Weihnachtsmarkt – Bericht und Empfehlungen

Weihnachtsbaum im Levantehaus
Weihnachtsbaum im Levantehaus

„Die Deutschen lieben Weihnachtsmärkte“ habe ich letztens irgendwo gelesen.
So ging es mir dieses Jahr auch, es war irgendwie das Jahr der Weihnachtsmärkte. Gemütlich mit Freunden zusammenstehen und Glühwein trinken, kulinarische Genüsse an allen Enden, weihnachtliche Deko, schnell noch ein originelles Geschenk besorgen oder sich an allen Eindrücken erfreuen – wo kann man die Vorfreude auf Weihnachten besser zelebrieren, als auf einem Weihnachtsmarkt?

Für alle, die am letzten Adventswochenende vor Weihnachten noch auf einen Markt gehen wollen, hab ich hier eine kurze Zusammenfassung, Bewertung und Beschreibung der von mir besuchten Märkte. Wo es möglich ist, hänge ich auch eine URL oder ein Bild dran. Wenn ihr auch eine Empfehlung von einem Markt habt oder ein Bericht für das Blog schreiben wollt, freue ich mich über eure Anregungen, Links und Bilder!

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Einkaufen im Wind

Zurück in der Mühle des Alltags. Die Räder drehen von morgens bis abends. Der Verkehr in der Kleinstadt ist etwas gemütlicher als im Zentrum der „Metropolregion“ mit den zusammengefasst rund zwei Million Erdenbewohnern.

Die Parkplätze sind diesmal frei, allerdings nicht ganz ohne umherfliegende Blätter, Brocken und Teile. Eine lange Folie hat es den vorbeihetzenden Supermarktbesuchern besonders angetan und wickelt sich mit Vorliebe um eilige Knöchel. Beim ersten Mal muss man schon schmunzeln, beim zweiten Mal laut lachen. Ein kleiner Lichtblick im ansonsten recht milden und grau-hässlichen trüben Winter. Kein guter Tag für Fotos für einen Besucherprospekt. Die Schönheit der Region gibt es zu anderen Jahreszeiten viel besser. Einzig der Sonnenuntergang am Abend mit dem blass-roten Strahlen hinter bewegten Wolken kann ein wenig milde stimmen.

Mit den Texten kann man versuchen, die schönen und besonderen Seiten ein wenig zu betonen, so wie die Augenränder mit Kajal. Frei wie eine Skizze und dabei verfremdet durch den Blick des Malers. Jedes Kunstwerk trägt auch ein Stück Selbstoffenbarung in sich.

Die Verkäuferin der Getränkeabteilung hat es eilig und wirft meine mühsam vorsortierten Flaschen durcheinander und in der Hektik gleich ganz auf den Boden. „In die Kästen einsortieren“ schnarrt sie mich fast im Befehlston an. Dabei hat sie die Flaschen doch fallengelassen! Ich schätze ihr Alter auf Anfang 20, also fast zwei Jahrzente jünger als mich ein…. in aller Seelenruhe stelle ich das Leergut irgendwo hin und sortiere ein bisschen. Reicht ja schon, wenn man soviel Geld im Konsumtempel lässt, jetzt muss man sich auch noch anschnarren lassen. Aber das ist bestimmt nicht persönlich gemeint. Ich hab heute in der Früh zum Glück gelernt, dass jede Nachricht verschiedene Anteile enthält: Eine Sachinformation, einen Appell, eine Beziehungsebene und die Selbstoffenbarung. Ich sollte mir mehr Mühe geben, nur die Sachinformation zu hören. Die Flaschen sollen schön sauber in die Kästen einsortiert werden. Den Appell.. kann man überhören, über die Beziehungsebene mag ich gar nicht erst nachdenken… und die Selbstoffenbarung? „Sch.. Job“ bleibt da vielleicht noch hängen und „schon wieder so eine blonde Kundin, die von nichts eine Ahnung hat und mir alles durcheinander macht, da beuge ich besser vor!“.

Aufsehen erregt auch der LKW, der rückwärts und recht umständlich auf den viel zu kleinen Weg des Burger-Restaurants hineinbugsiert. Mit dem PKW hat man schon Probleme, vor allem weil die Bordsteine so hoch und steil gebaut sind. Alle Achtung, dass der das mit dem LKW auch noch rückwärts schafft! Hinaus kommt ein junger Mann mit Knopf im Ohr, wahrscheinlich der Chef, der ihn andauernd zusammenstaucht und/ oder neue Befehle gibt. In aller Eile werden Paletten auf die Laderampe gekarrt, die angesichts der heftigen Windböen so dicht an der Kante eifrig schaukeln- aber sicher halten, der Fahrer hat Erfahrung, das sieht man gleich. Leider ist er ganz allein. Stress im Job, Personalmangel, Kosten sparen- die Rentenkassen müssen ja irgendwie gefüllt werden. Bald ist die Zufahrt wieder frei und wenn ich nicht diesen Text geschrieben hätte, hätte ich ihn schon längst wieder vergessen.

Etwas müde geht es zur letzten Station, dem Supermarkt. Die Gänge sind voll, der Laden ungeplant und die neuraligschen Punkte setzen sich zu wie die Arterien eines Fettleibigen bei zuviel Cholersterin. Zu allem Übel wurde der Markt vor kurzem großflächig umgebaut und ich finde überhaupts nicht mehr. Keine Lust ständig die Kilometer umsonst zu rennen und dabei Kram zu kaufen, den ich nicht wirklich brauche. Schnell raus hier. Mein Kampf-Fluchtsystem scheint noch einwandfrei zu funktionieren. Nur das nötigste wird gekauft. Vorräte aufstocken, nichts weltbewegendes, noch kein Festessen ist dabei, obwohl ich angesichts der vielen Ware schon wieder eifrig Ideen im Kopf produziere…

Das Highlight an diesem Tag war… das Gespräch am Abend. Mit Videofunktion. Wie schön praktisch die neue Welt ist. Fehlerfrei und ruckelfrei und nur ein kleines Echo… leider sieht man auch die Müdigkeit mehr, die sich immer mehr anschleicht, die Worte vertauscht, die Lider beschwert und schließlich voll und ganz Besitz ergreift…

Der Weihnachts-Organismus

oder: Ein Tag in der Stadt

Passender Song

Kolonnen aus Blech rollen auf die Innenstadt zu. Am rechten Rand ein parkender Paketbote (von 2.000), der nach Erde und Dreck stinkende LKW schwenkt locker nach links und geht auf Tuchfühlung mit den Insassen hinter ihren Fenstern. Auch ihm wäre eine Paketzustellungs-Drohne vielleicht eine Entlastung gewesen. Ich frage mich, ob der Luftraum in nicht allzu ferner Zukunft mit kleinen Flugzeugen und Hubschraubern, so wie in den besten Science Fiction Filmen vollgestopft sein wird? Während ich das noch denke, reißt die Hektik den Blick wieder zurück auf die Straße und 4.000 Entscheidungen pro Sekunde sind zu tätigen.
Stossstange an Stossstange geht es eng gekuschelt vorwärts, aber dennoch erstaunlich schnell. Nur etwas für Menschen mit starken Nerven. Nicht gut für BeifahrerInnen und zittrige NervenbündelInnen. Im Parkhaus sind noch 17 Plätze frei. Im Parkhaus angekommen, die nächste Frage: wo sind diese freien Plätze? Und warum – in aller Not- werden diese Kurven und Parkbuchten immer so verdammt klein gebaut? Ich bin für eine Mietpreisbremse für Parkhäuser, dann würde der kostbare Platz -direkt am Nabel des Konsum- demnächst vielleicht großzügiger verschwendet.

Auto an Auto, Mensch an Mensch, aber doch, der einzelne erstaunlich oft mit Freundlichkeit gesegnet. Engheit bedingt Freundlichkeit. Soziales entsteht aus dem Kontakt. Respekt folgt der Aggression. Oben auf dem Weihnachtsmarkt angekommen, sticht als erstes der feine Geruch nach lebendigen Ponys in die Nase, die in Reih und Glied hintereinander stehen, etwas traurig in die Augen der Passanten blicken und noch auf Kinderlachen und -Beine warten. Eine Folge der niedrigen Geburtenrate? will ich noch denken, als schon die nächsten Eindrücke auf die Sinne stürmen: Läden voller Deko-Artikel kann mein Gehirn mittlerweile schon ganz gut einordnen, mit fachfraulichen Blick schätze ich Qualität, Ausstattung und VerkäuferInnen-Freundlichkeit inklusive Smalltalk-Faktor ein. Nur lieber nicht zuviel Smalltalk, das kann auch ermüdend werden, vor allem wenn man nicht mehr die Stornotaste findet. Das gedankliche Ergebnis der Stichprobe kann überzeugen, dennoch wird dieser Weihnachtsmarkt erstmal links liegen gelassen, um sich dem eigentlichen Plateau des Einkaufsrausches, langsam aber unaufhaltsam zu nähern.

Duftwelten folgen auf Kaffeewelten, Kleiderwelten folgen auf Straßenbahnen und Trubel und Autos und Essen und Düfte und Geld und Backwaren und Straßenschilder und Zettel und Quittungen und Tüten und Lachen und Freundlichkeit und Hektik und Stress und Höflichkeit und Drängelei.

Abends ist man dann, wen wundert´s, erstaunlich müde.

Pünktlich zum Sonnenuntergang schnauben die Pferde noch ein letztes Mal, bevor sie die feinen Herrschaften vor der Villa absetzen, währendessen drinnen das Dienstmädchen schon den Kaffee aufgesetzt hat und die Sofakissen für den Abend aufgeschüttelt hat.

Dachte ich noch in meiner Phantasie, als ich aufwachte und die Realität auch ganz beschaulich fand.

Zeit für Schönheit

Zeit für Schönheit. Jenseits des Pragmatischen, jenseits der Hektik, jenseits der Logik und des Verstandes. Schönheit ist einfach.

„Die Schönheit“ lebt eigentlich jenseits von Bewertungen und wird doch täglich neu bewertet. Schönheit ist ein Ideal, nach dem es sich zu streben lohnt. Für Frauen ist Schönheit ein zentraler Punkt und eine wichtige Frage.

Es gibt den Spruch „Wahre Schönheit kommt von innen“… aber auch „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“.

Ist die Schönheit also ein absoluter Wert, der sich nicht herstellen, erreichen oder gar erkaufen ließe?
In der heutigen Zeit verkommt die Schönheit oft zur Ware. Dann wird versucht sie zu konservieren, sie einzufangen oder zu bewahren. Es gibt schöne Kleider, schöne Möbel, schöne, ästhetische Autos. Es gibt den Duft der Schönheit, das Gefühl von Schönheit und die sinnlichen Genüsse der Schönheit in der Form von gutem Essen.

Leider ist es mit der Schönheit oft so wie mit einer frisch gepflückten Blume von der Wiese: Auf der Wiese ist sie frei und unbeschwert, inmitten ihrer Freundinnen und Freunde, an der frischen Luft, in ihrem natürlichen Umfeld, frisch und gesund, versorgt von den nötigen Nährstoffen und jeder Menge Wasser.

Reißt man die Blume nun ab und will sich ihrer habhaft werden, verfällt ihre Schönheit. Sie beginnt zu welken, weil sie zwar Wasser bekommt, aber kein frisches. Die Nährstoffe sind verschwunden und selbst wenn man ein chemisches Rezept finden würde, um die Nährstoffe zu ersetzen, würde es doch nicht ganz so wie in der „reinen Natur“ sein und die Blume verwelkte doch.

Ihre Schönheit wird freigestellt, auf eine steinerne Vitrine, oder auf einen Tisch aus totem Holz gestellt. Die Schönheit ist kostbar und vergänglich…

Bis sie eines Tages von einer neuen jungen Blume ersetzt wird…

Zwei Elemente ringen miteinander: Das Haben und Bewahren auf der einen Seite und das lebendige, sich wandelnde Prinzip auf der anderen Seite.

Wer also wirklich schön sein will, muss lebendig sein. Muss viel erleben, viel wissen und von einem inneren Reichtum profitieren können. Wenn jemand äußerlich schön ist, aber nicht viel weiß oder gar dumm ist, erkennt man die Schönheit schnell als Maske und als oberflächlich.

Wenn es so was wie einen Idealzustand gäbe, wäre dies wohl die Verbindung von äußerer und innerer Schönheit.

Aber auch die Frage nach Idealen oder ästhetischen Grundsätzen ist schon wieder der Versuch des Menschen, mit dem Geist ein Muster in der Natur zu suchen… auch der Geist muss wandelbar bleiben und wird hässlich und abstoßend, wenn er eingefroren ist.

Samstag, 30. November 2013

Die Sonne scheint, das Wetter ist gut.

Zeiten der Veränderungen. Die Zeit wird gestaucht, weil die Ereignisse rapide zunehmen. Alles geht schneller und doch kommt es vor, als ob man in Zeitlupe rennt. Die Schemen des Alltags fliegen vorbei, um dann wieder in quälender Langsamkeit und Intensität zwei ganze Leben mitzuerleben. Dabei vor dem eigenen Spiegel stehen und das dritte und vierte mit erleiden.

Lockere Leichtigkeit gepaart mit Schwermut, Sorgen und Ängsten. Lockeres Zusammensein und kulinarische Genüsse treffen auf tief greifende Lebensentscheidungen. Toleranz und Offenheit treffen auf Sturheit und Konservatismus. Nie ist etwas „einfach nur so“… immer gibt es verschiedene Seiten an einer Sache.

Es zu verarbeiten ist nicht einfach, weil es so schnell geht. Der Körper wünscht sich eigentlich mehr Ruhe, so wie er es gewöhnt ist… aber dann merkt der Kopf, dass es ja auch so geht und im Grunde nur eine Sache der Einstellung ist.

Sich anpassen ist die Devise. Die Dinge so begreifen wie sie sind.

Man muss lernen, den Augenblick zu begreifen und auch zu genießen. Das Leben fließt schon schnell genug. Die schlimmen Dingen passieren von ganz automatisch und pünktlich, man muss noch nicht einmal den Wecker für sie stellen.

…………………………
Zum aktuellen Lebensgefühl passt das Album „racine carée“ von stromae.

Z.B. der Song ave cesaria / Alternativer Link

mit Übersetzung

Der gesunde Mittelweg

Alle Jahre wieder, auch diesmal, ist Weihnachten. Man merkt es zuerst im August, wenn die ersten Paletten mit Lebkuchen, Christstollen, Schoko-Weihnachtsfrauen und Advents-Deko in die Läden gerollt werden. Dann stellt sich schon so langsam das erste weihnachtliche Gefühl ein. Man fragt sich dann auch, wie es so einer Weihnachtsfrau wohl geht, wenn man sie bei 26 Grad im Schatten langsam und genüsslich aus der Folie rollt, ihr klebriges Etwas in den Fingern hin und her reibt und dann langsam von Kopf bis Fuss auf Tuchfühlung geht?

Oder ein Lebkuchen zum Grillfest, das wäre auch mal eine Idee! Das gäbe eine ganz neue Kombination! Ingwer mit Bratwurst, Zimsterne mit Grillspieß, warum eigentlich nicht? Grillpartys im Winter gibt es ja bereits, alles weitere wäre nur ein kleiner Schritt. Das ließe sich auch von der Weltanschauung gut kombinieren: Hier die nordischen Atheisten und Thor-Kultsanhänger mit purem Fleisch als Lebensgrundlage und dort ein wenig christliches Weihnachtsaroma, aber bitte nicht zuviel. Eventuelle Zweifel an der eigenen Religions-Identität lassen sich gut mit hochprozentigem runtergurgeln.

Wer dann im September immer noch keine Weihnachtsgeschenke hat, braucht nur den Fernseher anzumachen. Von überall werden wir leise erinnert, dass da ja Ende des Jahres noch der Super-Gau des Geldausgebens auf uns wartet. Aber nur für die, die Geld haben, am Rande bemerkt. Alle anderen können noch die Heizöl-Lieferung vom letzten Jahr abstottern, den Weihnachtsbaum verheizen und die Stromrechnungen der letzten drei Jahre als Einwickelpapier verwenden. Und wenn es dann immer noch nicht reicht, kann man sich verschulden, so wie von den Banken erwünscht. Geld ist nur etwas wert, wenn der eine nichts davon hat.

Spätestens unerträglich wird es im November, wenn jeder Werbesport im TV oder im Radio irgendwie das Thema Weihnachten berührt. Spätestens jetzt ist die Kommerzialisierung endgültig durchdrungen und die letzten Reste des christlichen Ursprungs weggefegt.

Wer möchte, kann sich noch in Diskussionen vertiefen, ob man nun schenken soll oder nicht oder ob dekoriert werden soll oder nicht. Wer sowieso schon nicht „in Weihnachtstimmung“ war, kann sie sich von puristischen Weihnachts-Atheisten und Klein-Aufrechnern endgültig vermiesen lassen (die letzten Geschenke waren so und soviel wert und diesmal schenken wir gar nichts, du musst aber schenken, weil ich sonst beleidigt bin).

Was ist da die beste Option? Einfach weglassen, einfach wegfahren, in ein Land fahren, in dem nicht Weihnachten gefeiert wird. Einfach mal den 24.12. verschlafen, das wäre eine Option.

Oder das genau Gegenteil, den Trubel voll und ganz mitmachen und noch eins obendraufsetzen. Statt 12.000 Weihnachtsbirnchen des Nachbars und den 2,5 Tonnen Kunstschnee (Klimawandel), nehmen wir halt gleich die Großpackung vom Großhändler (50.000 Birnen und 10.000 gratis) und die Familienpackung Kunstschnee mit Deko-Weiß als Sprühdose (Kosten 6.000 Euro).

Ein gesunder Mittelweg scheint auch in diesem Jahr- unmöglich.

Distanz

Passender Song

Manch Distanz ist mit Worten nicht zu überbrücken.

Manche Menschen wohnen sehr nah beisammen und sind sich innerlich doch fern.
Andere wiederum wohnen tausende von Kilometern auseinander und können einfach nicht voneinander lassen.

Manch einer wirft alles in die Waagschale was er hat
-auch wenn es nicht viel ist-
Alles auf Rot ist die Devise
und am Ende fällt die Kugel doch auf schwarz.

Der Spion und das Schulterzucken

Ich finde, dass es wirklich ein leichtes ist, die aktuelle „Krise der Blogs“ mit den Skandalen der NSA-Affäre und anderen Spionage-Vorfällen in Verbindung zu bringen:

Eine aktuelle Sphäre des Misstrauens macht sich durch die bekannt gewordenen „Skandale“ breit. Die Botschaft ist klar: Wir können alles und jeden überwachen, vor nichts wird halt gemacht. Werden die Verschlüsselungen besser, setzen wir halt Experten ein und gründen eine „Hackerparty“ und gewinnen die besten Köpfe. Es geht mal wieder ums Aufrüsten. Wer hat die besten Experten? Wer entwickelt die sichersten Algorithmen? Wer hat den wenigsten Skrupel?

Der andere Spieler auf der Gegenseite hat nur wenig Macht und ist eine Gruppe, die man nur schwer definieren kann, die auch nicht besonders „organisiert“ ist oder auf große Geldmengen zurückgreifen kann : Die bürgerliche Zivilgesellschaft. Jeder einzelne, ob bei Facebook oder Twitter aktiv, ob mit einem Blog oder beim Hochladen von privaten Fotos in Daten-Austauschdiensten, ob beim Online-Banking oder Klamotten-Kauf über den Online-Shop: Nichts ist potenziell sicher, wenn es in digitaler Form aufbereitet werden kann. Immer muss damit gerechnet werden, dass die eigene Aktion überwacht oder mitgeschnitten wird.

Daraus entsteht eine gefährliche Entwicklung: Durch die zunehmende Technisierung und Computerisierung aller Abläufe im wirtschaftlichen und zivilen Bereich wird der Notwendigigkeit für Computer Haus und Tor geöffnet: Wir wollen und können nicht mehr ohne Rechner leben. Waren sie vor rund 20 Jahren noch ein Relikt für den absoluten Nerd, mit dicker Brille, im einsamen Keller sitzend und bei schlechter Luft und noch schlechterer Ernährung sich Code-Zeile um Zeile ausdenken und kryptische Buchstaben und Kombinationen in einen „Brotkasten“ eintippend… sind die Computer und ihre schicksten Neuentwicklungen, das salonfähige Smartphone oder das praktische Tablet.. kaum noch aus dem Alltag wegzudenken. Computer sind einfacher geworden, zugänglicher. Sie stehen der breiten Masse zur Verfügung und taugen schon seit längerer Zeit zum reinen Konsumprodukt: Digitale Daten werden eingesogen und eine kleine Spur der digitalen Rückverfolgbarkeit bleibt kleben.

Jeder Klick, jedes Kaufverhalten, jede Email kann theoretisch ausgewertet werden. Alles und alle sind gläsern geworden.

Wo Daten erstmal da sind, wachsen auch die Begehrlichkeiten, auf sie zugreifen zu wollen. Das hat man in der jüngsten Debatte um die Maut-Daten mal wieder gesehen. Erst in letzter Instanz wurde zurückgerudert, aber ach- es wäre ja zu schön gewesen, wenn man darin auch noch rumschnüffeln könnte… und wegen einem einzigen (!) Verrückten, der mit einem Gewehr in seinem LKW herumgefahren ist und den man nur deshalb finden konnte, weil man das alte verhasste Instrument der Rasterfahndung aus der Mottenkiste geholt hat… möchte man nun alle (!) Bürger in potentielle Sicherheitsverwahrung nehmen und grundsätzlich alles überwachen. Die Unschuldsvermutung wird ausgehebelt und in ihr Gegenteil verkehrt: Erstmal alle verdächtig nennen und dann durch gründliches Aussieben die verbleibenen Terroristen-Spreu finden. Ach und wenn alle hängen bleiben ist es eigentlich auch nicht so schlimm.

Die „Gegenseite“ hat nur wenig Mittel, um sich zu wehren. Die Zivilgesellschaft wird moralisch unterdrückt und eingeschüchtert. Angst und Misstrauen macht sich breit. Wenn ich mich im Internet nicht mehr frei äußern kann, weil ich immer damit rechnen muss, dass es „irgendjemand hört oder mitschneidet“, werde ich auch automatisch meine eigenen Aussagen zensieren oder einschränken. Darin liegt eigentlich die größte Gefahr für die Gesellschaft und auch für die Demokratie: Dass sich die Menschen nicht mehr frei fühlen, dass sie sich nicht mehr voll entfalten können.

Zuviele Regelungen und Überwachungen würgen die Initiative eines Landes ab. Alles wird kompliziert, unberechenbar.. wenn alle Menschen grundsätzlich verdächtig sind, liegt auch der Verdacht nahe, in meinem eigenen Umfeld plötzlich „misstrauisch“ zu werden.
Der wirtschaftlich- finanziellen Krise folgt eine ethisch-moralische Krise.

Die Freiheit wird bedroht. Und mit ihr auch die produktiven Stimmen, die Möglichkeiten zur Veränderung, die kritische Auseinandersetzung. Wenn alles nur in Hinterzimmern geschieht, aber auf der großen politischen Bühne nur noch Scheingefechte gefochten werden und Marionetten ihre auswändig gelernten Floskeln runterleiern, kann sich eine Demokratie nicht mehr entfalten. Macht-Interessen überlagern das Wohl der Gesamtheit. Einige wenige nutzen die Strukturen aus, um sich zu bereichern oder ihre eigene Klientel zu schützen und zu fördern.

Weiche Themen wie „Freiheit“, „Allgemeinwohl“ kann man leicht übergehen oder ignorieren, wenn dagegen so „harte Interessen“ wie Vermehrung der eigenen Macht oder Vermehrung des eigenen Geldes stehen.

Das schlechteste was der Bürger im Moment machen kann, ist sich von der Angst anstecken zu lassen und sich nicht mehr zu trauen, alles offen zu äußern.

Die Lösung der allgemeinen “Überwachungskrise“ könnte also auch im moralisch-ehtischen Bereich liegen:

Dem Misstrauen müssen Werte entgegen gesetzt werden, die sich jeder Kamera und jedem Computer widersetzen: Offenheit und Toleranz, Mut zur eigenen Meinung und zur Freiheit. Die Dinge, die einen bewegen, offenherzig mitteilen.. sich nicht einschüchtern lassen, sondern gerade das Gegenteil zu demonstrieren. Auch wenn man angegriffen oder angefeindet wird.

Mit der Offenheit und der eigenen Toleranz gegenüber den anderen nimmt man dem allgemeinen Misstrauen automatisch den Wind aus den Segeln. Wenn ich dem anderen vertraue und mich öffne, wird er immer weniger Gründe haben, mir zu misstrauen.

Dann macht sich am Ende der lächerlich, der noch an der Tür steht und lauscht und das Mikrofon in der Hand hält… er wird sich eines Tages dafür schämen, dass er überhaupt einen Verdacht erhoben hat, wo alle Menschen so friedlich sind und nichts zu verbergen haben. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich die Deutschen derzeit von der NSA nicht bedroht fühlen. Es betrifft sie einfach nicht.

Sie zucken mit den Schultern und gehen zum Tagesablauf über.

Bundestagswahl 2013 – Parteien und Programme

Eigentlich wollte ich in den letzten Tagen schon über die Bundestagswahl schreiben, bin aber immer noch so enttäuscht von Politikern, Aussagen und dem ganzen Wahlkampf, dass ich keine richtige Motivation gefunden habe.

Also folgt jetzt eine knappe Zusammenfassung, möglichst originalgetreu „nach Vorlage“, auf möglichst wenig Substanz zusammengestrichen: Es war langweilig.

CDU
Mit Angela Merkel und der Union hat mal wieder die „glatteste Partei“ gewonnen, die nach vorn heraus für die wenigsten Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten für den Einzelnen steht. Zu Recht sagt man ja „Mutti Merkel“ oder der „Kanzlerinnen-Staat“. Die wirklichen Herausforderungen für die Bürger, z.B. die kalte Enteignung über Niedrigst-Zinsen und der langsame Abfluss des Kapitals vom kleinen Bürger zum immer größer und mächtiger werdenden Bankensystem und Großkonzernen lässt sich (noch) ganz gut kaschieren.

Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis uns die Rechnung für den großen „Euro-Crash“ und das Fehlverhalten anderer Länder und Finanz-Jongleure präsentiert wird.

Die ganze Ungerechtigkeit im Euro-Raum ist für mich daher auch das wichtigste und zentralste Wahlkampf-Thema gewesen und es mag ein Grund sein, warum Merkel versucht hat, sich diesem unangenehmen Diskurs weitesgehend fernzuhalten.

Anscheinend erkennen die wenigsten Menschen diese Zusammenhänge und es werden bei der Union nur die vordergründigen Erfolge gesehen: Viele Arbeitsplätze, beinahe „Vollbeschäftigung“, gutes Abschneiden Deutschlands in der Krise, Überschüsse im Staatshaushalt und bei den Steuern. Deutschland hat sich ein Polster geschaffen, mit dem es noch schafft, besser dazustehen, als andere Euro-Länder: Die tendenzielle Lohn-Zurückhaltung und die starke Export-Orientierung. Beides benötigt den Euro. Nur ein starker Euro schafft es, dass deutsche Firmen auf den internationalen Märkten konkurrieren können. Die Lohnzurückhaltungen und die „Anreize“, die man mit einem radikalen Zurückbau des Sozialstaats erkauft hat, verdankt die Union eigentlich noch der SPD und deren Agenda 2010.

Würde man den Euro schwächen oder „aufteilen“, so wie es die eurokritische Partei AfD fordert, würde das dazu führen, dass in der Binnenmarkt wieder angekurbelt werden müsste und Deutschland sich mehr bemühen müsste, die eigenen Produkte ins europäische Nachbarland zu exportieren. Die vielbeschworene Europa-Freundlichkeit und die geheuchelten Lippenbekenntnisse zum Euro können also hinter vorgehaltener Hand dazu dienen, den eigenen Machtanspruch zu verstärken und zu untermauern. Es wird auch weiterhin keine Lohnerhöhungen in der Breite, keine Steuerentlastungen und keinen Mindestlohn geben. Dennoch gibt man sich aber den Anstrich „christlich“.
Das liberal ist ja nun weggefallen.

FDP
Die FDP lernt einfach nicht aus ihren Fehlern. Sie hat zu lange an altem Personal festgehalten und sich weder inhaltlich, noch personell erneuert. Sie hat (neben der CSU) den niedrigsten Frauenanteil aller Parteien und schafft es folglich nicht mehr, die „Mitte“ anzusprechen. Das Anbiedern über die Zweitstimme war nur noch die letzte Fehlentscheidung in einer Reihe anderer und der letzte Versuch, die Kuh noch irgendwie vom Eis zu holen.

Sie konnte ihren eigenen Markenkern, das „liberale“ und das „freiheitliche“, sowie die „Bürgerrechte“ nicht genügend ausbauen. Zur NSA-Spähaffäre war sie viel zu still und zurückhaltend. Den liberalen Außenminister, sonst immer eine Stärke der Partei, hat man schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen oder gehört.

Die FDP wirkt nach außen immer noch wie eine Lobby-Partei für einige wenige, wurde außerdem von anderen Partnern als Sündenbock missbraucht und bei inhaltlichen Verhandlungen übergangen oder ausgespielt (z.B. bei den Steuersenkungen). Im Grunde wollte die Union keine Steuersenkungen, aber die FDP hat den Image-Schaden abbekommen, weil sie sich nicht durchsetzen konnte.

Das Abschaffen der Praxisgebühr war eine große Leistung, wurde aber vom Wähler nicht ausreichend erkannt, noch gewürdigt. Es hat gezeigt, dass das Stärken der Liberalität auch Geringverdiener und „kleinen Leuten“ helfen kann und es war eindeutig besser, als sich nur um reiche Hoteliers und andere Lobbyisten zu kümmern.

Der liberale Ansatz wird auf der politischen Bühne eindeutig fehlen. So sehr man über diese kleine gelbe Partei noch spotten mag (und egal, wieviel davon berechtigt ist): Das Wegfallen der FDP unter die 5-Prozent Hürde ist ein Verlust für die Demokratie und deren Vielseitigkeit.

Mein Tipp für die FDP: Sich wieder mehr auf die eigenen Inhalte konzentrieren, Personal austauschen und wieder mehr Mut zur politischen Diskussion und zum „anderssein“ aufbringen.

CSU
Neben Angela Merkel wird es für Partner sehr schnell sehr einsam und traurig. Als nächstes werden Grabenkämpfe mit der CSU über strittige Themen, z.B. die PKW-Maut folgen. Stammtisch- Politiker wie Seehofer werden bis zum Erbittersten kämpfen und sich nicht kleinkriegen lassen.

Das Betreuungsgeld wurde ja schon mit einigem Zähneknirschen abgesegnet und stellt einen Kratzer auf dem ansonsten so makellosen Lächeln der Raute-Kanzlerin dar.

Neben der FDP wird als nächstes die CSU zerrieben oder ihrerseits der CDU Schaden zufügen, wenn man sich nicht auf intelligente Verhandlungen und sehr geschickte Kompromisse einlassen wird (andere nennen das auch „Kuhhandel“).

SPD
Zu schwach und immer noch am Markenkern vorbei. Arbeiter oder Anstellte wählen nicht mehr die SPD, sondern eher die CDU, was eigentlich total grotesk ist und spätestens jetzt wachrütteln sollte!

Steinbrück war der falsche Mann. Fundiertes Sachwissen, trockene Vorträge und nordische Nüchternheit sind in einem medien-orientierten und personen-orientierten Wahlkampf fehl am Platz.

Steinbrück stand einfach für zu wenig. Eher noch für den Mittelfinger. Ein bisschen für den Mindestlohn. Und sonst?

Für seine Art, anecken zu wollen und die Reibung zu suchen? Leider ist an Merkel nichts, woran Reibung entstehen könnte, es perlt einfach alles ab. Sehr gut hat man das im „großen Zweikampf“ (TV-Duell) gesehen, der langweiliger nicht hätte sein können.

Die künstliche Abgrenzung gegen die Links-Partei ist kindisch und sollte schnellsmöglichst überdacht werden. Die Protestlinie sollte nach rechts, nicht nach links zielen! Wenn die linken Parteien (also Grüne, SPD und Linke) sich nicht soviel streiten würden und auf eine gemeinsame Linie einigen könnten, könnten sie jetzt die Regierung stellen. (Hätte, hätte, Fahrradkette) So wird das wieder nichts.

Mein Tipp für die SPD: Den linken Flügel wieder stärken, sich für die Links-Partei öffnen. Neue Themen besetzen und sich von Merkel nicht alles wegschnappen lassen. Den sozialen Markenkern stärken. Agenda 2010 als Fehler begreifen und eine neue Richtung aufbauen. Neue Personen sind erforderlich, Steinbrück austauschen.

Die Grünen
Standen diesmal für Kindesmissbrauch, Veggieday-Bevormundung und Steuererhöhung. Sind außerdem „gefühlt“ gegen die Ehe (Ehegatten-Splitting abschmelzen).

Mehr Fehler kann man nicht machen. Sie müssen sich dringendst und grundlegend reformieren. Das wichtigste Thema, die Energiewende wurde von Merkel weggeschnappt und bringt den kleinen Leuten nur teure Stromrechnungen. Alles in allem nicht sehr populär.

Sie müssen sich dringend neue Themen suchen. Die Abkehr vom Bürgerlichen und hin zu linken Positionen , maßgeblich durch Trittin verursacht, war ein Fehler. Sie haben diesmal den Wahlkampf an der Mitte vorbei geführt.

Das neue Gesicht Katrin Göring-Eckhardt konnte nicht genügend überzeugen.

Bei den Grünen wirkt es eher so, als ob sie zu alten Fehlern und Positionen zurückkehren. Das Zurückrutschen auf alte Prozenthöhen spricht dafür.

Die Linken
Zu extrem. Haben aber mit Gregor Gysi einen der besten Redner aller Parteien. In Wahlsendungen hatte er jedes mal die besten Argumente, wirkt politisch und inhaltlich sehr überzeugend und engagiert.

Die Linken sollten schleunigst extreme Positionen aufgeben und sich ein bisschen bürgerlicher machen. An ein paar Stellen an die SPD anpassen, dann klappts auch mit den Koalitionen.

Die Gemeinsamkeit mit der SPD bleibt die soziale Gerechtigkeit. Hier ist der gemeinsame Schnittpunkt, auf den man sich konzentrieren sollte.

AfD
Ganz nett, aber zu neu. Wirken zu rechts. Sind zu unbekannt. Wirken als Frustpartei. Müssen sich inhaltlich und personell noch besser aufstellen, dann könnten sie zu einer ernsthaften Gefahr für Merkel und ihren Euro-Kuschelkurs werden.

Die Piraten
Wo waren die Piraten? Ich hab nichts gesehen. Weder im TV, noch auf Wahlplakaten, noch inhaltlich, noch in der Presse. Vielleicht noch im Netz. Für Insider. Männer. Singles. Computer-Nerds. Hm…

Wahlkrampf

In ein paar Wochen ist Bundestagswahl. Wenn man so nach draußen schaut, und einen Blick in den blauen Himmel wirft, die Menschen gemütlich über die Straße schlendern sieht, die Kinder beim Lachen und Spielen hört und in der Ferne die Glocken des ruhenden Sonntags über allem schweben- ist davon nicht viel zu sehen!

Auch in den täglichen Schlagzeilen liest man nicht viel darüber. Das einzige, was sich anscheinend verändert hat, ist die Schlagzahl der politischen Sendungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern, bei denen „kritisch nachgefragt“ wird, was ja eigentlich zu begrüßen ist. Meistens läuft es aber darauf hinaus, dass ein paar ganz wenige obere Kandidaten von einigen wenigen Parteien eingeladen werden, Persönlichkeiten die man schon in- und auswändig kennt, die dann mit bewusst gewählten provokanten Thesen aufgestachelt werden, sich anschließend streitend in den Haaren liegen – was vom Sender dann anschließend als „Diskussion“ verkauft wird.

Positive Ausnahmen zum täglichen Einerlei sind kritische Artikel, die sich mit dem aktuellen Wahlkampf auseinander setzen, z.B. dieser hier.

Die Auftritte und Wahlkämpfe der Kanzlerin sind betont zurückhaltend, neuerdings ganz bürgernah, ruhig, präsidial, manchmal schnarchig. Klare Ecken und Kanten sind nicht ihr Ding. Sie vermeidet lieber eine klare Aussage und verschweigt den Bürgern die Wahrheit über wichtige Themen. Einlullen ist die Devise. Wo man sich nicht zur Diskussion stellt, entsteht auch kein Widerspruch. Die Taktik der Machterhaltung ist einfach: Ein gedoptes, eingeschläfertes, williges, wahlmüdes und gelangweiltes Volk, das jeglichen Willen zur Veränderung verloren hat. Wie auch, wenn die liebste Freizeitbeschäftigung der Deutschen mittlerweile das Fernsehen ist? Bei weiterhin sinkender Freizeit, versteht sich…

Es ist ja auch viel einfacher alles so zu lassen wie es ist. Was soll schon mit einem Wahlzettel anders werden, den man mal alle vier Jahre in eine Box werfen kann? Der Einfluss des Wählers und obersten Souveräns- dem Bürger- ist denkbar gering . Die einzelne Stimme zählt nicht wirklich. Die großen Parteien machen den Sieg unter sich aus und die kleinen laufen mal wieder am Rande.

Positiv zu erwählen ist der „Wahl-o-mat“, ein virtuelles Frage- und Antwort-Spiel, mit dem man seine eigenen politischen Denkweisen mit kurzen Thesen aus Wahlprogrammen aller Parteien vergleichen und abgleichen kann:

http://www.bpb.de/politik/wahlen/wahl-o-mat/

Dieses Tool richtet sich vor allem an Erstwähler und Menschen, die bei ihrer Wahlentscheidung noch unsicher sind. Der große Vorteil ist, dass aus dem täglichen Politik-Geschwätz und -Einerlei konkrete Aussagen und Inhalte herauskristallisiert werden. Freilich, so war zu hören, soll bei den Aussagen auch geschummelt werden. Nicht jede Partei wird sich bei jedem Thema so konkret festlegen lassen (wollen).

Ich hab den Test gleich am ersten Tag gemacht. Ein paar Mal ist er mit der Meldung „service not available, error 503“ abgestürzt, bzw. überlastet gewesen. Als ich dann endlich alle Fragen durch hatte, drei davon besonders stark gewichtet habe und ca. 10 der wichtigsten Parteien markiert hattte, war ich über das Ergebnis erstaunt: Größte Übereinstimmung mit den Piraten!

Dabei hatte ich die gar nicht auf den Schirm. Meine eigentliche Lieblingspartei und bisheriger Favorit landet weiter abgeschlagen auf hinteren Plätzen. Große Übereinstimmung habe ich außerdem mit „Den Frauen“, eine Partei die ich bis jetzt gar nicht kannte und die bundesweit auch nur sehr klein ist. (0,1 Prozent, 300 Mitglieder )

Das hängt aber auch sehr davon ab, welche Parteien man in die Vergleichsliste holt und wo man intern den Fokus setzt. Und sind 70% wirklich eine große Übereinstimmung? Zudem viele Parteien ja intern ganz andere Themen haben, für die wichtiger sind. Was bringt z.B. die Tatsache, dass die Piraten für das bedingungslose Grundeinkommen sind, aber in der Öffentlichkeit eher für ihr Engagement in der Netzpolitik bekannt sind? Wer eine reine soziale Partei wählen möchte, muss wohl eher die Linken oder die SPD wählen.

Überhaupt die SPD. Es scheint der schlechte Wahlkampf in ihrer Geschichte zu sein. Zuerst die lange Suche nach einem richtigen Kandidaten. Und als man sich dann endlich für Steinbrück entschieden hatte, war klar, dass dieser in der Öffentlichkeit und den Beliebtheitswerten nicht so gut ankommt. Monate vorher hat man das gewusst. Aber es wird nicht darauf reagiert. Warum nicht? Warum ist die Partei da so zäh und nimmt nicht einfach einen Kandidat, der sympathischer ist und das soziale Profil der SPD besser vermitteln kann? Vielleicht, weil es mittlerweile so wenige davon gibt?

Spätestens seit der Affäre mit den bezahlten Vorträgen war Steinbrück für die meisten unten durch. Er wirkt einfach zu kantig, zu spröde, zu norddeutsch und nicht bequem genug. Mutti Merkel geht da eher ans Herz. Auch wenn das alles nur Fassade ist. Wo sich die Politik um die Auseinandersetzung und das Offenlegen von echten Inhalten drückt und das Wahlkampfvolk müder als je ist, verkürzt sich der Wahlkampf umso mehr auf die Gesichter, auf die Persönlichkeiten,die man „irgendwo einordnen“ kann, auch wenn man nicht stundenlange Diskussionen im Fernsehen verfolgen mag.

Und dann ist ja noch dieses „Duell“. Das einzige, heute abend. Das einzige, obwohl es soviele Parteien gibt. Soviele Kandidaten, soviele Menschen, die etwas zu sagen hätte. Man fühlt sich fast wie in den USA, wo der ganze Wahlkampf auf zwei Personen reduziert wird. Eine präsidiale Demokratie wird vorgegaukelt. Und wenn das alles nichts hilft, kann man ja immer noch Schlägertruppen aus der Weimarer Republik einsetzen, um allzu kritische Gegner einzuschüchtern.

Wie soll da echtes politisches Interesse aufkommen?

Brennende Themen, die für die nächsten Jahre wichtig sind, und alle etwas angehen, gäbe es genug: Die Energiewende, demografische Veränderungen und die Umstrukturierung von Renten- und Sozialsystemen, die Zuwanderungs- und Asylpolitik, der Umgang mit internationalen Konflikten, die Euro-Krise oder die Mindestlohndebatte.

Wenn das mit dem einlullenden Wahlkrampf so weitergeht, bewegen wir uns immer mehr in eine Schein-Demokratie. In eine Medien-Demokratie, wo das korrekte Auftreten, die „guten Bilder“ und das Vermeiden von Extremen wichtiger als echte Persönlichkeiten und inhaltliche Aussagen sind.