Ich bin anders

Ich bin anders, stelle ich immer wieder fest.

Das letzte Jahr habe ich viel auf Facebook und Instagram verbracht. Es hat mir Spaß gemacht und ich habe viele neue Leute kennengelernt.
Ich habe versucht, das selbst-reflektive und mein schreibendes Ich gegen ein anders, sozialeres Ich einzutauschen. Ein innerer Mensch ist geboren, der mehr Spaß an der Vernetzung und der Kommunikation hat. Ich war mir immer sicher, dass mir dieser Teil fehlt. Dass ich im Denken und Schreiben alleine nicht all das finden kann, was ich finden muss.

Es macht mir jetzt mehr Spaß zu gucken, „was die anderen machen“, was ihre Interessen und Hobbys sind, womit sie ihre Zeit verbringen.

Es ist schön, wenn jemand was von sich teilt, wenn er sich öffnet und was preisgibt. Natürlich trifft man dann nicht gleich alles, die Begegnungen finden immer an der Grenze statt – da wo die Leute bereit sind, einen Schritt auf den anderen zu zugehen. Man kann nicht erwarten, dass es gleich die totale Schnittmenge gibt.
Es gibt immer nur kleine Schnittmengen, kleine Gemeinsamkeiten. An denen kann man anknüpfen, auf die kann man aufbauen.

Natürlich stellt man auch Unterschiede fest, dass es Dinge und Ansichten gibt, die man nicht mit anderen teilt.

„Ich bin anders“ stelle ich dann fest.

Mir fällt z.B. auf, dass ich selbst sehr gerne etwas von mir preisgebe, dass ich gerne kommuniziere und insgesamt immer versuche, „offen“ zu sein.
Aber es gibt viele Leute, die das nicht sind. Die z.B. überhaupt nichts auf Facebook schreiben, die sich nicht öffnen. Man erfährt dann gar nichts über diese Menschen. Ich weiß nicht, was für Musik sie hören, für welche Veranstaltungen sie sich interessieren, wie ihre politische Einstellung ist. Ich erfahre nicht, „was ihnen gefällt“, oder „was ihnen nicht gefällt“. Dadurch, dass sie nichts posten oder schreiben, muss ich davon ausgehen, dass sie Social Media nicht mögen.

Vielleicht sind diese Menschen im realen Leben ganz anders? Auch das ist mir aufgefallen. Social Media und Realität sind völlig andere Bereiche.
Leute können sich im Internet sehr gut verstellen und nur ihre „Schokoladenseite“ zeigen, aber in der Realität sieht man dann, wie der Mensch wirklich ist.

Die virtuelle Welt ist also auch eine Zerr-Welt und man kann sich leicht von ihr täuschen lassen. Ich befürchte, das gilt auch für die Blogs, denn auch ein Text ist ja nur ein Abbild meiner derzeitigen Gedanken und nie mein vollständiges Ich. Texte werden von Gefühlen geleitet und sind Ausdruck meiner derzeitigen Stimmung und Laune. Kann sein, dass morgen wieder alles anders ist. Wo ist dann mein Ich?

Noch etwas habe ich entdeckt, das für mich neu ist: Das Schweigen.
Es tut so gut, sich nicht gleich zu allem äußern zu müssen. KEINE politische Meinung haben zu müssen, KEINE Stellung zu beziehen, wenn sich alle aufregen und gleich der nächste Shitstorm losbricht. Es tut gut, in den eigenen Gedanken zu leben, denn sie bieten mir Halt. Niemand anders kann das bieten.

Die Welt, wie sie vor meinem inneren Auge entsteht und vergeht, ist einzig und allein eine Folge meiner Gedanken und Einschätzungen.

Was für ein Fazit bleibt mir also? Ich habe die Welt der Gedanken und Texte verlassen und bin auf andere zu gegangen. Dann habe ich festgestellt, dass sie in der Summe die gleichen Probleme und Sorgen wie ich habe. Dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, wie man so schön sagt. Das ist so unendlich tröstlich.

Wir können das eigene Leid nicht vermeiden oder loswerden. Aber es wird weniger, wenn ich in der Gemeinschaft mit anderen bin. Es relativiert sich.

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