Raum für neue Menschen

Du gewinnst Raum in mir, in dem Moment, als ich andere Menschen losgelassen habe. Die eine Bindung lockerte sich, es wurde Energie frei und dann konnten neue Elemente andocken.

Ich habe beschlossen, das unperfekte um mich herum loszulassen. Die Ewig-unterentwickelten Zweifelnden, die nie an sich wachsen werden.

Ich hatte keine Lust mehr auf das Einengende -Aggressive- idiotische. Die einseitige und ungute Fokussierung auf das materielle. Darauf hab ich keine Lust mehr.
Ich habe die gierigen Menschen losgelassen, die rechthaberischen und die ich-süchtigen. Ich habe die Menschen ohne Glauben fallen gelassen.
Die keine Ziele außer sich selbst kennen. Ich habe die Neugierigen und die „mit der Tür ins Haus fallenden“ alle aufgegeben. Ich habe 80 Prozent der Menschen losgelassen und es fühlt sich an wie ein Frühjahrsputz. Jetzt hab ich Platz für was Neues! Aber am schlimmsten ist es mit den Menschen ganz in meiner Nähe. Auch hier lasse ich jetzt los.

Es gelingt mir ganz einfach. Die festen Bindungen lockern sich. Wie ein Zahn, der über 30 Jahre im Körper gewesen ist und jetzt plötzlich faul und wackelig wird. Er muss etwas Neuem weichen. Ob du willst oder nicht.

Geh einfach zum Zahnarzt und lass dir ein paar neue Menschen einsetzen.

Geh zum Friseur und lass Dir eine neue Haltung frisieren. Lass Dir die Nägel und die Gefühle neu stylen.

Beim Make-Up Artist kümmere dich um deine Haut und deine Gefühle. Sie brauchen mal eine gründliche Tiefenreinigung. Ein Peeling, das aus Dir einen neuen Menschen macht.

Und das wichtigste ist der Psychologe, dem du alles anvertraust.

Sommerliebe, Teil 6

Ich weiß jetzt, wie ich dich glücklich machen kann.
Ich glaube, ich weiß, was du dir wünschst. Worauf es dir wirklich ankommt und das finde ich so klasse!
Du wünscht Dir Erfolg! Du willst Deine Arbeit und Deine Beziehungen zu voller Blüte bringen.
Du glaubst voll daran. Du willst gut sein. Nicht irgendjemand. Sondern was besonderes. Jemand besonderes.

Du willst dich in den Erinnerungen der Menschen für ewig einbringen, da bin ich mir sicher.

Und ich soll dir dabei helfen. Denn du bringst schon viel mit. Hast Perfektion und den Willen.
Bist gut vernetzt. Kennst Dich mit der Technik aus.

Was dir aber noch fehlt, ist etwas ganz entscheidenes. Ein bisschen Herz, ein bisschen Gefühl.
Das künstlerische Geschick und das entscheidene Etwas, dass das normale Werk zu etwas besonderem macht!

Du brauchst dazu einen netten Menschen, für den es sich zu leben lohnt.

Das Paradies

Fast so als ob die anderen es spüren, melden sie sich so langsam bei mir.
„Was ist denn los, was machst du so? Ich habe gerade an Dich gedacht!“

Ich habe ihnen noch nichts gesagt, aber es ist doch ganz klar.
Ein neuer Abschnitt beginnt.

Ich habe die erste Frau in meinem Leben gefunden.
Die erste, die mir wirklich versteht. Und liebt.

Es ist ein unglaubliches Gefühl.
Ich schwebe auf Wolke 7.
Ich bin vollständig glücklich.

Selbstsam entzückt.
Verrückt.
Neben mir.
Beinahe ein bisschen bekloppt.

In meinem Kopf ist nur noch sie.
Ich will sie endlich sehen.
Wieder mit ihr reden.
Ihre warme Haut neben meiner spüren.

Ihren süßlichen, schönen Geruch tief in mich einsaugen.
Und ganz im Jetzt sein.

Es gibt kein schöneres Gefühl.
So muss das Paradies aussehen.
Ich bin mir sicher.

Genau so.

Erschöpft

Wie romantisch die Menschen sich die Liebe vorstellen!
Dabei habe ich die größte Liebe immer dann erlebt, wenn es mir selbst am schlechtesten ging.

Wenn ich nicht mehr weiter wusste, wenn die erbarmungslose Fessel der Depression mal wieder jede Lebendigkeit erstickte. Wenn die Migräne den Kopf explodieren ließ. Wenn ich nur einen langen Tunnel aus Süchten und Ich-Perspektive erlebt habe. Immer dann, wenn es mir am schlechtesten geht, treten Menschen in mein Leben, die alles radikal verändern.

Dann bin ich bereit dafür. Dann kann ich es akzeptieren.

Du entwickelst Dich nicht, wenn es Dir gut geht. Wenn alles supi-dupi ist. Dann gibt es keinen Grund dazu.
Du wirst Dich entwickeln, wenn es Dir schlecht geht.
Wenn Deine Beziehung an einem Ende angekommen ist, z.B. Wenn ihr nur noch streitet, aber euch nicht mehr liebt.
Wenn ihr nichts mehr spürt und nur noch ausbrechen wollt!

Wenn euer Leben stumpf, langweilig und grau geworden ist!
Wenn sich die ersten Spuren des Lebens zeigen. Unerbittlich wird es über dich kommen und dich niederringen.
Der Strahl der Zeit trifft auch Dich!

Wenn Du auf die Uhr schaust und erschrocken bist, wieviel Zeit schon wieder sinnlos vergeudet wurde!
Wenn Du Dir seit Wochen Projekte und Ziele gesetzt hast, aber nichts davon erreicht hast! Weil Du alt bist und keinen Schwung mehr hast! Sieh es endlich ein. Dann brauchst Du jemand neues in Deinem Leben.

Dann wirst Du aufwachen. Dann wirst Du begreifen, dass Du eine neue Perspektive brauchst.
Ein Mensch, der Dich von unten bis oben vollständig umkrempelt.

Es wird ganz leise beginnen. Er wird ein paar Schritte auf Dich zumachen und plötzlich neben Dir stehen.
Er wird dich anlächeln und „hi“ sagen. Und dir schießt das Blut in den Kopf und du findest keine Worte mehr.

Dann ist es der richtige Mensch. Er wird dich verändern. Lass es zu.

Sei nicht fröhlich. Sei traurig und erschöpft! Gib alles und scheitere.
Dann wirst du den richtigen finden.

Sei Du selbst

Du weißt nicht, wo Du helfen sollst?
Wo Du anfangen sollst?
Wie du selbst glücklicher werden sollst?
Wie Du Dich weiter entwickeln kannst?

Das ist doch ganz einfach.
Nimm einfach irgendein Menschen.
den nächsten, den du siehst.
wo du was spürst.

der dich ansieht
und dann sprich mit ihm
höre ihm zu
sag was du denkst

ganz einfach
nimm nichts weg
gib nichts dazu
sei du selbst

und lass den anderen „er selbst“ sein.

Ich spüre Dich

passende Musik: Mama Call von Manu Chao

Wir haben den ganzen Tag geredet.
Heute ist alles aus uns heraus geflossen.
Gänsehaut stellt sich auf meinen Armen auf.
Im Bauch ist ein warmes Gefühl.
Ich liebe Dich, vom ersten Augenblick an.

Du erzählst mir alles und vertraust Dich mir an.
In langen Gedanken erläuterst Du mir Deine Welt.
Es klingt alles ganz logisch und durchdacht.

Der Schmerz, den muss ich zwischen den Zeilen suchen.
Aber er ist da.
Du unterdrückst es noch. Die Enttäuschungen deines Lebens.
Es sind schon einige dabei.
Zerbrochene Freundschaften, die Liebe, die keine war.

Tapfer gehst Du weiter.
Aufrecht und stark.
Du Kämpferin des Lebens.
Jetzt stehst Du vor mir.

Und ich bin ganz still.

Am Abend kannst Du nicht aufhören zu reden.
Ich habe dich angestupst und da hast zurück gestupst.
Jetzt fängt es an zu fließen.
Die Ventile sind geöffnet.

Wir reden und reden.

Wohin soll das noch gehen?
Ich habe Angst.
Es ist stark, das Gefühl ist überall.
Ich bin jetzt verantwortlich für Dich.

Kann ich diese Verantwortung tragen?
Sage ich das richtige?
Wird es Dir helfen?
Wirst Du es verstehen?

Im Bett dann muss ich an Dich denken.
Ich sehe Dein hübsches Gesicht vor mir.
Mit den vielen fragenden Augen.
Deinen zarten Körper.

Er vibriert ganz leise.
Es kribbelt überall.
Mittendrin sind bunte Bilder.

Dann musst du weinen.

Nutze Deine Lebenszeit

Ich hatte gestern mal wieder einen kleinen Disput mit meinem Schatz.
Es geht dann meistens darum, dass einer von uns beiden launisch oder körperlich schlecht drauf ist und die Schuld daran dem anderen zuschiebt. Wie so oft, möchte man die „positive Energie“ beim anderen absaugen und ärgert sich dann, wenn es gerade nicht möglich ist.
Entweder man schiebt eine Laune und hofft, dass der andere es registriert und sich um einen kümmert. Oder man schmollt und gibt sich absichtlich abweisend und kühl. Beide Verhaltensweisen führen nur selten zum Ziel, nämlich mehr Zuneigung und Liebe zu bekommen!

Indirekte Verhaltensweisen sind weiblich, aber oft wenig zielführend. Denn der innere Frust kommt nicht wirklich heraus, versteckt sich hinter fadenscheinigen Argumenten und führt zu Schuldzuweisungen, die nicht besonders hilfreich sein und auch nicht den Kern der eigenen Problematik berühren. Der andere kann niemals wissen, was man möchte oder braucht, wenn man es nicht formulieren kann. Die Ehrlichkeit den eigenen Gefühlen gegenüber muss von einem selbst geleistet werden!

„Was meinst du jetzt eigentlich?“ Fragt er mich entgeistert, nachdem ich gerade 15 Minuten am Stück all meinen Frust und alle meine Emotionen in einen Monolog gepackt hatte, der einfach nicht enden wollte.
„Dir zu zuhören ist wie eine Welle aus Nachrichten zu lesen und du willst dann genau eine Antwort. Das ist einfach nicht möglich.“ sagt mir der logische Teil meiner Partnerschaft.

Mir geht es hingegen oft um Gefühle und innere Abgrenzung. Dass ich z.B. auch mal meine Ruhe brauche und nicht immer, jeden Tag nonstop 100 Prozent alles geben kann. Er macht sich dann oft lustig und meint, dass ich mich unterfordern würde.

Wir haben es noch mehr auf die Spitze gebracht und weitere Motive aufgedeckt. Der Fernsehabend war gelaufen. Wir redeten eine Stunde lang. Am Anfang war ich noch aufgebracht und ärgerlich, aber mit der Zeit klärte sich das trübe Wasserglas. „Wenn Du im Bett liegst und schlecht drauf bist, dann ist das nichts weiter als eine Verschwendung von Lebenszeit.“.

Baff. Das hat gesessen. Er hatte so absolut Recht damit.

Man muss sein Leben nutzen. Auch wenn es einem schlecht geht.
Wenn man sich der ganzen Depression und dem ganzen Elend hingibt, dann ist das einfach nur destruktiv.
Man kan und sollte, auch in schlechten Phasen, wenigstens versuchen, kleine produktive Schritte zu unternehmen.

Denn niemand nimmt die Verantwortung für die eigene Laune ab.
Immer nur zu erwarten, dass andere für einen die Probleme lösen und einem aufbauen, ist kindisch und unreif.

„Dieses ständige Rückblicken und Aufschreiben macht einfach keinen Sinn.“ Schon wieder hatte er mich kritisiert.
„Okay das ist jetzt etwas übertrieben, aber was vorbei ist, ist vorbei. Mach was aus Deinem Leben“. sagt er mir.

Weiblichkeit bedeutet oft passiv und untätig zu sei und sich an andere zu hängen und zu brauchen.
Man lebt im Rückblick, in den Erinnerungen und der Nostalgie. Tick-Tack und die Uhr geht trotzdem weiter.

Man wird bedürftig, unreif und schwach und strahlt diese Bedürftigkeit nach außen aus. Am Anfang, wenn man jung ist, ist das noch süß.
Und man wird überall „starke Männer“ finden, die einen beschützen und einen mit positiver Energie versorgen. Man muss nichts machen, ist immer die kleine dumme Prinzessin.

Aber irgendwann wird es mit dieser Strategie schwieriger. Je älter man ist, desto mehr muss die eigene Passivität in etwas Positiv-Konstruktives umschlagen. Das ist der Weg des Lernens für weibliche Personen.

Nutze Deine Lebenszeit.

Warum es Trans- und Intersexuelle Menschen so schwer haben

Warum haben es Trans- und Intersexuelle Menschen so schwer und was sind die Hürden bei der Entwicklung von Toleranz und Aufklärung diesen geschlechtlichen Minderheiten gegenüber?

Zum einen: Wir sind es gewohnt, Menschen in zwei Geschlechter zu teilen. Trans-und Intersexuelle Menschen aber haben ein besonderes Geschlecht, dass eher zwischen den Geschlechtern einzuordnen ist („divers“) und darüberhinaus auch fließend sein kann. Man findet in den Menschen also oft Züge beider Geschlechter.

Dieses Faktum ist nicht unerheblich und nicht klein und es geht weit über die „beiden Symbole“ an den Toiletten hinaus, die oft mit viel Liebe gestaltet und verziert werden, aber dann doch auf eine starre „Zweiteilung“ hinauslaufen.

Denn die Teilung der Menschheit in „Männlein“ und „Weiblein“ ist sehr alt und quasi die Säule für unsere abendländische und christliche Kultur. Wir können sie nicht so einfach aufgeben oder in ein Weltbild integrieren, wie es in anderen Ländern (z.B. Thailand) möglich ist.

Wir sind gewohnt, dem „Mann“ eher Werte wie Härte, Durchsetzungsvermögen, Stärke und ein hohes Einkommen zuzuschreiben und alle weichen-pädagogischen Werte wie Liebe, Zartheit, Schönheit und Emotionen der Frau zuzuordnen. Damit verbunden ist dann auch oft, dass wir unbewusst von einem Menschen ein Verhalten erwarten, dass sich an dieser Geschlechternorm ausrichtet und wir sind überrascht, wenn nicht sogar verärgert oder irritiert, wenn ein Mensch unseren Erwartungen diesbezüglich nicht entspricht.

Geschlechter bieten Sicherheit

Ich denke, dass wir in einer Zeit der gesellschaftlichen Unsicherheit leben und es daher gerade die Geschlechter und Geschlechterrollen sind, an denen wir krampfhaft festhalten, weil sie uns vermeintliche Sicherheit und Stabilität in einer Welt der unzähligen Umbrüche liefern.
So wie die einen das ganze Elend und die „Schuld“ den Migranten oder der Überfremdung zuschieben, so können andere Menschen ihren Frust auf Geschlechter und Normen ausbreiten, von denen sie nicht überzeugt sind und deren biologische Besonderheit sie nicht teilen. Der Mensch sucht unbewusst immer einen „Feind“, jemand anderen , der seiner eigenen Gruppe nicht entspricht. Diese „Feindbilder“ gehen gerade bei Trans- und Intermenschen über alle soziale Schichten und auch alle politische Weltanschauungen hinweg.

Trans-Menschen ziehen da ganz leicht den Hass und das Misstrauen anderer Personen gegen sich. Den normalen Männern sind die Transfrauen zu weiblich und zu sanft, sie passen nicht in ihr Selbstverständnis von Männlichkeit. Den „normalen Frauen“ sind Trans-Frauen ebenfalls zu anders und zu fremd, weil sie erkennbar Merkmale des „falschen Geschlechtes“ haben (z.B. höhere Testosteron-Spiegel in der frühen Pubertät oder einen komplett „fremden“ Chromosomensatz). Einfach das Gehirn, bzw. die „Identität“ als gemeinsames Merkmal anzuerkennen, ist bei vielen nicht möglich. So etwas wie eine „Identität“ kann man nur schwer beweisen und andere Merkmale sind offensichtlicher und für andere irritierender. Denn oft sind Transfrauen auch optisch anders, haben eine etwas tiefere Stimme, stärkere männliche Gesichtszüge und breite Schultern, so dass sie ganz leicht als „fremd“ und „anders“ einzuordnen sind. Durch eine stärkere männliche Erziehung und Prägung sind sie oft durchsetzungstärker und selbstbewusster als „normale Frauen“ und werden nicht selten dafür beneidet, aber wenig geliebt.

Aber wo passen sie dann hin? Die Männer wollen sie nicht und für die Frauen sind sie auch nicht ganz passend. Als extreme Minderheit kann man sich zudem kaum einer Lobby anschließen und die Interessenvertretung über Selbsthilfegruppe oder Verbände scheitert oft an der großen inneren Zerissenheit (und Zerstrittenheit der Teilnehmer).

Wenn Du jemand nicht kennst, urteile nicht!

Ein anderes Problem bei der Akzeptanz besteht darin, dass wir gerne über andere Menschen urteilen, ohne auch je mit ihnen geredet zu haben oder uns mit ihrer Lebensweise individuell auseinander gesetzt zu haben. Ich z.B. habe in meinem Leben soviel Kontakt mit anderen transsexuellen Personen gehabt, dass es für mich mittlerweile ganz normal ist und eine Integration in meine Lebensanschauung immer einfacher geworden ist. Dennoch gibt es immer wieder Vertreter „dieser Gattung“ (vor allem Trans-Frauen), die sich sehr schräg und unangepasst verhalten, teilweise sehr pubertär-provozierend sind und den Umgang mit ihnen nicht gerade einfach werden lassen.

Zwischen den Geschlechtern zu leben ist nämlich zum einen eine „Bürde“, d.h. eine große Belastung, für einen selbst oft unverständlich und anstrengend, aber es verleiht auch Kräfte und Einsichten, die „normale Geschlechter“ nicht haben, weil sie nur eine Seite kennen gelernt haben. Diese Macht kann teilweise überheblich werden lassen. Außerdem ist es schwierig, sich selbst richtig einzuordnen. Im schlimmsten Fall schwankt man dann zwischen den Geschlechtern hin und her und nimmt mal diese und mal jene Verhaltensweise und Norm an. Die – jede für sich- sogar gut und „normal“ wäre, aber in einer Person integriert- eben für heftige Widersprüche sorgt.

Die indische Bahn

Ich komme ziemlich pünktlich auf dem Bahnsteig in Altona an. Ich gehe aufs Gleis 12, so wie es im Ticket stand und finde meinen Zug nicht. Die fahren plötzlich alle von Gleis 11 oder sonstwo ab. Ich finde den Zug immer noch nicht. Dann fällt mir ein, dass im vorderen Bereich des Bahnhofes wohl noch eine Anzeigetafel ist. Schnell eile ich da hin. Auf dem Bahnsteig sind schon die Absperrungen für den Autozug nach Sylt aufgebaut. Noch fährt er von Altona, aber nicht mehr lang! Der Bahnhof soll ja ganz aufgelöst werden, noch ist er im Betrieb.

„Zug fällt aus“, steht an der Anzeigetafel. Er wird ersetzt durch einen anderen ICE… aha okay. Nein Moment, was steht da?
IC ? Nicht ICE ! Da fehlt ein E.

Ich gehe zum Gleis 11. Der Wagenstandsanzeiger (deutsches Wort) macht natürlich keinen Sinn, denn ich finde meine Zugnummer ja nicht.
Aber wo soll ich jetzt Platz nehmen? Ich hab doch reserviert! Und das hat sogar Geld gekostet. Deutsches, hart erarbeitetes und bereits von Steuern und Sozialabgaben befreites Geld.

Der Zug rollt ein. Die Türen öffnen sich nicht automatisch. Man muss kräftig dran ziehen, so wie bei einem alten VW-Bus und mit Schwung die Tür aufstoßen. Außerdem gibt es einen riesigen Graben zwischen Bahnsteig und Waggon. Mir wird Angst und Bange, wenn ich da rüber steige. Das Gefühl hatte ich lange nicht. Abenteuergefühl!

Ich steige also in den stinkenden, alten IC. Gleich an der Tür sieht man Technik aus den 60er Jahren. Alte Absperrventile, aufwändige Anzeigen, die mit Glühlampen und analogen Instrumenten arbeiten. Keine LED-Anzeigen oder sowas. Noch nichtmal Wagennummern! Es gibt ein Klo. Immerhin. Steckdosen. Und sogar eine Automatiktür. Man muss kräftig dran ziehen, dann geht sie auf.

Ich suche mir einen Platz. Ganz ordentlich deutsch, die Nummer, die ich reserviert hatte. 86. Ist auch egal, noch hab ich alle Plätze für mich und könnte mir etwas frei aussuchen. Neben mir steigt ein deutsches Wohlstands-Mittelschicht Ehepaar ein. Die Frau kritisiert an ihrem Mann herum und hat nichts zu tun. Eine teure weiße, gebügelte Hose und eine teure Handtasche. Die Haare perfekt frisiert und der Mann perfekt erzogen. Sie erzählen und kauen auf einem Brötchen herum. Vor ihnen ein Kaffeebecher.

Dann steigen die drei Inder ein. Vor mir ein schwarzer gegelter Wuschelkopf. Sie erzählen. Und erzählen. Und erzählen. Schnell, laut und hektisch. Ihre Stimmlage ist etwas höher als bei mitteleuropäischen Männern fällt mir auf. Sie sehen nicht aus wie Asylanten, sind schick angezogen mit guten Klamotten und teuren Handys. Ich tippe auf Geschäftsleute. Sie wollen nach „Amsterdam“, haben aber natürlich noch kein Ticket gekauft. Die deutsche Schaffnerin ist ein bisschen dick und sehr gutmütig. Natürlich können sie die Tickets im Zug kaufen, lächelt sie die Männer freundlich an. Diese machen ein paar Scherze mit ihr und strecken ihr die Visa-Karte entgegen. Ich überlege mir für einen Moment, was passiert wäre, wenn wir alle die Tickets im Zug nachlösen würden? Ob das theoretisch möglich ist? Und wie lange dann das Abkassieren dauern würde? Länger als die Fahrt von Hamburg nach Mannheim?

Der Zug rumpelt durch die Landschaft. Er ist schlechter gedämmt als die neueren ICE´s.. es gibt natürlich kein WLAN.

„Weißt du was mir letztens passiert ist, als ich von Hamburg zurück gefahren bin?“ Ich erinnere mich an das Gespräch mit meiner Mutter. „Da haben sie einfach den ICE durch einen IC ersetzt.“.

„Ja Mama“, das ist mir jetzt auch passiert. Ich dachte, es wäre ein Einzelfall.

Wie ich so durch die Landschaft rolle, lausche ich auf die kratzige und fehlerhafte Lautsprecher-Durchsage. Sie kann das Geschwafel der Männer vor mir nicht übertönen. Ich fühle mich für einen Moment wie in Kalkutta.

Auf jeden Fall nicht mehr wie in Deutschland. Einem ehemals guten funktionierendem Land, das stolz auf seine Ingenieursleistungen, den Fleiß und das Organisationstalent war. Davon ist nichts mehr zu spüren. Zumindest nicht bei der „Deutschen Bahn“.