machen…

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