Weihnachtsmarkt

Zum Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin kann und werde ich erstmal nicht zuviel schreiben. Das Ereignis ist noch zu jung und die Gefahr ist groß, dass man sich in falschen Schuldzuweisungen und vorschnellen Vermutungen verliert. Zuerst möchte ich daher mein Beileid und mein Mitgefühl all denjenigen aussprechen, die davon betroffen sind oder Angehörige unter den Opfern haben. Mich hat das Ganze sehr betroffen gemacht.

 

Dennoch gibt es mittlerweise genug Fakten und genug Informationen, so dass zumindest eine erste Zusammenfassung und Einschätzung möglich ist.

Ich habe davon so erfahren: Wir haben gerade einen Film im TV angeschaut und es kam Werbung. Beim Zappen durch die Kanäle sind wir dann an „n-TV“ hängen geblieben. Da war ein LKW auf einer deutschen Straße und darunter ein Lauftext, was vermutlich passiert ist. Nach ca. 2 Sekunden hab ich sofort an einen Anschlag gedacht. Zu der Zeit war es aber nicht sicher. Ich war sehr erschrocken und erbost und schaltete zunächst weiter, weil ich nicht wollte, dass das Grauen an diesem friedlichen Abend (der ansonsten so schön gelaufen war) in unser Wohnzimmer bricht. Später dann, als Nachrichtenzeit war, konnte ich mich aber nicht mehr zurückhalten. Eine sichtlich aufgewühlte Marietta Slomka vom Heute Journal versuchte ein bisschen Ordnung und Übersicht in die Situation zu bringen, was ihr sichtlich schwer fiel. Mir war sofort klar, dass da etwas sehr schlimmes passiert sein muss. Und in wirklich fast jedem dritten Satz wiederholte man sich „wir wissen aber noch nicht, ob es ein Anschlag war, es könnte auch ein Unfall sein“.

Das fand ich mehr als seltsam. Denn schon in den ersten Stunden nach dem Anschlag deutete für den gesunden Menschenverstand alles daraufhin. Ich ging abends beim Einschlafen nochmal die Fakten durch und kam zu folgendem Ergebnis: Die Anschlagszeit war mit 20 Uhr sehr exakt ausgewählt und vermutlich so berechnet, dass möglichst viele Leute auf dem Weihnachtsmarkt sind. Es wurde ein prominenter Platz mit besonderer Bedeutung für Deutschland, nämlich der Breitscheidplatz und die Gedächtniskirche ausgewählt… es wurde ein christliches Symbol und gleichzeitig ein Symbol der westlichen Welt und ihrer kapitalistischen Denkweise gewählt: Ein „Weihnachts“- „Markt“, also die Verbindung aus christlicher Weltanschauung und dem irdischen Bestreben, die Dinge zu handeln und zu verkaufen. Man hat einen Verdächtigen verfolgt, der sich hinterher als „unschuldig“ herausgestellt hat. Aber dieser Verdächtige passte bereits zu einer Personengruppe, die man bei so einem Anschlag vermutet hätte: Jünger als 30 Jahre, männlich, aus einem arabischen oder muslimischen Kulturkreis. Das heißt also auch, dass der ursprünglich gesichtete Täter diesem fälschlicherweise verfolgten Mann sehr ähnlich gewesen sein muss. Dann wurde noch am Abend im Internet berichtet, dass Zeugen einen Schuss gehört haben, als der LKW zum Stehen kam. Außerdem wurde der Beifahrer tot aufgefunden. Von einer Schussverletzung wurde allerdings nicht gesprochen, das kam erst einen Tag später.
Eine Zeugin auf CNN berichtete, dass der LKW auf seiner Fahrt nicht langsamer geworden war. Wenn es ein Unfall oder ein Versehen gewesen wäre, dann hätte er gebremst. In den deutschen Medien wurde dieser Fakt, bzw. diese Zeugin nicht erwähnt. Aber auch CNN hielt sich am Anschlagsabend mit Deutungen und dem Wort „Anschlag“ noch zurück.
Als zusätzliches Indiz für einen islamistischen motivierten Terroranschlag kam noch hinzu: Der Anschlag in Berlin erinnerte sofort an den von Nizza. Die Terrororganisation IS hat dafür anscheinend „Anleitungen“ ins Netz gestellt. Es ist eine perfide Anschlagsmethode, die leicht durchzuführen ist und gegen die es kaum Schutz gibt. Außerdem ist maximaler Schaden gegen „weiche Ziele“ (also Menschen!!) möglich.

Ich frage mich trotzdem, wenn soviele Indizien schon am Montag abend für einen Anschlag gesprochen haben, warum war man dann nicht in der Lage, das auch auszusprechen? Die Medien wirkten hier wie die Maus vor der Schlange, die vor Angst erstarrt und sich nicht vor- noch zurückbewegen kann. Genau dieses Zögern ist es, das uns empfindlich und angreifbar macht.
Was machen wir demnächst, wenn Terroristen mit der AK-47 vor uns stehen? Glauben wir, dass sie nur in einem Spiezeugladen waren und nochmal eben die Weihnachtsgeschenke für ihre Söhne und Neffen ausprobieren wollen? Und wenn wir von ihren Kugeln durchsiebt werden, werden wir es dann für einen Scherz halten und glauben, dass es Filmblut ist, dass man gleich wieder abwischen kann? Und wenn wir dann im Sterben liegen, weil die Terroristen sich an uns „Ungläubigen“ gerächt haben, werden wir dann glauben, dass wir gleich wieder auferstehen und morgen wieder zur Arbeit gehen, als sei nichts geschehen? Wie naiv wollen wir noch sein? Wieviel Schmerz und Leid müssen wir ertragen, bevor wir endlich aufwachen?

Sicherlich war es richtig, dass sich Medien, Polizei und andere Verantwortliche in so einer Situation zurückgehalten haben und besonnen reagiert haben. „Besonnenheit“ war das Wort des Abends und es ist sicherlich auch löblich. Es ist eine sehr deutsche Herangehensweise, erstmal alles abzuwarten, sich erstmal ein Überblick über die Fakten zu schaffen und die Emotionalität und das Bauchgefühl ganz an den Schluss zu stellen.
In diesem Falle geht es auch darum, keine Panik zu schüren, sich nicht anstecken zu lassen von der Hysterie.

Wie nicht anders zu erwarten, waren es vor allem die rechten, politischen Parteien, denen vorschnell Deutungen herausrutschten. Einem Horst Seehofer z.B., dass man die „Flüchtlingspolitik nun überdenken“ müsste- freilich ist bis jetzt noch gar nicht bekannt, ob der eigentliche Täter wirklich ein Flüchtling war oder ist! Jemand anders sagte, dass das ein „Kriegszustand“ sei und noch jemand sagte sogar dass es „Merkels Tote“ seien.

Wo aber ist die richtige Reaktion? Wie soll man nun reagieren? Wie soll man sich menschlich darauf einstellen?

Ich denke, dass beide Extreme nicht gut sind. Es ist nicht gut, sich selbst in Watte zu packen und die Augen und Ohren zu verschließen und nicht akzeptieren zu können, was wirklich ist. Eine allzu hektische, rein emotionale und „postfaktische“ Reaktion ist aber auch nicht gut.

Man muss sagen können: Ja, Deutschland ist im Visier des internationalen Terrorismus. Ja, wir werden nicht von allen geliebt, auch wenn wir uns noch so anstrengen. Ja, es gibt Leute die uns hassen und nein, wir können uns nicht immer davor schützen.

Was man mehr als je braucht, sind vernünftige Antworten, die auf der einen Seite die Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte von allen Menschen gewähren, aber gleichzeitig auch wehrhaft bleibt und konsequent dort reagiert, wo Unrecht geschieht.

Für mich liegt der größte Skandal z.B. darin, dass ein Mensch (nämlich der neue Verdächtige Amri) so einen langen, offensichtlichen kriminellen Weg beschreiten kann und dass es niemand gibt, der ihn aufhalten kann. Er wurde wahrscheinlich in Tunesien schon verdächtig, kam dann als Flüchtling nach Italien, war an Aufständen beteiligt und zündete dort eine Schule an. Er saß dort in Haft, war also vorbestraft. Italien konnte ihn nicht ausweisen, also kam er nach Deutschland. Wieso kam er bei uns rein? Als offensichtlicher Straftäter? Auch hier bei uns wurde er auffällig, aber auch da konnte man ihn nicht unter Kontrolle bekommen! Es war weder möglich, ihn längere Zeit in Abschiebehaft unterzubringen, noch möglich zu überwachen und abschieben ging auch nicht. Die Begründungen dafür sind haarsträubend und werden den vielen Toten und Opfern seines Wirkens nicht gerecht! Man konnte ihn nicht loswerden, weil er keine Ausweispapiere hatte und weil Tunesien ihn nicht zurücknehmen wollte! Sagt das jetzt bitte nicht den Angehörigen… ich möchte so eine Botschaft auf jeden Fall nicht überbringen wollen. Das ist traurig und eine große Schande für die Sicherheitsarchitektur, wenn soviele Fehler zusammen kommen.

Deutschland und seine Nachbarländer in der EU müssen solche Sicherheitsmängel dringend und schnell abstellen. Es bringt nichts, im Allgemeinen gegen „die Flüchtlinge“ zu hetzen. Aber es würde schon reichen, wenn man die Einreise konsequenter und gezielt kontrollieren würde und bei einem offensichtlichen Straftäter konsequenter abschieben würde. Auf gar keinen Fall darf ein „freier Radikale“ so ungehindert durch Europa reisen. Es muss jemand geben, der ihn stoppt und zwar rechtzeitig und nachhaltig.

Der Tempel des Konsums

und der digitalen Wandlung

Gestern ging es mal wieder durch den Supermarkt. An der Eingangstür erwartete mich bereits ein riesiger, fertig geschmückter Weihnachtsbaum und noch eine dekorative Reihe aus kleinen Bäumen, die mit etwas kitschigen, roten und gelben Glitzergeschenken behängt waren. Verwundert musste ich mir die Augen reiben. „Hab ich mich etwa im Monat geirrt? Ich hab doch noch gar keine Geschenke.“ Weihnachten wurde von mir noch erfolgreich verdrängt. Gerade dieses Jahr hatte ich mir eigentlich vorgenommen, den Stress und die Geschenkezahl deutlich zu reduzieren und die Adventszeit endlich mal zu genießen! ((wie eigentlich erfolglos jedes Jahr))

Aber in den Supermärkten geht mir das oft so, denn hier ist der Einzelhandel seiner Zeit mal wieder weit voraus. Ich gehe noch etwas weiter und betrete die heiligen Hallen des Konsums. Auf der „gesonderten Verkaufsfläche“, die den Besucher auf ca. 100 qm immer als erstes empfängt, geht es munter weiter mit Geschenkpapier, Geschenkverpackungen, Weihnachtsaufklebern, Weihnachtsschmuck und kleineren, fertigen Präsenten, wie z.B. Packungen mit Parfüm oder Spielsachen für Kinder. Ich gucke nur kurz drüber, muss innerlich die Nase rümpfen und entscheide mich gegen den Aufruf zum Konsum. Wobei ich auch zugeben muss, dass die Verlockung groß ist. Allein dadurch, dass das Angebot bereit gestellt wird, wird man nämlich daran erinnert, dass da doch demnächst ein großes Fest kommt und man sich bitte darauf vorzubereiten hat. Es ist in Deutschland unmöglich, nicht daran zu denken. Weihnachten ist also so etwas wie politischer Mainstream, den man einfach zu übernehmen hat. Nur, dass der Mainstream diesmal nicht von den Politikern oder Kirchen, sondern allein vom Wirtschaftswesen und den Unternehmenschefs gesteuert wird. Mir wäre es wohler, wenn ich durch die Radioansprache eines berühmten Intellektuellen oder eines Kirchenvertreters an Weihnachten erinnert werde. Damit verbunden, die Ansprache zur inneren Wandlung, zur inneren Verantwortung und dass mal wieder jemand daran erinnert, welche Werte im Leben wirklich wichtig sind: Mitgefühl, Altruismus, Toleranz, Demokratie.
Aber gut, ich bin auch selbst schuld, denn sobald ich mich durch die Hallen eines „Konsumtempels“ bewege, muss ich natürlich damit rechnen, dass hier nicht „Liebe“, sondern „Konsum“ gepredigt wird. Wenn ich in einer Kirche sitze, erwarte ich ja auch nicht, dass man mir Gesangsbücher oder Geschenkgutscheine verkauft.

Also wird der Einkauf in gewohnter Manier fortgeführt. An den Kassen komme ich nochmal ins Grübeln. Es gibt hier fast 20 einzelne Kassen-Slots.. vor kurzem wurde diese komplett renoviert und mit neuster Technik ausgestattet. Es sieht auf den ersten Blick moderner und chicer aus. Der Kunde hat noch ein extra Display, das klarer und heller ist. Die Kassenautomaten sind insgesamt kleiner und noch „smarter“ geworden. Für die Zigaretten gibt es nun einen Automat mit Touchscreen. Man kann sogar berührungslos bezahlen.
Die wahre Motivation erkennt man aber erst, wenn man genauer hinschaut. Die Bänder sind wieder etwas kürzer und kleiner geworden, was den Stress beim Rauflegen erhöht, außerdem hat man den üppigen Platz an der „Auslaufzone“ etwas verkleinert, so dass es jetzt noch schwieriger wird, den Einkaufswagen zu drehen. Dafür wurde der Verkaufsbereich links und rechts der Bänder nochmal vergrößert. Das (anscheinend) sehr lukrative Sortiment aus Wodka-Flaschen, Kräuterschnaps, Hustenbonbons, Kinder-Spielzeug und Schokolade ist jetzt noch prominenter geworden. Dabei kaufe ich dort aus Prinzip nicht! Mir ist schonmal aufgefallen, dass hier die Preise sogar gesondert berechnet werden. (Batterien im Markt sind günstiger, an der Kasse zahle ich drauf) Außerdem werden immer ganz kleine Packungen hingestellt, was wiederum mehr Verpackung und teurer Verkaufspreis bedeutet.

Warum fragt man bei all diesen Umbauaktionen eigentlich nie den Kunden? Warum wird immer alles von oben herab entschieden? Warum gibt es nie Demokratie in den kleinen Dingen des Lebens? Ich bin gezwungen, mich in das System Einkauf einzufügen, ob ich will oder nicht.

Beim Gespräch mit der Verkäuferin habe ich sogar erfahren, dass die Verkäuferinnen das System selbst nicht gut finden. Die Kassenautomaten wurden nämlich mal nach links und mal nach rechts ausgerichtet, so konnte man die Bänder-Zone noch vergrößern und den Platz optimal ausnutzen. Rechtshänderinnen haben aber nun massive Probleme, weil die Kassen tlw. für Linkshänder ausgerichtet sind. D.h. sie müssen den ganzen Tag vor einer „falschen Kasse“ sitzen und die Arbeit quasi mit der nicht-dominanten Gehirnhälfte aus delegieren. Warum sagt eigentlich da der Arbeitsschutz und die Gewerkschaft nichts? Gibt es solche Verbände eigentlich überhaupt noch? Auch als Kundin kann ich nichts machen, ich muss das ganze so akzeptieren oder woanders einkaufen gehen. Der einzige Ausweg, der noch bleibt, ist eine Protestmail an die Unternehmensleitung.

Es gibt jetzt mehr Bänder und Einkaufsslots, aber mir ist auch aufgefallen, dass seit der Umstrukturierung teils weniger Kassen geöffnet sind. Dieser Supermarkt hatte sich immer dadurch ausgezeichnet, dass viel Personal eingestellt war und man an den Kassen so gut wie nie warten musste. Das war ein Grund, warum das mein Lieblingssupermarkt wurde. Jetzt fällt mir auf, dass an bestimmten Flaute-Tagen (z.B. Donnerstag) die Anzahl geöffneter Kassen deutlich zurückgefahren wurde.

Ich schaue mir die Frauen mittleren Alters genauer an. Ich stelle mir vor, wie sie zu Hause Männer haben, die LKW fahren oder Handwerker sind und darauf angewiesen sind, ein zweites Einkommen zu haben. Plötzlich sagt mein Mann (der immer mit anderen Augen durch den Supermarkt geht als ich) das Stichwort „Automatisierung“ und dass diese Arbeitsplätze in den nächsten Jahren auch wegfallen könnten. Mir fällt es wie Schuppen von den Augen! Er hat recht. Das sind die ersten Arbeitsplätze, die dran glauben müssen. Die Arbeit ist nämlich schon jetzt hochautomatisiert und digitalisiert. Auf jedem Produkt klebt ein Barcode, die Waren müssen nur über den Scanner gezogen werden. Alle Preise werden vom Warenwirtschaftssystem verwaltet und können von der Geschäftleitung kurzfristig angepasst werden (ähnlich wie bei den Benzinpreisen). Was spricht denn dagegen, die Kassen in nächster Zeit auf „Selbstscanner“ umzurüsten? Der Kunde könnte selbst scannen und an der Kasse müsste nur noch eine Person stehen, die alles überwacht. Das gibt es ja z.B. in der „Metro“ schon. Oder man denkt sich neue technische Lösungen aus, z.B. ein Einkaufswagen, in dem man die Waren reintut, die sich dann selbst (z.B. mit RFID-Chip) melden und dann nicht mehr entnommen werden können, bis der Kunde an der Kasse das Schloss wieder freischaltet.

Ich schaue mir die anderen, vielen Menschen an, die anscheinend alle sehr glücklich sind, in diesem Supermarkt einen Job zu haben. Sie fahren die Paletten durch die Gänge und räumen die Regale ein. An einem durchschnittlichen Einkaufstag komme ich meistens auf 10 Verkäufer und Verkäuferinnen. Auch diese können durch „Industrie 4.0“ und Vollautomatisierung ersetzt werden. Roboter für Regale oder vollautomatisierte Lagersysteme gibt es ja jetzt schon. Vielleicht kreuzt mir beim Einkaufen demnächst ein kleiner Roboter den Weg, der mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und GPS das gewünschte Regal ansteuert und dort alles ablegt?

Was wird dann mit den Menschen, die jetzt froh sind, einen Job zu haben? Die bei der Programmierung der neuen Roboter vermutlich nicht dabei sein werden und die auch keinen Supermarkt geerbt haben?

Zugegeben- bei allem Optimismus über die schöne neue Welt- ist das eine Vorstellung, die mir Sorgen macht. Wenn man Populismus und extreme Wahlentscheidungen in Zukunft vermeiden möchte, muss man solche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen erkennen und Lösungen dafür erarbeiten. Beim Supermarkt-Beispiel gibt es dafür verschiedene Ansätze: Z.B. müssten die Löhne deutlich steigen, so dass Familien nicht unbedingt auf zwei Einkommen angewiesen sind. Auch die steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen wäre dringend notwendig. Gewinne, die aus der höheren Produktivität und den technischen Fortschritten entstehen, müssten direkt an die Menschen und Arbeitnehmer weitergegeben werden. Es werden in Zukunft mehr Arbeiten durch Maschinen und Roboter erledigt, der Faktor Mensch kommt immer weniger vor. Also wäre auch eine „Maschinensteuer“ denkbar.
Und es müsste mehr für Bildung in der Breite getan werden. Entwicklungen wie „Industrie 4.0“, Elektromobilität und Digitalisierung dürfen nicht verschlafen oder verdrängt werden. Die Industrie (und die Politik) muss wettbewerbsfähig bleiben, sich auf neue Entwicklungen rechtzeitig einstellen und auch dafür sorgen, dass sie Fachkräfte ausbildet und die Menschen bei diesem Wandel mitnimmt.

Wahl in den USA -2

Wähleranalyse und Gedanken zur Persönlichkeit des Wahlsiegers

Ich glaube, dass es zu einfach ist, wenn man Donald Trumps Erfolg nur auf die Wahlentscheidung einer fehlgeleiteten, weißen Unterschicht „ohne Collegeabschluss“ schiebt. Sicherlich mag das am Wahlausgang einiges verändert und Hillary Clinton entscheidende Wählerstimmen gekostet haben. 72 % der Wähler waren weiß und hatten keinen College-Abschluss. (Quelle)
Erschreckend finde ich bei der ersten Wahlanalyse aber, dass durchaus auch Frauen und Latinos sich für Trump entschieden haben. Obwohl er diese ja lautstark und offensiv beleidigt hat. So haben sich immerhin 42% der weiblichen Wähler für Trump entschieden und 29% der Wähler waren Latinos.

Was sagt also dieser Erfolg über die Psyche der Wähler aus? „Die Schafe wählen ihren Metzger selbst“, anders kann man es -glaube ich- nicht formulieren. In der Wahlentscheidung für einen Präsidenten, der höchstwahrscheinlich zu ihrem eigenen Nachteil handeln wird, kann doch nur so etwas wie der Wille zur Demütigung und Bestrafung stecken. Wo die Gesellschaft auf der einen Seite durch falsche Erziehung und Vorbilder Narzissten und Egoisten wie Trump hervorbringt, muss es auf der anderen Seite auch Verlierer und Masochisten geben- die die Unterdrückung und Ungleichheit schon so sehr verinnerlicht haben, dass sie das Kreuz an der falschen Stelle machen.
Bei der Wahl war aber auch viel Protest im Spiel, was man an der Verteilung der Wahlgründe sieht. Hier geben 70% der Wähler an, dass sie Trump gewählt haben, weil er für einen Wandel sorgt. Erfahrung hat man Clinton immerhin mit 40% zugesprochen, aber Trump nur 3%.

Die Leute wissen also, dass Trump sehr wenig Erfahrung für den Job mitbringt, und wählen ihn trotzdem?

Hier kann man indirekt auch einen starken Geschlechterunterschied in der Bewertung von Führungspersönlichkeiten und allgemeiner Kompetenz ausmachen. Wo dem polternden, aggressiven Mann ein großer Vertrauensvorschuss entgegen gebracht wird, kann die Frau trotz ihres großen Wissens und ihrer Erfahrung sich nicht durchsetzen. Die Menschen wissen zwar, dass Clinton mehr Erfahrung hat, auch ihr Urteilsvermögen wird höher eingeschätzt (27% vs 11%).
Das „Gefühl“ setzt aber dennoch auf den starken Mann. Die Masse vertraut, dass er sich mit seinen Ellenbogen und seiner Aggressivität durchsetzen wird und ihrgendwie in den Job reinwachsen wird. Er soll die Kohlen für die abgehängten Amerikaner aus dem Feuer holen. In der Erziehung denke ich hier an Eltern, die den Jungen vor die Tür setzen, ihn hart ran nehmen und darauf vertrauen, dass er seinen Weg selbst findet- wohingegen die Mädchen eher vor negativen Erfahrungen und großer Stress-Berührung in Schutz genommen werden und man ihnen das sowieso auch nicht zutraut.

Es ist so offensichtlich das Donald Trump „nicht ganz normal“ ist, um es vorsichtig zu formulieren.
Googlet man nach der Psyche von Trump oder einer möglichen Psychoanalyse, dann stößt man ganz schnell auf den Begriff des „Narzissten“, also dem selbstverliebten Menschen, der nichts kennt außer sich selbst und sein Spiegelbild.

Es gibt einige Texte über den narzisstischen Trump, z.B. diesen hier,  der die These aufstellt, dass der Narzissmus einer prominenten Person auch einen Stellvertreter-Komplex lösen kann. Man sieht also in der Befriedigung des Narzissmuses eines anderen, seinen eigenen Narzissmus befriedigt. Zu dieser Erkenntnis kommt auch dieser Text, der gleich die ganze Kultur als narzisstisch gestört betrachtet.  Allerdings wurde das vom Sozialkritiker und Autor Christopher Lasch schon 1979 erkannt und vorhergesagt.

Einen interessanten Hinweis auf die extrem selbstverliebte Persönlichkeit findet man auch in diesem Artikel.
Zitat: „Selbstspiegelnd ist auch seine „Literatur“. Das Einzige, das er liest, sind Artikel über sich selbst. Diese werden von einem Team gesammelt und ihm als Morgenlektüre präsentiert, wie ein ehemaliger Angestellter berichtet.

Zu guter Letzt habe ich mir noch die berühmte Liste mit Beleidigungen vorgenommen, die vor kurzem von der New York Times veröffentlicht wurde. Hier wurden alle verbalen Entgleisungen Donald Trumps gegenüber „Personen, Orten und Dingen“ übersichtlich aufgelistet.

Entgleisungen, die „recent“ , also unlängst passiert sind, haben eine starke grüne Farbe, alles andere ist schwächer markiert oder weiß.

Beim Lesen der Beleidigungen musste ich erstmal das Wörterbuch zur Rate ziehen, denn viele Begriffe kenne ich aus dem Schulenglisch nicht. Für die werten BlogleserInnen folgt hier eine kurze Auflistung von verwendeten Wörtern Trumps und meine Übersetzung, die ich mit Hilfe von Leo nachgeschlagen habe.

Hillary Clinton kommt vor allem vor mit „crooked“ , was soviel wie „betrügerisch“ oder „schief“ bedeutet. Er attestiert ihr „schrecklich“ zu sein, dass sie „seit 30 Jahren scheitert“ und zu „schwach zum führen“ sei.

Andere Begriffe, die vorkommen sind z.B. :

phoney = Schwindler/ erfunden, gefälscht
biased = befangen, voreingenommen
dopey= blöd, dämlich
dumb = vereinfachen / geistiges Niveau senken
wacko= Spinner
dishonest = unehrlich
lightweight reporter= „Dünnbrettbohrer“ oder Leichtgewicht
overrated= überschätzt
thugs = Verbrecher
horrendous = entsetzlich, abscheulich
rambling = weitschweifig, schwafelnd
fraud = Betrug

political pundits = politischer Kritiker / Fachgelehrter (evt. abschätzig)
deadpan = Pokerface
media rigged / rigged = aufgetakelt
made-up = erlogen
flamboyant = grell, auffallend (über die Rede von Ted Cruz)
ridiculous = lächerlich
no guts, no glory = kein Mumm, kein Erfolg (über das Kaufhaus Macy)

Was kann man von jemanden denken, der solche verletzenden Worte massenhaft benutzt, und das meistens nur zum Zweck andere zu schwächen und zu diskreditieren? Er hat sein Ego an erster Stelle gesetzt und wertet nun alle ab, die ihm irgendwie schaden wollen oder kritisieren.
Somit ist er weit von einer demokratischen Basis entfernt, die ja Lösungen immer mit Hilfe von Diplomatie, Abwägungen, Abschätzungen und Diskussion zu lösen versucht. Beleidigungen sollten im demokratischen Alltag die absolute Ausnahme sein.

Wenn man in seinen Gegenübern aber von vornherein nur Feinde sieht, die man gerne beleidigen und schlecht machen würde, wird es niemals zu einer Diskussion oder gar einer konstruktiven Politik kommen. Wenn Trump seine ganze Schlangenhaut abstreift und sich plötzlich im weißen Haus ändern würde, würde das ja bedeuten, dass „das Amt den Präsidenten“ ändert. Aber bei der Bereitschaft zur inneren Änderung habe ich bei einem 70-jährigen Milliardär, der seinen ganzen Erfolg seiner aggressiven und egoistischen Attitüde verdankt, große Zweifel.

Es kann sein, dass einem Politiker unter Druck mal eine Beleidigung „herausrutscht“, aber es darf niemals zum täglichen Tagesgeschäft gehören. Mit so einer Einstellung wird sich Trump kaum Freunde machen und kaum vernünftig im Politikbetrieb interagieren können. Bezeichnend ist z.B. auch, dass fast keiner Europa-Politiker je Kontakt mit ihm hatte. Er ist also ein absoluter Neuling, ein unberechenbarer Faktor an der Spitze der mächtigsten Nation der Erde.

Wahl in den USA

Gestern abend habe ich mir noch diverse Sondersendungen im TV über die Wahl in den USA angeschaut. Schon seit längerer Zeit kommen im Fernsehen darüber viele Berichte und auch die Online-Medien sind voll mit Berichterstattungen. (z.B. diese oder diese) Der Grund-Tenor ist eigentlich immer gleich: Trump ist der irre Populist, den sowieso keiner ernst nehmen kann und Hillary Clinton die verbissene Musterschülerin, die bestimmt alles weiß, aber irgendwie keine Sympathie bekommt (ein Problem vieler mächtiger und intelligenter Frauen). Vor allem in den Biografien der einzelnen Präsidentschaftskandidaten wurde das nochmal ziemlich deutlich, wie sehr sich beide unterscheiden.

Trump ist eher jemand, der sich mit Ellenbogen und Skrupellosigkeit, mit Betrügereien und Egoismus durchgesetzt hat- wohingegen Clinton mehr auf Aufstieg durch Bildung, Heirat eines erfolgreichen Ehemanns und gute Kontakte in die Politiker-und Machtebene der USA gesetzt hat.

Und weil ja „Trump keiner ernst nehmen kann“ und er bei den Deutschen (und Europäern) sowieso recht unbebliebt ist, habe ich mir dann die „lange Wahlnacht“ weder bei ARD noch ZDF angetan und bin zeitig schlafen gegangen. Ich hatte noch überlegt, ob ich Wetten auf Hillary Clinton abschließen sollte, so sicher war ich gestern abend, dass sie gewinnt. Die Umfragen vor der Wahl sprachen eine eindeutige Sprache, sie lag klar vor Trump. Auch das fiese Hereingrätschen des FBI kurz vor der Wahl sollte sie nicht mehr vom Sockel holen, so dachte ich mir. Die Intelligenz, die Moral, die Erfahrung und die weibliche Ausstrahlung einer sympathischen Kandidatin wird das Rennen klar gewinnen, so dachte ich mir gestern abend noch. Es kann gar nicht anders sein. Wenn es anders kommt, dann muss die Welt in einer schweren Krise sein. Aber nicht nur in einer wirtschaftlichen, finanziellen oder „Globalisierten Krise“, sondern in einer echten moralischen, menschlichen Krise. Wenn dieser Hetzer gegen Minderheiten, gegen Frauen, derjenige, der eine Mauer bauen möchte und auf offener Bühne seinen Steuerbetrug zugibt und damit droht „er könne jemand erschießen, ohne dafür belangt zu werden“, die Wahl gewinnt, weil er für „offen und ehrlicher“ gehalten wird… dann würde mein Weltbild schwer erschüttert und enttäuscht werden.

Und als ich heute morgen aufgewacht bin, war der erste Griff zum Smartphone und den aktuellen News… und mein Weltbild wurde schwer erschüttert.

Was soll man zu diesem Ergebnis sagen? Freuen kann ich mich bestimmt nicht. Da es nicht „meine Wahl“ in „meinem Land“ ist, traue ich mich bei den USA-Wahlen viel eher zu einer klaren Meinung. Diesmal ist es doch viel zu leicht. Wie kann jemand wie Trump gewinnen?

Bei einer sehr interessanten Reportage wurde vor ein paar Tagen die Situation ehemaliger Stahlarbeiter in den ländlichen Staaten der USA beleuchtet. Bis dahin war mir z.B. überhaupt nicht klar, wie schlimm die Stahlkrise die USA getroffen hat. Dass in den USA schon länger nicht mehr soviel Autos produziert werden, wie z.B. in den 80er und 90er Jahren, das wusste ich irgendwie. Da gab es auch immer mal wieder Hinweise in den Online-Medien, der Rest des wirtschaftlichen Wandels wurde aber nur selten beleuchtet.

Und dann sitzen da dickbäuchige, weiße Männer mit Tattoos aus der unteren Mittelschicht auf ihren Harleys und klagen darüber, dass sich früher die „harte Arbeit“ im Stahlwerk gelohnt hat, dass das jetzt aber kein Leben mehr sei. Entweder sie bekommen so etwas wie Sozialhilfe oder sie haben viel schlechter bezahlte, prekäre Jobs. Und sie glauben tatsächlich an diese alten Zeiten und dass es jemand wie Trump schaffen kann, die Zeit wieder zurück zu drehen und ihnen die Industrialisierung der 70er Jahre zurückbringen kann. Sie glauben, dass jemand, der sein Leben lang immer nur an sich gedacht hat, plötzlich seine soziale Ader entdeckt und ihnen Aufstieg, Wohlstand und Erfolg schenken wird?

Von diesen abgehängten, weißen Männern scheint es eine Menge zu geben, denn Trump konnte selten wie nie mobilisieren. Trump hat eine Begeisterung geweckt, aber der Funke ist bei Clinton nie so recht über gesprungen. Ihr fehlt eine gewisse „Leidenschaftlichkeit“, die für den amerikanischen Präsidentenwahlkampf so wichtig ist. Diese Wahl war vom Fernsehen, von Gefühlen und gefälschten Bildern (teils offenen Lügen) geprägter als je zuvor. Man kann wirklich an der Intelligenz der Menschen zweifeln, wenn es weiterhin in diese Richtung gehen sollte!

Die Männer der unteren Mittelschicht tragen dann T-Shirts auf denen sowas wie „Clinton in jail“ oder andere harte Parolen stehen. Clinton wird generell viel weniger gemocht, sie steht für die abgehobene „Politikerkaste“, der immer weniger vertraut wird. Und dass sie ein Frau ist, das spielt unbewusst bestimmt auch eine Rolle. Wie soll eine Frau von der Uni die Belange der weißen, ungebildeten, männlichen Arbeiter verstehen? Das kann natürlich ein Mann von der Uni, der einen reichen Vater hatte (eine Million Startkapital) und auf einer privaten Miltärakademie ausgebildet wurde, natürlich viel besser…. In Sport war Trump gut, dort hatte er die ersten Erfolge, aber als es um die Einberufung in den Vietnam-Krieg ging, da konnte er sich irgendwie untauglich schreiben lassen

In einer anderen Einstellung werden Waffennarren gezeigt, die von einem ehemaligen Colonel ausgebildet werden und natürlich alle für Trump sind, weil Clinton ihnen ja die Waffen wegnehmen möchte. An der Stelle wird es sehr schwierig, sich als Deutsche in die Amerikaner hinein zu versetzen, weil wir hier ein völlig anderes Verständnis für „Waffenkultur“ und Gewalt im Allgemeinen haben.

In dieser Wahl konnte sich das liberale Amerika, das man meistens in den Städten und an der Küste findet, nicht richtig durchsetzen.

So beschreibt es auch Martin Schulz in diesem interessanten Video .

Man muss jetzt noch viel intensiver auf die Ursachen schauen. Wenn nicht der „Brexit“ schon ein Weckruf war, dann ist es dieser Wahlausgang in jedem Falle. Die westliche Welt fängt an, in der Mitte auseinander zu brechen und ihre moralische und demokratische Grundlage zu verlieren. Dies ist höchst gefährlich, weil am Ende des Weges nur Scherben und Unglück stehen können.

Welche Entwicklungen führen dazu, dass sich Menschen für Populisten entscheiden? Dass eher dem Hass und dem harten Ruck die Stimme gegeben wird, aber nicht der abgeklärten Sachpolitik, die im tatsächlichen Politikalltag vermutlich besser zurechtkommen würde?

Denn wirtschaftlichen Wandel und das Entstehen von „abgehängten Klassen“, die einen Hass auf Politiker bekommen und sich radikal entscheiden, gibt es im Moment leider überall.

Halb-Gesund

Heute bin ich halb-gesund. Eine Seite von mir ist gesund, die andere ist krank.

Die gesunde Seite hat viele Ideen, tausend Pläne und möchte das am liebsten alles und sofort umsetzen. Aber die kranke Seite hält mich zurück. Sie sagt „Stopp, da geht noch nicht soviel. Nimm Dir Zeit“.

Aber wieviel Zeit soll ich mir noch nehmen? Das dauert schon alles so ewig lang!

Anfang Juli hab ich eine Viruserkrankung bekommen und 10 Tage im Bett gelegen. Ich hatte eine heftige, virale Mandelentzündung und Fieber, das auf 39 Grad raufgegangen ist und sich mehrere Tage gehalten hat. Die Diagnose lautet höchstwahrscheinlich „Pfeiffersches Drüsenfieber“. Dieser Virus hat mich extrem geschlaucht und ich konnte in der Zeit fast nichts essen, so dass ich sogar fünf Kilo abgenommen habe.
Es ist erstaunlich, mit welchen Widrigkeiten der Organismus fertig wird. Und es ist das erste Mal, dass ich den Sinn von Fettreserven gesehen (und eingesehen) habe. Obwohl ich die Nahrungsaufnahme komplett eingestellt habe (wegen der Schluckbeschwerden), ging das Gewicht nur ganz langsam runter. Und da ich sowieso etwas zuviel Gewicht habe, hätte ich das ganze noch zwei Monate durchstehen können.

Und es war auch gut, dass ich im Haus genügend Vorräte hatte und nicht mit der Krankheit einkaufen musste. Was mir besonders geholfen hat, war Saft und Vitamin C in rauen Mengen.

Nach ca. drei Wochen war die Krankheit ausgeheilt, aber jetzt ist sie wieder da. Ich wollte zu schnell zuviel. Der Virus übernimmt wieder Kontrolle über meinen Körper. Ein Teil ist gesund, ein Teil ist krank.

Alle Symptome, die ich Anfang Juli hatte, sind nun in abgeschwächter Form zurück. Es fing mit leichtem Schwindel und dem Gefühl von Desorientierheit an. Sehr seltsam.. aber für mich ein untrügliches Zeichen, dass es wieder „losgeht“. Dann kamen die Halsschmerzen. Hartnäckig.. Unaufhaltsam, penetrant, lästig. Nichts hilft. Und eine pelzige, belegte Zunge schon seit einer Woche. Trockener, lästiger Husten der an einem Tag weg ist und am nächsten Tag wieder kommt. Und dann diese Schlappheit. Leichte Kopfschmerzen, Müdigkeit und das Gefühl, dass man auf nichts wirklich Kraft und Lust hat. Dennoch ist der Nachtschlaf gestört, so dass man nicht die richtige Erholung bekommt. Das warme Wetter macht die Heilung zusätzlich anstrengend.

Alles andere ist okay. Ich kann lachen, laufen, stehen und bin nach 20 Minuten Anstrengung müde. Der Motor startet und nach ein paar Kilometer ist schon wieder der Kraftstoff alle. Halb-Gesund. Zu Gesund um sich ins Bett zu legen, aber zu krank um wirklich frei und entfaltet leben zu können.
Eine Bürde, wie ein schwerer Stein, der auf die Schultern drückt und depressiv macht.

Aber die gesunde Seite weiß ganz genau, dass sie dunkle Seite eines Tages auch wieder ins Licht holen wird.

„Halb-Gesund“ weiterlesen

Mein Hobby: Meteorologie

Es wird Zeit, mal wieder über das Wetter zu schreiben. Über das Wetter kann man ja irgendwie immer reden.
Es ist ein Thema, das nicht endet, das sich permanent selbst-erneuert, das immer wieder neuen Gesprächsstoff bringt.
So richtig gemerkt habe ich das mal wieder, als ich in der Hitzewelle der letzten Tage (die letzten beiden August-Wochen 2016) mich kaum für „sinnvolle Tätigkeiten“ aufraffen konnte und einfach gehofft habe, dass diese Hitze wieder verschwindet. Sie musste einfach weg, ich konnte es nicht ertragen. Ich bin sowieso ein recht hitze-empfindlicher Mensch.

Ein großer Trost war da mal wieder die „Kaltwetter-Seite“ und vor allem ihr (viertneuster) Beitrag zur aktuellen Wetterlage, der mittlerweile schon über 1400 Kommentare hat. Das sind fast soviele Kommentare wie ich in den letzten 5-6 Blogjahren als Ganzes zusammen bekommen habe, aber das ist ein anderes Thema. 😉 Die Kaltwetter-Seite habe ich ja schon einmal empfohlen und ich finde sie auch weiterhin gut. Hier lebt die Blogosphäre noch und hier finden sich Menschen mit ähnlichen Interessen zusammen, die dazu noch sehr kommentierfreudig sind.

Auch wenn ich den Kommentaren noch nicht „aktiv“ dabei bin (zu schüchtern), lese ich darin sehr viel. Zum einen ist es schön, Gleichgesinnte zu finden, die das warme Wetter auch als etwas unreales, unschönes und störendes empfinden. Die sich Gedanken darüber machen, wie unsere Welt (vor allem unsere Natur und das Klima) aus dem Gleichgewicht gerät. Dabei findet man viele fundierte, wissenschaftliche Erkenntnisse und interessante Diskussionen. Auch eigene persönliche Erfahrungen zum aktuellen Wetter fließen in die Beobachtung mit ein, was ich persönlich immer mit am interessantesten finde („heute morgen beim Hunde-Ausführen ganz schön ins Schwitzen gekommen“ oder „bei uns in der Dachwohnung kaum zum aushalten“ oder „Verdorrte Bäume und Pflanzen in den Wäldern“, Erörterungen über die mangelnde Bereitschaft in Deutschland Klimaanlagen zu verwenden, etc. pp)

Also nochmal ein Tipp! Ich flankiere das ganze mit weiteren Erkenntnissen und Online-Seiten, z.B. die Wetter.com -Seite.
Es gibt ja sehr viele Internetseiten, die das aktuelle Wetter und Vorhersagen produzieren, aber mit schwankender Vorhersage-Güte und teils sehr unterschiedlichen (manchmal auch überladenen) Web-Angeboten. (die besten sind noch Wetteronline oder Donnerwetter. Laut Kaltwetter taugen die meisten aber nicht viel und er empfiehlt noch Proplanta ) Die Wetter.com -Seite gefällt mir insgesamt sehr gut. Sie ist recht übersichtlich und besonders schön sind auch die ständig neuen Wetter-Videos. Hier erfährt man auf eine intuitive Art alles über aktuelle Wetter-Veränderungen, Aussichten und Prognosen. Auch aktuelle Wetter-Phänomene, Reisewetter oder das Gesundheitswetter kann man sich anschauen. Allerdings muss man bereit sein, die davorgeschalteten Werbeclips zu akzeptieren und man benötigt auch ein schnelles Internet. Die Wetter.com Seite hatte bei mir in den letzten Monaten heftige Probleme beim Streamen, das ist aber nach ein paar technischen Änderungen an der Seite deutlich besser geworden.. Es kommt immer ein Werbeclip vor jedem Video, leider wiederholt sich die Art der Werbung häufig. (( wenn man einen Werbeblocker benutzt, funktionieren die Videos nicht mehr ))
Egal, denn die Moderatoren kommen sehr sympathisch daher und erklären auch den Laien die aktuellen Wetter-Situationen sehr anschaulich. Vor allem Kai Zorn ist schon fast eine kleine Berühmtheit und vielen Menschen bekannt, vielleicht auch von den Sat1-Wetternachrichten. Seine Analysen sind immer sehr schön anschaulich, teils lustig und er berichtet oft von unterschiedlichsten Regionen in Deutschland. Für mich ist er einer der besten Moderatoren (bzw. Meteorologen), die man in deutschen Internet-Medien finden kann.

Ich benutze die Wetter.com Seite jetzt ca. seit drei Jahren. Sie hat meinen Erfahrungen nach eine recht genaue Vorhersage-Wahrscheinlichkeit. Nach eigenen Aussagen wird zur Temperatur-Bestimmung der „grüne GFS-Hauptlauf“ verwendet, den man auf professionellen Wetter-Seiten wie z.B. Wetterzentrale.de nachlesen kann. Da sich diese Berechnungen zu festen Zeitpunkten ändern (0, 6, 12, 18Z), ändert sich auch die Temperatur-Vorhersage von Wetter.com.

Es ist also recht sinnvoll, sich nebenbei noch die „echten Karten“ und Diagramme von Wetterzentrale.de anzuschauen und zu studieren. So bekommt man ersten einen umfassenderen Überblick über die Wetterdaten und kann sich zweitens noch ein eigenes Bild zur Wettersituation machen. Das wird z.B. auch bei Kaltwetter.com gemacht und die User haben tlw. sehr gute Fähigkeiten (und meteorologisches Wissen) um diese Daten richtig zu interpretieren. Deren Diskussionen zu verfolgen, ist also schonmal ein guter Anhaltspunkt und ein Start in das eigene private Hobby-Meteorologentum. 😉

Ein einfacher Weg hat sich für mich also wie folgt herausgestellt:

Ich gehe auf http://www.wetterzentrale.de und klicke da auf „Diagramme“. Dann wähle ich das amerikanische GFS-Ensemble Modell (GFS-ENS).
Dort wird dann „Temp 850hPa und Niederschlag S/W“ gewählt. Man wählt Temp 850hPa und NICHT 2 Meter, weil diese Daten auf einer gewissen Höhe gemessen werden, die für Schwankungen weniger empfindlich ist (zumindest hab ich das so verstanden). Wenn man die 2-Meter Temperatur wählen würde, bekommt man nämlich starke Tagesschwankungen (nachts ist es kalt, tags ist es warm). Die Kurven sind dann viel schwieriger zu lesen und vermutlich auch ungenauer. (Die Umrechnung der 850hPa Temperatur in die tatsächliche Temperatur ist allerdings recht kompliziert und bietet -ganz unwissenschaftlich- wiederum Spielraum für Interpretationen und Erfahrung. Wer darüber mehr wissen will, wird z.B. hier fündig )

Jetzt kommt die Interpretation der Daten: Der grüne Balken ist der „Hauptlauf“, der blaue Balken der „Kontrolllauf“. Alle anderen Balken und Striche sind „Nebenläufe“ die von der Wettersimulation mit etwas veränderten Start-Parametern berechnet wurden. Der dicke große Strich ist auch sehr wichtig, weil er das langjährige Mittel aller Temperaturen ausgibt (30 Jahres-Mittel). Hier ist mir aufgefallen, dass in den letzten Jahren die Temperaturen immer deutlich ÜBER dem Mittel lagen, also ein ziemlich deutliches Anzeichen bzw. Indikator für die Klimaerwärmung . Am unteren Rand gibt es die sog. Niederschlags-Signale. Hier wird die Wahrscheinlichkeit und Menge des erwarteten Niederschlags ausgegeben. Wiederum mit verschiedenen Parameter und daher auch verschiedenen „Wahrscheinlichkeiten“.

Wichtig ist noch, dass man auf der linken Seite einen Ort oder eine PLZ eingibt. Denn nur dann kann der eigene Standort auch korrekt bestimmt werden (mit Längengrad und Breitengrad). Wenn man alle Einstellungen getätigt hat, empfiehlt es nich noch, die gesamte URL mit einem Links-Klick in die Lesezeichen-Leiste (z.B. von Firefox) zu ziehen, damit man immer schnell darauf zugreifen kann.

Mit diesem Wissen ausgestattet, kann man schonmal gut in das Hobby Meteorologie starten. 😉 Der Rest ergibt sich meistens von selbst, wenn man die Diskussionen der Experten liest oder das eine oder andere Thema noch über Wikipedia & Co vertieft.

Mal wieder was bloggen

und die eigene Meinung stärken

Ein Blog ist ja eigentlich ein Mechanismus, mit dem man täglich Beiträge schreiben kann. Meistens sind diese Beiträge persönlicher Natur und sie werden auch oft aktualisiert. Eigentlich das perfekte Medium für alle, die gute Texte und einen engen Kontakt zu den Autoren suchen. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass dieses schöne Medium immer mehr am sterben ist, bzw. sich radikal verändert.

Ich habe schon seit Monaten keinen wirklichen Neuzugang in meiner Blogroll. Bestehende Autoren schreiben seltener und die Artikel werden kürzer. Ich finde auch keine Blogs mehr, wenn ich auf Google etwas suche. In den ersten drei Ergebnisseiten kommen fast ausschließlich bezahlte Medien (Magazine, Zeitschriften oder größere Online-Portale).
Früher hat man bei den Suchmaschinenergebnissen viel öfter Blogartikel angezeigt bekommen. Mittlerweile gar nicht mehr.
So etwas wie die „Blogosphäre“ scheint es nicht mehr zu geben. Erinnert ihr euch noch an das „Stöckchen werfen“, das vor ein paar Jahren noch so chic war und bei dem man alle Nas lang etwas abbekam? Gibt es auch nicht mehr. Auch die Kommentier-Rate unter den Bloggern scheint ziemlich eingeschlafen zu sein. Ich finde das eigentlich sehr schade. Denn gerade die Blogs ermöglichen ja die freie Kommunikation unabhängig von Online-Zeitungen, Staats-Fernsehen oder wirtschaftlich geprägten Meinungsmachern. Es gab so gar einmal die Zeit, als „bezahlte“ Magazine und Zeitungen die Blogs fürchteten, weil ja jetzt jeder Journalist sein konnte, jeder einen Leser fand. Von diesen Ängsten ist lange nichts mehr zu spüren. (Vermutlich spätestens seit Google seinen Algorithmus umgestellt hat…) Jetzt sind die Blogs wieder da, wo sie der Überzeung der Mächtigen nach hingehören: In der Nische.

Wenn ich mir so meinen Verwandten- und Bekanntenkreis anschaue, dann sind fast alle Leute auf Facebook aktiv. Das große soziale Netzwerk aus den USA hat es anscheinend geschafft, massiv Aufmerksamkeit und Nutzer abzuziehen. Auf der einen Seite ist das gut, weil sich hier etwas fokussiert und dann ein gewisser „Anhäufungseffekt“ auftritt. Wenn erstmal alle dort sind, bleiben auch alle dort und man muss sich nicht mehr in den unendlichen Weiten des komplizierten Internets verlieren. Es ist also in erster Linie mal bequem. Was ich dabei nur schade finde, dass die Datenschutzfragen von Facebook überhaupt nicht mehr diskutiert werden- und von den meisten anscheinend auch gar nicht mehr angezweifelt oder hinterfragt werden. Zumindest bekomme ich außer den täglichen Belanglosigkeitsmeldungen davon nichts mit. (Vielleicht scheint aber die diffuse Angst vor dem Alles-Wisser Facebook auch gerade dazu zu führen, dass die Leute nur noch an der Oberfläche bleiben und dann Dinge von sich geben, deren Daten nichts bedeuten). Die Tiefe scheint generell in den sozialen Netzwerken zu fehlen. Aber egal, hauptsache wir sind „sozial“ und wir liken und empfehlen uns und bestätigen uns gegenseitig in unserer „Nicht-Meinung“ des Konformismus. Ich bin da naturgemäß sehr kritisch und abwartend und konnte den Vorteil von Twitter und Facebook für mich noch nicht nutzen. Bei Twitter denkt man einmal in die falsche Richtung und läuft dann gleich Gefahr massiv Gegenwind von „Followern“ zu bekommen. Aber wie soll man eine Meinung ernsthaft kritisieren oder anzweifeln, wenn sie nur 140 Zeichen lang ist?
Soziale Netzwerke und meine Absicht beim Schreiben sind fast so ein bisschen wie Öl und Wasser. Es kommt einfach nicht zusammen.. Und was bringt der Protest von einer Person, wenn alle anderen hinter dem „Anführer“ Facebook hinterher laufen?
Dennoch bin ich immer mehr am Überlegen, ob ich Facebook & Co nicht stärker in mein Wirken einbauen sollte. Denn wenn man an einer Sache nicht teilnimmt, dann kann man sie auch nicht verändern.

Generell mag ich nach wie vor die langen, fundierten und ausführlichen Artikeln von Leuten, die sich wirklich Gedanken machen und bei denen man auch merkt, dass sie eine Sache durchschauen und sich ihrer annehmen. Es müssen nicht unbedingt Experten sein, die reden. Die Texte müssen auch nicht zwangsläufig lang und ausschweifend sein. Aber ich finde es immer gut, wenn sich jemand von einer Sache berühren lässt. Denn über eine Sache nachzudenken und sie an sich heranlassen ist sehr wichtig. Gerade in der schnelllebigen Zeit, wo wir ständig mit neuen Input geflutet werden, brauchen wir diese Zeit des Innehaltens- und Nachdenkens. Es ist ein angenehmer Kontrapunkt, ein Gegengewicht vor der Macht des Mitgerissen-Werdens. Und wenn man sich emotional auf eine Sache einlässt, öffnet man sich und lässt Energie reinfließen. Wenn man von den momentanen Alltagsnachrichten nur geschockt und frustiert wird, ist das kein großes Wunder. Aber es ist keine gute Reaktion, das alles dauerhaft an sich abprallen zu lassen. Das ist dann nur eine Art Verdrängung. Die Welt ist sehr negativ und wird von vielen Krisen erschüttert. Aber gerade dann darf man nicht wegschauen. Die Welt und Gesellschaft wird ja vom einzelnen geprägt. Es gibt nicht „die Bürger“ oder „die Gesellschaft“ oder „den Wähler“. Es gibt nur mich und dich, diesen Nachbarn und jene Nachbarin. Von der Meinung und den Taten jedes Einzelnen hängt alles ab. Wenn wir alle nur einer Massenmeinung anhängen oder den großen Meinungsführern wie blinde Schafe folgen, KANN dabei nicht viel mehr herauskommen, als ein großes blökendes Volk, dass sich mal wieder von Hetzern und Egoisten verführen lässt.

Und am Ende wählen alle rechts-extreme Parteien und wir fragen uns wieder „Wie konnte das nur passieren??“.

Terror oder Amok

Ich wollte ja eigentlich was über diesen durchgeknallten Axt-Attentäter von Würzburg schreiben… aber dann kam München und der Typ mit der umgebauten Theater-Waffe dazwischen. Und gerade, als sich dieser Medienhype ein wenig gelegt hat und ich durchatmen wollte, las ich heute morgen „alles was wir über den Bombenanschlag von Ansbach wissen“.

Puh, das ist ein harte Woche, auch für erfahrene und Angst-befreite Blog-Autorinnen.

Was mir bei der Medien-Berichterstattung sehr stark auffällt: Alle beeilen sich, den Terror dieser Tage vom Amok abzutrennen.
In der Nachrichtensendung wird dieser Satz am Ende der Sendung sogar nochmal nachgereicht. Der Machetenmörder war nur krank, der Mord vermutlich eine Beziehungstat. Puh, und kein Terror in München, was für ein Glück! Nur ein 18-jähriger Spinner, der mit einer Waffe aus dem Darknet wahllos Ausländer und Jugendliche abknallt. Über den anscheinend alles bekannt gewesen ist: Er hat sich ein Buch über Amokläufe gekauft, er hat im Internet Counterstrike gespielt und dabei Nicknamen wie „Hass“ oder „Terror“ verwendet, er hat in Chats über Ausländer geschimpft, und er hat sogar als (vermutlich 17-jähriger) die weite Reise auf sich genommen und den Amoklauf-Tatort in Winnenden besucht und dort sogar Fotos gemacht. Dann hat er noch in aller Ruhe ein Manifest über seinen Amoklauf geschrieben und sich als Tatzeitpunkt den Jahrestag des Breivik-Attentats von Utøya ausgesucht (22. Juli). Nebenbei war er anscheinend so intelligent, dass er sich im Internet eine Waffe bestellen konnte und anscheinend auch so reich, denn so eine Waffe ist ja bestimmt nicht billig, dazu kamen noch 300 Schuss Munition. Mit dieser Waffe muss er auch mal geübt haben und wurde wahrscheinlich von niemanden wahrgenommen.

Und alle Freunde, Verwandten, Eltern und Familienmitglieder haben davon nichts mitbekommen und den Jungen weiter gewähren lassen?
Er war wegen eines „depressiven Formenkreises“ in Behandlung, aber kein Psychiater der Welt hat die Anzeichen erkannt oder den Jungen mit der instabilen Psyche irgendwie auffangen oder aufhalten können. Was nützt uns all die Polizei, die GSG9, die Feldjäger und die 2300 Beamten im Einsatz, wenn all diese zivilen Sicherheitsmechanismen versagen? Man wird den Terror niemals aufhalten können, wenn diese Attentäter nicht aus dem zivilen, bürgerlichen und familiären Umfeld erkannt und aufgehalten werden.

Und somit ist der Terror auch ein Versagen der Gesellschaft. Unrecht kann dort passieren, wo die Gesellschaft Unrecht zulässt und keine geeigneten Gegenmittel findet. Der Junge wurde laut Medienberichten gemobbt und ausgegrenzt. Wahrscheinlich war er auch von den Identitäten zerissen. Darauf deutet hin, dass er als „Deutsch-Iraner“ bezeichnet wird, wahrscheinlich in Deutschland geboren wurde, aber iranische Eltern hat. In diesem wackligen Handy-Video vom Balkon in Richtung Parkhaus hat er ja auch lautstark protestiert und betont „Ich bin Deutscher… aus einer Hartz IV-Gegend“.
Woraufhin der Baggerfahrer in Unterhemd Bierflaschen auf ihn geworfen haben soll und ihn als „Spinner“ bezeichnet hat, der in die Psychiatrie muss .. Dieses kleine Video ist ein schreckliches Zeugnisvideo von all dem Elend. Es ist komprimiert auf die wichtigsten Punkte. Da unten steht ein verzweifelter Jugendlicher, der seinen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hat. Während er mit der Pistole in der Hand hin- und herläuft, wird er von der Gesellschaft (= dem Mann auf dem Balkon) verspottet, beschimpft und angegriffen. Obwohl es so komplett offensichtlich ist, dass er seelisch aus dem Ruder läuft, findet sich niemand, der dieses Chaos aufhalten kann. Ein paar beruhigende Worte hätten vielleicht gereicht. Stellt neben den 2300 Polizisten und den Sondereinheiten gegen Terror bitte auch noch ein paar Polizeipsychologen in den Dienst. Und die sollen dann auch mit Blaulicht an den Tatort fahren.

Und die sprachliche Unterscheidung zwischen Terror und Amok? Streng genommen gibt es keinen Unterschied. Beide Straftaten dienen dem Zweck, die Bevölkerung zu verunsichern, Angst und Schrecken zu verbreiten und wahllos Opfer zu töten, die man irgendwie für „Feinde“ hält.

Beim Terroranschlag mag es noch ein paar politische oder pseudo-religiöse Motive geben- aber in der Verblendung und dem blinden Hass gegen alles Fremde und Abgelehnte gibt es kaum Unterschiede zum Amoklauf. Der Amokläufer will die Gesellschaft bestrafen, von der er sich gehasst und ausgeschlossen fühlt. Der Amoklauf ist der drastische Kontrapunkt zur Gleichgültigkeit und Ignoranz, die ansonsten vorherrschen. Man wird jahrelang ignoriert, gemobbt, ausgeschlossen. Menschen beachten sich auf der Straße kaum. Nur der Stärkste, coolste, hübscheste gewinnt den Kampf um die Aufmerksamkeit. Wer bei diesem Wettbewerb nicht mitmachen kann, landet schnell im Kanaldeckel der Ungeliebten. Bemerkenswert ist z.B. auch dass der Attentäter von München sich als junge Frau ausgibt, um die Leute in den MacDonalds zu locken. Hätte ihm seine männliche Identität nicht ausgereicht? Hat er schon geahnt, dass dann niemand kommen würde?

Aus diesem Untergrund der Verlierer-Randgesellschaft gibt es nur ein Entkommen: Den blinden Hass, den man die Leute zurück vor die Füße wirft. Plötzlich wird die Gesellschaft gewzungen, sich um einen zu kümmen. Nun müssen alle hinschauen! Nun müssen sie sich alle mit dem 18-jährigen beschäftigen. Nun wird er endlich geliebt. Doch es ist zu spät. Er richtet die Pistole gegen den Kopf und verschwindet aus dieser Welt. Was alles schief gelaufen ist, erfahren wir erst hinterher.

Der Terrorist ist in seiner Verzweiflung nicht viel anders. Auch er dichtet sich wahnhafte Motive zusammen, sieht überall Feinde und „Ungläubige“ die er bekämpfen muss. Menschen, die sich amüsieren, friedlich ein Feuerwerk anschauen oder dem Wochenend-Einkauf nachgehen, werden wahllos zu Feinden deklariert. Die Auswahl scheint hier völlig irrational und zufällig. So waren z.B. beim Nizza-Attentat auch viele Muslime unter den Opfern. Der LKW unterscheidet nicht nach Religion. Die Stoßstange wälzt jeden Menschenkörper unter die Räder. Die harten Felgen trennen alle Arme und Beine ab, ob der oder die jetzt regelmäßig in der Moschee war oder nicht. Die Leben werden allesamt beendet. Mit einem Miet-LKW gefahren aus den Händen eines Irren. Es sind nicht die LKW, die Macheten oder Äxte, die man verbieten muss. Es sind die fehlgelenkten Gedanken des Hasses, die den eigentlichen Feind ausmachen.

Die beste Antwort auf Hass in der Gesellschaft kann nur „Liebe“ sein. Auch wenn es abgedroschen und plakativ klingt, denke ich, dass die Formel recht einfach ist. Eine verrohte Gesellschaft, die sich um den anderen nicht kümmert und Schwächere ausgrenzt und mobbt, wird Hass und Gewalt ernten. Amokläufer und Terroristen sind immer Augeschlossene und „Nicht-Integrierte“. Daher muss das Wort „Integration“ ganz nach oben auf die politische Agenda.

Neu ist allerdings, dass wir mit den vielen neu-dazugezogenen und Geflohenen auch die Probleme anderer Länder und anderer Regionen zu unseren eigenen dazu bekommen. Wer anderen helfen möchte, muss damit rechnen, dass nicht nur problemlose, friedliche Menschen aus einer heilen Welt kommen. Wenn diese Menschen nicht massiver Gewalt, Armut, Ungerechtigkeit, Terror und Leid ausgesetzt wären, würden sie ja nicht fliehen. Wer also die Arme aufmacht und die Welt willkommen heißt, MUSS damit rechnen, dass auch die Probleme mitkommen. Es ist gefährlich und naiv, wenn man diese Realität nicht sieht. Diese Realität des Fremden kann auch sehr leicht von ausländerfeindlichen und extremistischen Parteien missbraucht werden, um negative Stimmungen zu erzeugen und Wähler zu gewinnen. Allein schon deshalb muss sich die Politik und die Gesellschaft all dieser Probleme endlich annehmen. „Wir schaffen das“ alleine reicht nicht.

Gut integriert

Der Axt-Attentäter von Würzburg galt laut einhelligen Bekundungen der Online-Medien als „gut integriert“.

Als gut integriert wird dann folgende Aufzählung gegeben: Er reiste vor ca. zwei Jahren als unbegleiteter minderjähriger Jugendlicher nach Deutschland ein. Dann kam er erstmal in ein Kolping-Heim und ist wohl auch zur Schule gegangen. Weil dann seine Leistungen so gut waren und der Erfolg sich zeigte, wurde er vor ca. drei Wochen in eine Pflegefamilie überwiesen. Er hatte die Aussicht auf eine Bäckerlehre. (Quelle)

Das muss also den Medien und Politikern reichen, um eine Aussage über „gute Integration“ zu stellen.

Aber ich finde, „gute Integration“ ist viel mehr, als nur die äußeren Faktoren. Über dieses viel verwendete Wort „Integration“ muss endlich einmal geredet werden. Es ist sehr abstrakt und man kann sich darunter nur wenig vorstellen. Der Wikipedia-Artikel gibt einen ersten Überblick.  Auch hier stehen die äußeren Werte wie Sprache, Bildung, Arbeitsmarkt ganz vorne.

Ich mache es mir etwas einfacher und versuche, ein anschauliches Bild für das Wort „Integration“ zu finden:

Mal angenommen ich habe ganz viele rote Kugeln in einer Reihe (Deutsche) und in meiner Hand noch drei Grüne (Einwanderer). Meine Aufgabe ist nun, die grünen Kugeln in die Reihe der roten einzusortieren, so dass sie in die Reihe passen und nicht so auffallen. Nach erfolgreicher Einsortierung in die Kugel-Gesellschaft hab ich jetzt eine rote Kugel, eine grüne, dann wieder eine rote, usw. Dann hab ich einen Haufen mit ganz vielen roten Kugeln und in meiner Box hinter mir warten noch ein paar grüne Kugeln auf Einsortierung.

Werden die grünen Kugeln jetzt zu roten? Nicht so ohne weiteres. Ich müsste also die grünen Kugeln irgendwie anmalen. Vielleicht geht das nicht, weil die Farbe nicht haftet. Oder ich hab nicht genug Farbe. Oder die grünen Kugeln wollen grün bleiben. Vielleicht wollen auch die roten Kugeln nicht, dass soviele grüne Kugeln neben ihnen stehen und stoßen diese magnetisch ab.

Vielleicht hab ich noch ein größeres Problem, und nicht nur die Farbe ist unterschiedlich, sondern auch die Größe. Die roten Kugeln haben alle einen Durchmesser von 3 cm, die grünen Kugeln aber von 4 cm. D.h. sie ragen aus meiner Reihe heraus, auch wenn ich sie noch angemalt habe.

Aber müssen alle Kugeln denn rot werden? Ein paar erklären sich freiwillig bereit, sich selbst grün anzumalen. Und ein paar andere Kugeln vermischen sich mit den neuen und heraus kommt eine Mischung aus rot-grün. Diese sind am unauffälligsten in der Reihe und am schwierigsten zu erkennen. Sie sind also „gut integriert“. Allerdings dauert das ein paar Jahre. Und nicht alle roten Kugeln wollen sich mit den grünen verbinden.

Eine andere Idee zur Integration ist, dass ich noch andersfarbige Kugeln nehme. Ich nehme weiße, blaue, gelbe, lila und schwarze Kugeln und vermische sie mit den roten und grünen Kugeln. Dann hab ich eine Sammlung mit verschiedenen Farben und das ganze nennen wir dann „Multikulti“. Ich habe also keinen Anspruch mehr auf „Homogenität“, sondern akzeptiere die Verschiedenartigkeit meiner Kugel-Sammlung. Wiederum klappt das bei einigen Kugeln, aber andere Kugeln protestieren lautstark und wollen nur neben Kugeln ihrer eigenen Farbe liegen. Denn rote Kugeln haben immer neben roten Kugeln gelebt. Das war schon immer so und wird immer so bleiben! Auch die grünen Kugeln wollen lieber unter sich bleiben. Sie kennen eben ihresgleichen.. dort fühlen sie sich wohl. Stadtviertel, in denen ehemals grüne neben roten gewohnt haben, fangen an sich zu separieren. Die grünen ziehen auf einen Haufen, die roten ziehen weg. Und warum? Nur weil sie eine andere Farbe haben? Aber es sind doch alles Kugeln!

Ist dieses Bild ein guter Vergleich zur tatsächlichen Integration? Ich denke, die menschliche Integration ist noch viel komplexer. Zu einem gewissen Maß kann sich der menschliche Geist an neue Kulturen, neue Umstände und neue Begebenheiten anpassen. Die Kugeln können wirklich die Farbe ihres gegenüber annehmen. Oder zumindest akzeptieren, dass es verschiedene Farben gibt. Und dass diese monotone Mischung einer Farbe auch nicht die beste Lösung ist… Die Frage ist, wieviel „Integration“ wollen wir von den neuen? Was genau muss sich anpassen, wo soll eine „Integrationsleistung“ passieren?

Wenn sich Ausländer an unsere Gesellschaft anpassen sollen, was erwarten wir dann? Ich zähle mal auf, so wie es mir einfällt:

  • sie sollen unsere Sprache, also Deutsch lernen und sprechen
  • auch zu Hause soll Deutsch gesprochen werden
  • sie sollen unsere „freiheitliche-demokratische“ Grundordnung akzeptieren
  • sie sollen das Grundgesetz kennen und akzeptieren
  • es gibt eine Trennung von Religion und Staat, dies ist zu akzeptieren
  • wir haben eine Demokratie
  • Frauen und Männer sind gleichberechtigt, keiner ist mehr oder weniger wert
  • religiöse Symbole, wie z.B. Kopftuch sollen möglichst vermieden werden
  • Männer sollen auch einer deutschen Frau die Hand geben
  • die Neuen sollen arbeiten und einen Beitrag zur Gesellschaft beitragen
  • ihre Kinder sollen mal unsere Rente zahlen (= Beitrag zur Gesellschaft)
  • sich nur im Sozialsystem einzurichten, wird abgelehnt
  • sie sollen die deutschen Gesetze kennen und akzeptieren
  • Gewalt und Kriminalität wird nicht akzeptiert
  • wer sich nicht an die Regeln hält, muss damit rechnen, wieder abgeschoben zu werden

Aber Integration ist noch viel mehr. Beim Attentäter von Würzburg waren ja viele dieser äußeren Faktoren gegeben… dennoch wurde er zum Attentäter.
Wenn man davon ausgeht, dass er sich „blitz-radikalisiert“ hat und kein Schläfer war, muss man die Frage stellen: Warum?

Integration in eine Gesellschaft heißt ja auch „ankommen in einer Gesellschaft“. Man muss dort akzeptiert werden. Sich glücklich fühlen. Sich frei entfalten können und orientieren können. Nach diesen Maßstäben sind auch viele Deutsche nicht gut integriert. Arme Menschen oder kranke Menschen stehen oft am Rande der Gesellschaft.

Um integriert zu sein, muss man die Gesellschaft mit jeder Zelle des eigenen Körpers akzeptieren, aber auch lieben. Und man muss von der Gesellschaft geliebt und akzeptiert werden. Sich irgendwie „deutsch“ fühlen und sich auch zu den deutschen Werten bekennen. Gerne deutsch sein. Und die ganze eigene Vergangenheit abkapseln oder vergessen. Wo sind dann die Grenzen zwischen Assimilation und Integration?

Das ist sehr viel verlangt und bestimmt nicht von jedem zu leisten. Vor allem kostet so ein Vorgang unheimlich viel Zeit. Und es müssen sich wirklich Menschen mit ihrem ganzen Herzen und ihrer ganzen Liebe darum kümmern, dass diese Integration gelingt. Integration ist kein Selbstläufer und kein Automatismus, der sich von selbst einstellt. Es ist etwas, dass von Menschen aktiv und mit Nachdruck und viel Arbeit geleistet werden muss.

Wenn ein Kind ohne Eltern nach Deutschland kommt, dazu noch aus einer völlig anderen Kultur, ohne Halt, außer den staatlichen Stellen, was wird von diesem Kind denn alles verlangt?

Wie kann man als Kind in einem Heim „Halt“ finden? In dem es keine Privatsphäre gibt? Wo die Regeln von anderen gemacht werden? Wo erstmal alle eine fremde Sprache sprechen und aus einem fremden Kulturkreis kommen? Der Junge war vor dem Anschlag gerade einmal drei Wochen in seiner Pflegefamilie. Vielleicht gab es schon die ersten Konflikte… von denen die Medien nichts wissen. Aber wie kann man sich in drei Wochen „integrieren“? Wird man diese Familie je als die eigene sehen können? Vielleicht hat er die eigene Familie vermisst? Die eigenen Freunde, die er zurück gelassen hat.

Und dann der Beruf.. er war weit weg davon, wirklich zu arbeiten, wirklich ein Teil der Gesellschaft zu sein. Er hatte kein eigenes Geld, keine eigene Wohnung, keine Freundin, kein Auto, keine Autonomie, keine Selbstständigkeit. Er war auf das Gedeih und Verderb seiner Ziel-Gesellschaft und die Liebe seiner Umgebung angewiesen.

Er hatte die „Aussicht auf eine Bäckerlehre“. Das klingt mir wiederum so staatlich gewollt. In Deutschland will ja keiner mehr Bäcker werden, also nehmen wir doch die Flüchtlinge dazu, sie sind willkommene „Lückenbüßer“.

Vielleicht hat er überhaupt keine Ahnung von deutschem Brot? Wie soll er es da mit Liebe und Leidenschaft backen?
Vielleicht wäre er lieber Schlosser oder Elektriker oder KFZ-Mechaniker geworden? Oder Bank-Kaufmann?

Was verlangt die Gesellschaft von 17-Jährigen Jugendlichen… und was wiederum verlangen wir von der Gesellschaft und den staatlichen Institutionen?

Die Fragen der Integration gehen uns alle etwas an. Und schon beim ersten Blick auf die komplexe Thematik wird klar, dass es nicht einfach wird.

Der kleine Riss, der langsam größer wird

Die Nachrichtenlage

Ich bin immer noch etwas erschüttert über die Nachrichtenlage der letzten Woche. Da ist einfach zuviel passiert. Und je mehr passiert, desto weniger hab ich das Gefühl, die richtigen Worte finden zu können.

Die Welt ist im Wandel, so scheint es mir. Phänomene wie die Überbevölkerung, Kampf um Ressourcen und der Klimawandel verdichten sich auch auf gesellschaftlicher, menschlicher Ebene zu immer neuen Tragödien. Die Welt ist kleiner geworden und mit den modernen Reisemitteln schrumpft alles enger zusammen. Die Konflikte werden dadurch deutlicher, sichtbarer und größer.

Sicherlich werden durch die Medien die Ereignisse verkürzt und komprimiert. Wenn man all das Gute weglässt und sich nur auf das Negative konzentriert, muss die Sicht zwangsläufig negativ werden. So ist mir heute das Bild der Nachrichtensprecherin in Erinnerung, die den Zuschauern einen schönen Abend wünscht und sich fast entschuldigt „über diese turbulente Nachrichtenwoche“. Aber doch, in ihren Augen ist kein echtes Bedauern, kein echtes Mitgefühl für den geplagten Zuschauer. Denn viele schlechte Nachrichten sind ja auch der Nährboden ihrer eigenen Arbeit.

Manchmal ist es dann hilfreich, sich zurückzulehnen, die Augen zu schließen und positive Ereignisse in die Erinnerung zu rufen. Sonst wird man von all den negativen Bildern vergiftet und runtergezogen.

Trotz alledem schwebt über der allgemeinen Nachrichtenlage dieses Gefühl, dass wir in einer besonderes Zeit leben, in einer Zeit der Umbrüche. Kleine Risse gehen auf und werden immer größer. Wir stehen mitten auf diesen Rissen und können die Lage nicht objektiv beurteilen.

Adé du schöne Zeit

Vielleicht werden wir in ein paar Jahrhunderten auf diese Phase zwischen 1945 und 2005 zurückblicken und sagen, „was für eine schöne Zeit das gewesen ist“. Neben den ständigen Konflikten, Kriegen und Umbrüchen die Europa stets erlebte, hatten wir ja einmal 60 Jahre eine außerordentliche Blütezeit. Kriege schienen überwunden, Hindernisse und Schranken zwischen den Völkern wurden überwunden, Deutschland wurde wiedervereint und am Ende war sogar die schlimmste Bedrohungslage überhaupt überwunden: Der kalte Krieg war vorbei und alle wurden vernünftig.

Jetzt aber, im Jahre 2016 scheint dieses fragile Gleichgewicht wieder zu kippen. Ein Mitauslöser war sicherlich die globale Finanzkrise, die speziell Europa sehr getroffen hat. Wirtschaftliches Ungleichgewicht und Bankenkrisen treffen die Menschen ganz besonders hart. In Griechenland wurde das sehr deutlich. Und die Opfer sind mal wieder die Falschen. Auch in Deutschland werden die Bürger getroffen, aber unsichtbarer und mehr über die Steuerbelastung und die niedrigen Zinsen.

Weil aber dennoch ein diffuses Gefühl der Angst und Skepsis gegenüber den Mächtigen vorherrscht, entstehen dann solche groteske Szenarien wie der Brexit. Menschen lassen sich aufhetzen und von den Medien manipulieren. Am Ende kracht der ganze Elfenbeinturm zusammen.

Und wenn Großbritannien erst der Anfang war? Was machen wir, wenn jetzt auch noch die Niederlande, Österreich, Polen oder andere Länder aus Europa austreten? Was machen wir mit einer Le Pen in Frankreich oder der AFD in Deutschland? Wenn solche Parteien stärker werden, bleibt uns nichts anderes übrig als der Zerfall.

Auch sicherheitspolitisch ist eine unsichere Türkei „an unseren Außengrenzen“ kein beruhigendes Gefühl. Oder ein Putin, der nach eigenem Ermessen getarnte Truppen über die Grenze schickt und einfach mal so ein Land besetzt.

Der Terror in den Köpfen

Zu allem Übel kommen jetzt noch die „Religionskriege“ und die Konflikte mit extremistischen IS-Kämpfern und die Terroranschläge.

Diese verwundern mich am allermeisten. Ich bin die ganze Zeit am Überlegen, welche Motivation Menschen haben, die so etwas tun? Ich versuche mich die ganze Zeit in sie hineinzuversetzen und eine rationale Begründung zu finden, aber ich finde keine. Wie kommt man auf die Idee, sich in einen LKW zu setzen und in eine Menschenmasse zu rasen, die gerade friedlich ein Feuerwerk angeschaut hat? Was muss im Gehirn alles schiefgegangen sein, dass so etwas passiert? Schlummern überall um uns herum Psychopathen? Oder reicht ein Psychopath auf eine Million, um eine Gesellschaft innerlich zerbrechen zu lassen?

Rational werden die Anschläge der letzten Zeit (Paris, Nizza, Brüssel, etc.) mit dem islamistischen Terrorismus begründet.
Man sagt, sie machen es aus Glaubensgründen, weil sie die Ungläubigen bestrafen oder vernichten wollen.
Allein hier krankt schon die Logik. Denn wenn sie gegen alle Ungläubigen wären, müssten sie auch konsequent alle vernichten. Da war Hitler mit seiner kranken „Säuberungsideologie“ ja schon weiter. Aber was bringt hier und da ein Terroranschlag, wenn man „gegen alle Ungläubigen“ ist?

Man sagt, sie wollen Angst und Hass verbreiten und die friedlichen westlichen Gesellschaften in einen Krieg ziehen und zu heftigen Gegenreaktionen zwingen. Das erscheint mir schon logischer, denn hier herrschen weltliche Motive vor. Wenn man eine Organisation ist, die gerade militärisch in die Enge getrieben wird, wird man mit aller Macht um Anerkennung und Einfluss kämpfen. Und wie so oft, sind die schrecklichsten und grausamsten Mittel die „effektivsten“, um den eigenen Untergang noch irgendwie abfangen zu können.

Lass uns Terrorist werden

Das wirklich Gefährliche ist aber der geistige Virus, der gesät wird. Man hat durch die vielen Terroranschläge schon fast das Gefühl, dass sie ein „Trend“ werden. Dass sie richtig chic werden. Und die Terroristen stehen sich ständig in den Medien! Werden mit Bildern und Namen gezeigt, man interessiert sich plötzlich für sie. Sie werden kleine Stars. Nicht, weil sie großes geleistet oder der Menschheit mit Frieden und Intelligenz gedient haben. Nein, sie werden Stars, weil sie andere Menschen auf bestialische Weise umbringen. Und das ist das Gefährliche. Hier kann so etwas wie eine „Ansteckung“ entstehen. Menschen werden dazu verleitet, ähnliches zu tun.

Der Attentäter von Nizza z.B. soll sich „blitz-radikalisiert“ haben. Der Vater berichtet sichtlich aufgelöst (und fassungslos) vor den Kameras, dass sein Junge überhaupt nicht religiös gewesen ist. Und dann, innerhalb von nur einer Woche ließ er sich einen Bart wachsen und alles in ihm explodierte?

Daran sieht man, dass die grauenvolle Idelogie einer Terror-Organisation wie dem IS ein Kanal sein kann. Ein Ventil für eigenes Versagen, für eigene unterdrückte Bedürfnisse, für eigenes Scheitern, für eigenen Sadismus und den latenten Bedürfnis, anderen Menschen zu schaden. Nicht die Religion ist der gemeinsame Feind der gesunden, freien Gesellschaft, sondern die menschliche Psyche mit all ihren Stolperstellen und inneren Trugbildern.

Lösungen?

Die Gewalt als einziger attraktiver Ausweg für junge Menschen, die dem Islam angehören, ist das Fatale. Hier muss die Gesellschaft ansetzen und Antworten finden. Der Islam und alle Ländern, die ihm angehören, muss insgesamt aus der Krise.
Er muss sich selbst reformieren. Er muss endlich mal kritische Fragen und Selbst-Reflexion zulassen. Die Rolle der Männer und die Gewaltherrschaft des Patriarchs muss hinterfragt werden. Auch von deutschen Feministinnen. Denn schließlich sind wir es ja „im Westen“ die sich frei, aufgeklärt und losgelöst von allen dunklen Seiten des Mittelalters wähnen.

Aber vielleicht müssen auch wir wieder etwas lernen. Über streng ausgeübte Religion, über klare, unveränderliche Familienstrukturen, über männliche Dominanz und die Verbindung von Religion und Staat.

Wenn Menschen, die aus repressiven und unfreien Ländern wie in Nordafrika kommen und auf eine freie, westliche, „weibliche“ Gesellschaft stoßen, müssen sie in ein Vakuum vordringen. Diese westliche Welt wird nach völlig anderen Maßstäben geregelt. Hier setzt sich nicht der stärkste und der lauteste durch. Auch die Männer zählen hier nicht soviel wie in vielen anderen islamischen Ländern. Sie können keine Frauen „besitzen“. Hier herrscht Gleichberechtigung und Diplomatie. Es ist nur klar, dass das viele überfordert.

Wenn man mit diesen Herausforderungen seelisch und pragmatisch nicht klarkommt, ist es viel leichter auf die alten, bewährten Lösungen des Hasses und der Gewalt zu setzen. Sie sind vielleicht nicht „anerkannt“, aber sie funktionieren.

Daher denke ich auch nicht, dass man den Terrorismus mit mehr Sicherheit, mehr Polizei oder anderen Mitteln begrenzen oder eindämmen kann. Der Terrorismus ist ein Spannungsfeld unterschiedlicher Gesellschaftsformen und unterschiedlicher (männlicher) Selbst-Definitionen und Selbst-Bilder. Dieses Spannungsfeld wird noch lange bestehen. Es kann nur abgebaut werden, wenn die Gesellschaften und Länder voneinander lernen, wenn sie sich gewissermaßen an die Eigenheiten der anderen anpassen und eine Dialogmöglichkeit finden. Wenn es Spannungen gibt, muss es auch einen „Druckausgleich“ geben.

Dass das „religiöse Spannungsfeld“ von einer wirtschaftlichen Ungleichheit (Armut) und einer Ungleichheit von inneren Entwicklungszuständen (Mangelnde Aufklärung, Demokratie-Defizite) mitgenährt wird, ist ebenso offensichtlich. Also muss die Politik hier mit geeigneten Mitteln der Entwicklungshilfe Lösungen finden.

Gelungene Integration im Rampenlicht

Man redet immer über den einen nicht-integrierten, über den einen Terroristen. Aber was ist mit den tausend eingewanderten Asylanten, bei denen die Integration super geklappt hat? Die erfolgreich zwei Kulturen leben? Die Freunde mit den Deutschen haben, unsere Sprache lernen und uns wiederum mit ihrer Kultur bereichern? Das sind Beispiele für gelungenes Nebeneinander und Miteinander. Man muss die guten Beispiele nähren, dann haben die negativen keinen Platz mehr.

Es ist auch eine Illusion zu glauben, wir könnten in die Weltordnung von 1950 zurück. Als jeder in seinem eigenen Land gelebt hat, die Grenzen zu waren und die „Moslems“ weit weg waren. Diese Zeit wird nicht mehr kommen. Wir profitieren von den Chancen der Globalisierung und der zusammengewachsenen Welt, jetzt müssen wir uns auch endlich den Risiken und Gefahren stellen. Die Welt des 21. Jahrhunderts kann sich keine Abschottung und keine geistigen Mauern mehr erlauben. Dazu ist es zu spät.

Einfach nur den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass der Kelch des Terrorismus an uns vorübergeht, wenn wir nur schön still halten, wird nicht reichen.