Das ist nicht unsere Krise – II

aber wir sind alle betroffen

Der Ausdruck „Das ist nicht unsere Krise“ drückt in aller erster Linie aus, dass wir die Krise nicht verursacht haben. Dieses „Wir“ ist dabei nicht wirklich zu fassen, aber es ist doch eine scharfe Abgrenzung gegen verantwortliche Menschen und Entscheider in den obersten Schichten der Wirtschafts- und Politiksteuerung. Das „Wir“ sind die Bürger, die breite Mittelschicht, die „abgehängte“ Unterschicht und vielleicht sogar Teile der Oberschicht. Der Ausdruck suggiert aber noch etwas anderes: Wir sind zwar nicht verantwortlich, aber wir sind sehr wohl betroffen. Es entsteht also ein ungünstiges Spannungsfeld zwischen der Verantwortung der Krise und der Last der Fehler, die aus ihr entstanden sind.

Natürlich ist es auch unsere Krise! Es wäre zu einfach wegzuschauen und zu meinen, dass es uns alle nicht betreffen wird. Vielleicht sind die unmittelbaren Folgen noch nicht abzusehen und neben den ständig steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen (letztere werden von der Preispolitik der Discounter noch in Schach gehalten) merken wir nicht wirklich, dass etwas nicht stimmt und es irgendwo auf der Welt gekracht haben soll. Diese Illusion ist gefährlich. Vom Finanzwesen und der Wirkungsweise des Geldes und der allgemeinen Konzernpolitik sind wir schon längst entfremdet- als „normaler Arbeitnehmer“ kann man nicht sehr viel mehr machen, als zu lernen und sich für einen Job zu bewerben und dann auf ein wenig Glück zu hoffen.

Dass es aber im Zuge der Globalisierung schon seit Jahren ein Druck auf die „Wettbewerbsfähigkeit“ und damit hauptsächlich die Löhne als variabelsten und weichsten Faktor gegeben hat, wird mit der jüngsten Studie des DIW deutlich:

Das Institut kommt zum Schluss, dann in den letzten zehn Jahren die inflationsbereinigten Reallöhne im Schnitt um 2,5 Prozent gesunken sind. Besonders hart betroffen hat es die Niedrigverdiener: Wer zuvor 835 Euro verdient hat, muss zehn Jahre danach gerade mal mit 705 Euro auskommen, das ist ein Rückgang von 15,57 Prozent! Eine genaue Tabelle mit den Zahlen kann man hier nachlesen;  die Original-Quelle habe ich trotz langer Suche nicht mehr auf der DIW-Seite gefunden.

Die TAZ stellt noch die interessante Parallele fest, dass die Wirtschaft im Allgemeinen um ca. 16,3 Prozent gewachsen ist. Was liegt also näher als der Schluss, dass die Wirtschaft vor allem zu Lasten der Arbeitnehmer gewachsen ist?

Die Nachdenkseiten stellen nochmal genau den Zusammenhang zwischen der Leiharbeit, den Arbeitslosenzahlen und dieser Studie her.

Denn vor allem die Leiharbeit, die niedrigen Löhne und das einseitige Begünstigen der Arbeitgeber-Seite hat zu dieser Entwicklung geführt. Man kann nicht wirklich überrascht sein, hat man doch im neoliberalen Diskurs immer genau jene Entwicklungen gefördert und politisch den Weg bereinigt. Ich erinnere mich doch gut daran, wie die Leih- und Zeitarbeit damals als probates Mittel zur Wirtschaftsförderung diskutiert wurde und dass man dann auch die Arbeitslosen aus ihrer „Stagnation“ holen wollte und ihnen langfristig den Weg in ein reguläres Arbeitsverhältnis eröffnen würde. Wie zynisch und verlogen kommt einem die damalige Diskussion vor, wenn man sich die heutigen Entwicklungen und Zahlen anschaut. Noch mehr wundert es mich aber, dass die Deutschen das anscheinend immer noch nicht kapiert haben und weiterhin bereit sind, von ihrem ohnehin schon geschrumpften Einkommen weiterhin fleißig Steuern und Abgaben zu zahlen und damit den Rettungspaketen für Euro-Länder und Banken mit zu finanzieren. Warum regt sich an dieser Stelle nicht mehr Widerstand und ziviles Aufbegehren? Die Stuttgart 21 und Atomkraftgegner- geübten Wutbürger haben das doch mittlerweile recht gut drauf…

Auch die Diskussion um den beliebten „Fachkräftemangel“ scheint vor diesem Hintergrund fragwürdiger denn je zuvor. Wenn man sich wirklich so um Fachkräfte sorgen würde, wäre man auch bereit für „anständige Arbeit anständige Gehälter“ zu zahlen und würde ganz allgemein den Wert der Arbeit durch Geld wieder höher bewerten. Auch die Ausbildung der schlechter Qualifizierten und die Investitionen in ein gutes Schulsystem und ein leistungsfähiges Hochschulwesen wäre dann kein Problem mehr. Der Wert der Arbeit und der Qualifizierten wird anscheinend nicht richtig erkannt und/ oder wertgeschätzt, wie sonst kann es sein, dass man plötzlich „völlig überraschend“ (nach dem Ende Wehrpflicht und des 12-jährigen Abiturs) mit einem Ansturm auf die Unis konfrontiert wurde und die vielen jungen Menschen, die was lernen wollten, nicht mehr unterbringen konnte?  Anstatt jetzt mehr Geld in die Lehre zu pumpen und weitere Professoren anzustellen oder die Räume zu vergrößern, vergibt man demnächst lieber strengere Zulassungsbeschränkungen oder erhöht die Gebühren. Ähnliche Entwicklungen und Beschränkungen „vom Geiste“ her finden wir bei der derzeitigen Einwanderungs- und Integrationspolitik. Man kann nur hoffen, dass die Menschen im Ausland das integrationsfeindliche Deutschland als solches entlarven und einen großen Bogen darum machen werden.

Was wir derzeit ganz allgemein sehen können ist ein Ausufern des Niedringlohnsektors und immer schlechter werdende Arbeitsbedingungen bei rückläufigen Löhnen. Der allgemeine Wirtschaftsaufschwung kommt also bei den Menschen überhaupt nicht an und diese Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer der Wirtschaft ist sozial und menschlich höchst gefährlich. Wenn diese Politik so weitergeführt wird, gibt es bald 99% Verlierer und nur noch ein Prozent Gewinner.

Nehmen wir als weiteres Beispiel die Pflegeberufe, die es immer wieder in die Schlagzeilen schaffen. Im Schnitt verdient ein Altenpfleger ca. 1800 Euro brutto (Quelle ). Das ist kein fürstliches Gehalt, wenn man den geleisteten Arbeitsaufwand anschaut oder sich diese Nachricht durchliest, aus der hervorgeht, dass nur 5,6 Prozent der Befragten in diesem Job keine Überstunden leisten.

Dazu gekommen ist es z.B. dadurch, dass man in den Jahren 1996 bis 2008 14,2 Prozent der Pflegekräfte abgebaut, aber die Zahl der Klinikärzte um 26 Prozent erhöht hat. Ein besseres Beispiel für die faktische und reale Abwertung dieses Berufszweiges kann es nicht geben und für die Betroffenen wird es zu einer massiven Mehrbelastung führen, die das Ansehen des Berufes weiter schmälert.

Noch schlimmer ist die Lage, wenn man global denkt und feststellt, dass weltweit sogar vier Millionen Pflegekräfte fehlen.

Der „Fachkräftemangel“ ist also kein regionales oder nationales Problem, sondern menschlich und wirtschaftlich ein weltweites Problem. In Afrika treten 24 Prozent aller Krankheiten auf, aber nur drei Prozent des Pflege-Personals arbeiten dort. Und jetzt hat man noch den Mut, ausländische Fachkräfte in diesem Sektor abzuwerben.

Die grandiose Idee der Politiker zur Lösung dieses Problems lautet schlussendlich, die ungebildeten Arbeitslosen im Pflegebereich einzusetzen .

Vielleicht sollte man lieber ein freiwilliges soziales Jahr für Politiker verordnen, damit sie mal sehen, wie die Realität vor Ort wirklich aussieht?

Fazit
Man kann also nicht wirklich sagen, dass es „nicht unsere Krise“ wäre. Es ist unsere Krise und wir sind mittendrin, verbunden z.B. über die Löhne, die Lebenshaltungskosten, die Struktur der Gesundheits- und Sozialsysteme, die Energiepreise und allgemeinen Arbeitsbedingungen. Letztendlich über den Maßstab, was wir mit unserem Geld noch bekommen und wie der Wert unserer Arbeit im Vergleich zum Kapital bemessen wird.

Es gibt viele kleine Baustellen und Puzzlestücke, die diese zum Teil fatale Vernetzheit verdeutlichen. Jeder ist betroffen, egal an welcher Stelle und an welcher Position.

Das ist nicht unsere Krise

Seit zwei Wochen ist es unentwegt in den Nachrichten, mal in hübscher Form, mal in bedrohlicher, mal in ungewisser, aber doch stets im Mittelpunkt unserer Welt: Das Geld, bzw. das Zuwenig davon. Die Schulden in manchen Staaten, die USA am „Abgrund“ ihrer Zahlungsfähigkeit und die ehemals als stabil und Allheimittel für die Wirtschaft gepriesene europäische Einheit mit ihren Wackelzahnkandidaten, die wiederum zum Ausfall des gesamten Gebisses führen könnten.

Ungläubig sitze ich vor den Nachrichten und denke mir „na da könntest du aber so langsam mal was drüber schreiben, das ist ja schließlich DAS Thema, eine Headline sozusagen, und man hört allerorten nichts anderes mehr“. Aber das Problem , das ich mit der ganzen Sache habe ist einfach: Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht, wie eine grandiose Weltmacht USA, die jahrelang mit modernster Militärtechnik, mit riesigem Vorsprung in Luft- und Raumfahrt, mit gigantischen Nahrungsmittelreserven und einer aggressiven Außenpolitik -und nicht zuletzt unser großer Verbündeter – plötzlich so schlecht dastehen kann. Und ich verstehe nicht, warum es in diesen Zeiten plötzlich so unmöglich geworden ist, die Steuern „für die Reichen“ anzuheben oder die Ausgaben für das Militär weiter zu kürzen. Dass man jahrelang über die Verhältnisse gelebt hat, sollte doch spätestens jetzt offensichtlich sein. Dass die Kriege und militärischen Interventionen vor allem der Rüstungsindustrie und den Herstellern von blechernen Orden und Prestige-Fabrikanten, aber am wenigsten den notleidenen Menschen vor Ort geholfen haben. Aber ein Wandel in der Gesinnung, im Denken ist anscheinend das Schwierigste für die Menschen und je stärker die Identität in einem starken Staat / einer starken Nation verwurzelt ist, desto schwieriger scheint das zu sein. Und im Eifer des Gefechts streiten die Kontrahenten, als sei kein Land zu retten, als ging es nicht um die Rentenzahlungen und Sozialhilfe für Millionen, die sich mit ihren 500 Dollar (oder sogar null Dollar!) mühsam durch den Monat schleifen, während die großen „Verbrecher“ am anderen Ende der Nahrungskette vielleicht das Hundertfache verdienen und sich trotz massiver Fehler seelenruhig aus dem Staub machen können.

Und gescholten wird in diesen Tagen! Vor allem auf die „hungrigen Sozialsysteme“ auf die horrenden Ausgaben für Kunst und Kultur, für all dieses überflüssige Zeug, wofür sowieso noch nie viel Geld da gewesen ist, in anscheinemd keinen Land auf der Erde, wo Menschen regieren, die doch mit „Vernunft“ gesegnet sein sollen. Wir haben soundsoviel Millionen Arbeitslose in Deutschland, davon ca. soundundsoviel Millionen, die sich schon seit Jahren ohne Job und Perspektive durch das Leben schleppen, wir haben Mütter mit Kinder, die vielleicht gut ausgebildet sind, aber auf Grund der Doppelbelastung mit Kind, Job und Haushalt einfach nicht mehr arbeiten können- dann wird auf der anderen Seite „Fachkräftemangel“ geschrien, weil die exportlastige Wirtschaft mit ihren Hungerlöhnen so schön brummt- und was machen die Verantwortlichen? Sie kaufen die Ware Mensch und Arbeitskraft billigsmöglichst da im Ausland ein, wo sie in ein paar Jahren vielleicht genauso dringend benötigt wird. Kurzsichtiger und einseitiger kann politisches Handeln kaum sein.

Warum ist in der Politik kein Platz mehr für Vernunft? Wo doch jeder zweite Stammtisch und jedes drittklassige Blog die bessere Lösung für die Probleme der Welt parat hätte, aber nur von „da oben“ immer die gleichen falschen Entscheidungen getroffen werden?

Alle wundern sich über die riesigen Rückstände im Pflegebereich und mit bebender Stimme wird in den Abendnachrichten erklärt, wieviel Millionen an Pflegebedürftigen demnächst auf „uns“ (also die jungen Generationen) zukommen werden, aber oh Wunder- es findet sich niemand mehr, der die Arbeit freiwillig machen will. Obwohl es x Arbeitslose gibt. Und y Schulabgänger, die noch keinen Job haben und im Traumjob z nichts mehr finden. Ist das wirklich so ein großes Rätsel, dass sich niemand erklären kann? Bei der Bezahlung, bei dem Ansehen des Berufs und den Arbeitsbedingungen? Und wieso hat man dann den Zivildienst abgeschafft, wo er doch jahrelang sich mehr als bewährt hat und ein wunderbares Mittel war, die Menschen zu sozialer Arbeit und einem Mehrwert in der Gesellschaft zu bringen? Zusätzlich mit einem hohen Ansehen? Erwartet man wirklich, dass sich jetzt genausoviel Leute finden, die sowas freiwillig machen ohne einen kleinen „Anstubser“ (sprich Verpflichtung) von staatlicher Seite zu bekommen? Ist die Verpflichtung etwa out geworden? Passt sie nicht mehr in ein konsumorientiertes Leben, dass uns stets den maximalen Genuss bei minimalen Einsatz garantieren soll?

Aber immer ist das Problem, dass nicht genügend gedacht wird, dass der Hebel immer an der falschen Stelle angesetzt wird. Das Geld und die gleichzeitige Gewinnmaximierung, das optimale „Haben“ bei geringstem Einsatz und maximalen Geiz regiert die Welt. Alles wird der Logik des Wirtschaftens und des Profits untergeordnet und obwohl man diesen Idealen so zielstrebig folgt, scheint die Rechnung am Ende nicht aufzugehen. Obwohl alle um das goldene Kalb tanzen (mit dem Höhenflug des Goldpreises sogar wortwörtlich) scheint die Gesellschaft nicht reicher und freier, sondern immer ärmer und verschuldeter zu werden.

All das sind Dinge, die ich nicht verstehe und die ich noch nichtmal ansatzweise erklären kann. Ich kann nur versuchen, sie zu beschreiben und den ganzen Wahnsinn, der mir tagtäglich aus dem Buchstabenwald entgegen hallt, in einen einigermaßen übersichtlichen Zusammenhang zu bringen.

Wenn ich z.B. in die EU schaue, wird es noch schlimmer. Wollte man Griechenland jetzt retten oder nicht? Und was ist mit Irland? Die sind doch aus dem Schneider? Wieso konnten sie dann unlängst wieder „herabgestuft“ werden? Überhaupt, dieses Wort! Hat man schonmal zu einem Mensch gesagt: Ich hab dich jetzt herabgestuft in meiner Freundschafts-Würdigkeit? Du bist nicht mehr eine glatte zehn, du bist nur noch eine magere fünf, und wenn du nicht aufpasst, dann gebe ich dir nur noch zwei Punkte! Aber, aber- beschwichtigen die Politiker, die Banken, das sind doch unsere Heilsbringer, die großen Geldverwalter- die es bis jetzt noch nichtmal geschafft haben, jedem Bürger ein Recht auf ein Girokonto einzuräumen und die immer diejenigen mit Gebühren belasten, die kein eigenes Einkommen über einer bestimmten Grenze haben. Nochmal genau anschauen: Derjenige, der ein regelmäßiges Einkommen hat, ist von den Gebühren befreit, zahlt also nix. Derjenige aber, der unter 1000 Euro verdient, muss teils saftige Gebühren zahlen. Das ist ähnlich wie mit den Steuersätzen: Je mehr du verdienst, desto mehr darfst du nach Hause nehmen und desto geringer deine anteilige Belastung für das Gemeinwohl. Zehn Prozent des Haushalts-Einkommens gehen für Lebensmittel drauf? Eine schöne Planrechnung, die in der Realität von vielen ärmeren Menschen leider nicht mehr greift. Schon jetzt gibt es Millionen von Menschen weltweit, die sich noch nichtmal mehr ein Stück Brot leisten können, während auf der anderen Seite der gleichen Welt Paläste aus Marmor und Gold errichtet werden. Die man dann mit teuren Panzern wieder verteidigen muss, woran andere wiederum auch sehr gut verdienen.

Vielleicht sollte man der Aufforderung auf der Startseite des Online-Bankings nachkommen und am Banken-Gewinnspiel teilnehmen? Kann man da auch Anteile an der HRE oder an der Helaba erwerben? Vielleicht sollte man sein Glück versuchen, wie in dem guten alten Spiel und Herzstück unserer kapitalistischen Kultur: Monopoly! Da geht es schließlich auch um Glück, nicht unbedingt um Leistung. Wer zuerst die teure Straße gekauft hat, ist der Gewinner. Wer zuerst das Geld zusammengekratzt hat (vielleicht mit einem Kredit?) und ein paar Hotels draufbaute, kann jetzt kräftig abkassieren. Die anderen müssen zahlen. Pech gehabt, zu spät gekommen! Das Regelwerk sieht keine Gleichberechtigung vor. Es gibt nur Gewinner und Verlierer und meistens mehr von der letzteren Sorte und nur ein paar ganz wenige, die alles haben.

Die, die alles haben, kommen dann in den Genuss, die Fehler zu machen. Wofür sie dann von unseren gnädigen (sprich abhängigen und willfährigen) Politikern wieder aufgefangen werden. Den normalen Häuslebauer und den täglich zur Arbeit gehenden Arbeiter und Lohnbezieher interessiert das freilich wenig. Er hat es vielleicht kurz in den Medien gelesen, als er heute morgen flüchtig über die Zeitung huschte. Keine Zeit für eine ausgedehnte Vertiefung. Die Pflicht ruft und das eben verspeiste Brötchen muss schließlich auch noch verdient werden.

Es könnte allerdings sein, dass er dann der erste ist, der seinen Job räumen muss. Und der erste ist, dessen Rente auf Null gekürzt wird, weil zufälligerweise gerade nix mehr da ist, sorry.

Wütend und mit einem Plakat zieht er dann, als es schon längst zu spät ist, vor die Tore der Mächtigen dieser Welt und verkündet „Das ist nicht unsere Krise!“ Auf dem Transparent seines Nachbarn steht etwas kleiner, fast kleinlaut und bescheiden „Aber wir haben sie bezahlt!“

An einem Tag in Duisburg

Gestern lief also diese Doku über die Loveparade mit dem Titel „An einem Tag in Duisburg“. Ich wollte sie mir zuerst nicht anschauen, da ich den Titel und die Aufmachung ein wenig zu reißerisch empfand und dann war da noch der Hinweis, dass stellenweise Ereignisse hinzugedichtet oder umgeformt wurden. Anscheinend ging es vielen Menschen so, denn mit einem Marktanteil von 5,6% und 1,53 Millionen Zuschauern war die Sendung alles andere als ein Einschaltquotenhit.

Das sind nicht wesentlich mehr Leute, als insgesamt auf der Loveparade waren. Man muss sich also fragen, wieso interessiert diese Sendung niemand? Wenn man doch selbst auf der Parade gewesen ist, dann sollte man doch wenigstens ein bisschen Interesse dafür zeigen- plus die Leute, die Verwandte oder Freunde dort hatten und dann noch die „allgemein interessierten“.

An der Qualität der Sendung kann es jedenfalls nicht gelegen haben: Die Doku war gut gemacht und zeigte in meistens chronologischer Reihenfolge den Ablauf der Ereignisse, die zur Tragödie führten. Manchmal wurden die Abläufe etwas durchmischt, um wahrscheinlich mehr Spannung zu erzeugen. Es wurde z.B. vom Vormittag der Parade plötzlich wieder auf die Planungs-Querelen im Vorfeld zurückgeschaltet. Die Schauspieler spielten ihre Rolle sehr gut und waren besser als in anderen Dokus dieser Art.

Zu wenig von allem

Im Mittelpunkt stand dabei der Veranstaltungspsychologe, der in einem kleinen Container vor Ort die vielen Videokameras überwachte, dabei versuchte, die Besucherströme zu lenken und über den Kontakt zu Polizei und Veranstalter jeweils bestmöglich einzugreifen. Schon hier wurden interessante Details in der Fehlplanung offenbart, die dann in ihrer Summe zum großen Unglück führten. Der Verbindungsbeamte zur Polizei hatte z.B. keine funktionierende Funkverbindung zu seinen Leuten, sondern versuchte mit seinem Handy zu kommunizieren. Er beachtete dabei aber nicht, dass bei sovielen Menschen an einem Ort die Netze heillos überlastet sein würden. Um einen Verantwortlichen zu holen und die Meldungen weiterzugeben, musste er also erst umständlich den Container verlassen. Ein weiteres Problem war, dass es auf der Parade keine Lautsprecheranlage (ELA) gab, mit der man die Masse über bestimmte Ansagen hätte steuern können. Auch eingreifende Menschen (sog. Ordner oder Pusher), die im Sinne der Organisatoren die Menschenmassen hätten lenken können, gab es viel zu wenig.

Die „Verstopfung“ an der Brücke (dem einzig möglichen Zulauf und Ablauf)  war also am Tag der Parade kaum noch zu bremsen oder aufzuhalten. Es fehlten einfach geeignete Mittel und Werkzeuge und die Planung war sehr schlecht bis ungenügend. Als dann noch die Kabel für die Videoüberwachung abrissen, weil die Menschen anfingen, an den Masten hochzuklettern, um irgendwie ins Freie zu kommen, war es endgültig vorbei.

Mangelnde Planung und Vorbereitung

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Dokumentation war die Planungsphase und die Vorstellung der unterschiedlichen Menschen, die damit zu tun hatten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Loveparade aus kommerziellen Gründen an einen Sponsor übergeben wurde. Die Stadt Duisburg hätte sich so ein Großereignis gar nicht leisten können, da sie finanziell schon beinahe handlungsfähig war. Dennoch gab es großen politischen Druck, um mit den Paraden in den anderen Ruhrstädten mitzuhalten und im Rahmen des Ruhr 2010 Projektes eine passende Großveranstaltung vorweisen zu können. Das erste Mal in ihrer Geschichte wurde die Parade abgesperrt und eingezäunt, wodurch sich auch andere baurechtliche Konsequenzen ergaben. Die Fluchtwege waren eindeutig unterdimensioniert und in der Reportage herrschte die Meinung vor, dass die Veranstalter trotz besten Wissens und Gewissens die Loveparade mit allen Mitteln und Wegen „durchzudrücken“ versuchten. Skeptische Meinungen wurden belächelt oder mit irgendwelchen Tricks ausgehebelt und unschädlich gemacht. Man gab z.B. zu, dass die Zahlen der vorherigen Loveparades gefälscht waren und in Duisburg wahrscheinlich gar nicht soviele Menschen kommen werden.

Allein schon das Konzept des Zulaufs war unzureichend. So stellte man z.B. fest, dass der Tunnel für eine Richtung die Kapazität von 70.000 Menschen aufwies, in der Planung aber bereits mit dem doppelten gerechnet wurde und zwar in unterschiedliche Richtungen! Dass dann am Tag der Loveparade nochmal deutlich mehr Menschen ankamen, als erwartet wurde, sprengte das Konzept der Zulaufes eindeutig. Das Gelände war insgesamt zu klein und der Versuch, durch die rotierenden „Floats“ (also die Wagen mit der Musik) die Besucherströme auf das Gelände zu ziehen, hat nicht wirklich geklappt.

In tragischen Bildern, die tlw. mit echten Aufnahmen vermischt wurden, wurde dann der genaue Hergang der Katastrophe dokumentiert. Wackelige Videos aus Handykameras sind hautnah dabei. Man sieht deutlich, wie die Besucherströme immer enger werden und am Ende überhaupt nichts mehr geht. Auch die verzweifelten Versuche der jungen Menschen, über die schmale Treppe zu entkommen oder über die Masten zu klettern, wurden aufgezeichnet. (( Hierzu gibt es auch sehr viele Videos auf Youtube, die allerdings nur von Leuten gesehen werden sollten, die das verkraften können und am besten volljährig sind; Youtube selbst scheint da nicht sehr viel zu zensieren; Ein verträgliches Video, das zumindest mal ein Gefühl für die Menschenmasse gibt, sieht man hier, eine Collage mit Bildern des Ereignisses hier ))

Augenzeugen

Wie bei solchen Sendungen üblich, wurden einige Augenzeuge interviewt, die dann die Geschehnisse erläuterten und mit eigenen Worten beschrieben. Da war z.B. das ältere Ehepaar, das eigentlich gar nicht auf die Parade wollte und dann doch überredet wurde. Oder die junge Frau, die ihrem besten Freund zuliebe auf die Veranstaltung gekommen war, um mit ihm dort Geburtstag zu feiern. Einige der Zeugen wurden in die Masse gedrückt und wären beinahe gestorben. Alle Menschen, die so nah dabei waren, leiden nun noch unter post-traumatischen Streßsymptomen, hauptsächlich Panikattacken , Angst vor Lärm oder Menschen und Schlafstörungen.

Auch ein Mediziner kommt zur Wort und erklärt in kurzen Worten seine Eindrücke und die Unwirklichkeit der Szenerie. Er meint, dass die Menschen auf dem Boden alle „so dreckig“ gewesen waren und er sich das zuerst nicht erklären konnte. Auch war ihm nicht klar, woran die Leute eigentlich gestorben waren, ging er doch zuerst davon aus, dass sie vielleicht bei Kletteraktionen abgestürzt seien.

Später erläutert er dann noch die genaue Todesursache, die im notfallmedizinischen Alltag wahrscheinlich sehr selten ist: Tod durch am Atmen gehindertes Ersticken. D.h. die Menschen werden so sehr durch die Menge gedrückt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, eigenständig zu atmen und infolgedessen qualvoll an Sauerstoffmangel sterben. (genaueres hier) Man kann sich vorstellen, dass das ein sehr unangenehmer Tod sein muss. Vor allem Frauen waren betroffen, da sie mangels Kraft und Ausdauer nicht so lange in der Masse aushalten konnten und dann zu Boden gedrückt wurden.

Am Ende der Reportage wurden noch kurz die Geschehnisse nach der Tragödie aufgearbeitet und gezeigt, vor allem das peinliche Leugnen der Verantwortung von allen Beteiligten. Sehr schlecht kommt dabei der Oberbürgermeister weg, der einfach nicht zurücktreten will und sich dabei in teils zynische bis widersprüchliche Aussagen verstrickt. Er meint z.B. dass er nicht zurücktreten kann, weil das sonst wie ein Schuldeingeständnis wirkt. Das bis heute niemand wirklich die Verantwortung übernommen hat und keiner richtig „bestraft“ wurde, ist eigentlich sehr schade. Die Fehler in der Planung und das durch Profitgier und Machtstreben geleitete Handeln war so offensichtlich, dass einfach mehr hätte passieren müssen. Und, wie so oft, zeigt sich auch niemand bereit, sich zu entschuldigen oder die Hinterbliebenden anzuschreiben. Das ist eigentlich das Mindeste, was man erwarten kann. Die Katastrophe war keine Kleinigkeit und sie war eindeutig durch schlechte Planung und menschliches Versagen verursacht.

Fazit
Die Doku „An einem Tag in Duisburg“ fasst die Ereignisse sehr gut zusammen, bleibt sachlich und im Detail genau, verzichtet aber auch nicht auf moralische Aussagen und die Darstellung von Gefühlen der Beteiligten. Insgesamt war sie sehr sehenswert.

Auf ZDF.de kann man sie übrigens noch in voller Länge anschauen.

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Links und Hintergrundinfo

Das vorzeitige Ende

bei der Frauenfußball WM

Tja, das ist nun das Ende „unserer Frauen“ bei dieser WM. Völlig überraschend sind sie vorzeitig ausgeschieden und in ihrer wechselhaften Leistung erinnern sie mich damit an die Leistung ihrer männlichen Kollegen, die auch stets für eine Überraschung gut waren und nach einem sehr guten Spiel, plötzlich grottenschlecht gespielt haben. Fußball ist eben deswegen so spannend für seine Fans, weil man nie weiß, wer gewinnt, weil man meistens bis zum Schluss nicht sagen kann, wohin sich der Zufall neigen wird. Dass beim letzten Spiel gegen Japan sehr viel Glück im Spiel war, davon bin ich fest überzeugt. Die deutsche Mannschaft war eindeutig die bessere, zweikampfstark, lauffreudig und mit vielen Torchancen. Aber manchmal „geht das Ding eben nicht rein“, da kann man machen was man will. Dazu passen auch die Kommentare nach dem Spiel, dass man noch locker zwei Stunden hätte spielen können, ohne ein Tor zu schießen. Es ist letztendlich eine banale Fußballweisheit, dass ein Team, dass seine Chancen nicht nutzen kann, das Spiel verliert. Und so ist es auch gekommen. Die Japaner, die deutlich weniger Chancen hatten und im Grunde nur durch souveräne Abwehrarbeit und einen ruhigen Spielfluss glänzten, hatten ein sehr glückliches Tor, geschossen aus einem sehr spitzem Winkel und begünstigt durch einen winzig-kleinen Torwartfehler. Ein paar Millimeter weniger hier und dort mehr- und schon wäre es den Japanern so gegangen wie den Deutschen, die ein um den anderen Ball neben das Tor schossen oder sich immer wieder in der grundsoliden Abwehr verhedderten.

Auf der anderen Seite ist es aber auch erfreulich, dass Japan so gut gespielt hat und auf der technischen und läuferischen Seite mit dem deutschen Team locker mithalten konnte. Auch wenn das jetzt das Ausscheiden der deutschen Mannschaft bedeutet hat, so ist es doch insgesamt ein Gewinn für den Fußball- weil er eben nur mit starken und ebenbürtigen Gegnern spannend und aufregend bleibt. Wenn Deutschland weiterhin im Eiltempo durch die WM marschiert wäre, dann wäre es doch auch langweilig. So weiß man, dass man sich niemals auf dem Erfolg ausruhen darf und sich immer ein wenig mehr anstrengen muss, als die anderen. Dass die Konkurrenz und das harte Ringen um den Sieg ein wichtiges Element geworden ist, kann nur ein Vorteil für die Attraktivität des Sportes sein.

Das Ausschieden aus der WM ändert meiner Meinung nur wenig an dem Erfolg der Frauen-WM insgesamt und seiner Wirkung auf die fernsehschauenden und sport-praktizierende Bevölkerung. Für mich war diese WM z.B. schon ein Erfolg, weil ich das erste Mal Frauenfußball-Spiele geschaut habe, sie ziemlich gut fand und weil ich gerlernt habe, dass man sich für weiblichen Sport und „Leistung“ genauso begeistern kann, wie für die männliche Variante. Ich werde sicherlich wieder schauen, wenn die nächsten Turniere anstehen.

Und ich fand es erstaunlich zu sehen, wie wenig sich die Geschlechter in diesem Sport unterscheiden und wie sehr die meisten Grenzen doch von unserem Kopf gezogen werden.

Schade ist nur, dass ich kaum Leute gefunden habe, die diese Begeisterung teilten, obwohl ich im Bekanntenkreis ständig herumgefragt habe und versuchte, die Menschen aus ihrer Reserve zu locken. Aber beim „Sportschauen“ speziell beim Fußball, scheiden sich ohnehin die Geister. Entweder die Menschen lieben es und machen nichts anderes oder sie sind komplett teilnahmslos.

Hier entdecke ich allerdings noch eine deutliche Diskrepanz zwischen den „herausragenden“ Einschaltquoten und den tatsächlichen Effekt auf die Breite der Bevölkerung. Ich denke, das Sommermärchen wird so schnell verpuffen, wie es gekommen war. Und von den schönen Seifenblasen, die man in den Himmel geschickt hat, bleiben nur schmierige Reste auf dem Boden kleben. Darüber können sich nur jene freuen, die den Frauenfußball ohnehin nicht gemocht haben, die damit eine Bedrohung auf die letzten „männlichen Werte“ in der Gesellschaft sehen oder andere Stock-Konservative, die vielleicht meinen, so ein Sport sei unweiblich und Frauen sollen ohnehin lieber an den Herd…

Die Lanze, die mit der WM gebrochen wurde, ist nicht mehr zu flicken. Frauenfußball ist in den Herzen der Menschen endgültig angekommen. Wenn jetzt noch die Leistungen stimmen, steht der nächsten euphorischen Fußball-Welle nichts mehr im Wege.

Fußball WM 2011 – Zwischenfazit

Ganze zwei Spiele habe ich im Frauenfußball je in voller Länge gesehen- und wie es der Zufall so will, waren das die Vorrunden-Spiele der deutschen Mannschaft in dieser WM.
Fußball schaue ich an sich wenig und wenn, dann nur die großen Turniere und da auch nur die entscheidenen Spiele. Qualifikations- oder Testspiele sind meistens langweilig und nur was für echte Fans. Genauso wie die Bundesliga, die mich nur im Entferntesten interessiert (so ca. 0,56 Prozent, wenn Kaiserslautern mal wieder ein Spiel gewonnen hat oder aufsteigt, das war´s aber auch).

So konnte ich mir im Vorfeld auch überhaupt kein Urteil bilden: Kannte weder Spielerin noch Belegung und bis auf Sylvia Neid und Birgit Prinz auch keine Namen. Spielen die jetzt gut oder schlecht, wie ist überhaupt das Niveau im Frauenfußball- und warum heißt es eigentlich bei den Männern „Fußball“ und bei den Frauen immer mit dem Geschlechter-Zusatz? Aus feministischer Perspektive ist es klar: Die Männer bilden hier eine ungeschriebene, aber doch gültige Norm und die Frauen können höchstens versuchen, sie nachzuahmen oder ein wenig einzuholen- aber der Status Quo oder besser der „state of the art“ des Fußball ist eine männliche Perspektive und somit auch deren kraft- und körperbetonte Spielweise.

Schon im Vorfeld habe ich außerdem überlegt, wird man jetzt etwas „anderes“ erkennen an der Spielweise, wird das einholen einer männlichen Norm überhaupt irgendeine Rolle spielen? Wird mich das Spiel dadurch langweilen, werde ich in der Lage sein, mein Geschmack anzupassen oder ist mein Gehirn selbst von der männlichen Norm durchdrungen und ich die Frauen nur geringschätzig für ihren netten Versuch belächeln?

„Fußball WM 2011 – Zwischenfazit“ weiterlesen

Arena of Pop 2011

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Nicht vergessen, am 9. Juli 2011 findet wieder eine „Arena of Pop“ in Mannheim statt! Mit Besucherzahlen über 100.000 ist es ein guter Versuch, Mannheim als Pop- und Musikstadt noch besser im Bewusstsein der Audiophilen zu verankern. Neben Musikern wie Xavier Naidoo und der bundesweit bekannten Pop-Akademie ist dieses Open-Air Ereignis ein wichtiges Aushängeschild für die Stadt.

Aus Kostengründen wird sie leider nur noch alle zwei Jahre veranstaltet. (Wikipedia ) Als ehemalige Mannheimerin habe ich mir die erste Arena of Pop 2006 natürlich angeschaut und war begeistert, nicht nur deswegen, weil der Besuch kostenlos ist und alles sehr gut organisiert war. Man wird allerdings früh anreisen müssen, um einen Platz direkt vor der Bühne zu bekommen und sollte ein wenig unempfindlich gegen große Menschenmassen sein.. der Platz vor dem Schloss ist zwar groß, aber mit den vielen Menschen wird es dann doch eng. 2006 hatten sie Videoleinwände aufgestellt, so dass man theoretisch auch mit einem Platz am Rande zufrieden sein könnte. Es sei denn, ihr wollt den Atem der KünsterInnen hautnah auf euren Körper spüren und euer Trommelfell einer mehrstündigen Belastungsprobe unterziehen…

Top-Acts für dieses Jahr sind Ricky Martin, Sunrise Avenue und Laith Al-Deen.

Mehr Infos gibt es hier: http://www.mannheim.de/nachrichten/arena-pop-am-9-juli

Beginn des Endes

Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,
Nur ein Gefühl, empfunden eben;
Und dennoch spricht es stets darein,
Und dennoch stört es dich zu leben.

Wenn du es andern klagen willst,
So kannst du’s nicht in Worte fassen.
Du sagst dir selber: »Es ist nichts!«
Und dennoch will es dich nicht lassen.

So seltsam fremd wird dir die Welt,
Und leis verläßt dich alles Hoffen,
Bis du es endlich, endlich weißt,
Daß dich des Todes Pfeil getroffen
. ((Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3485/112 ))

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Noch mehr von Theodor Storm hier

Eine Frau, zwei Gesichter und ein Flop

Eine Frau…

Vor ein paar Tagen kamen mal wieder ein paar Filme von der guten Schauspielerin Uma Thurman.

Einmal, der von mir auf Grund des hohen Gewaltanteils nicht sehr geschätzte „Kill Bill“, bei der sich aber dennoch eine sehr kontrastreiche Rolle spielt und diese hervorragend interpretiert und dann der wesentlich bessere (weil lustigere) Film „Die Super-Ex“.

Keine Ahnung warum, aber auf Thurman passen diese grotesken Rollen sehr gut, diese überzeichneten Figuren, die in kein Schema passen wollen. Sie schafft es dabei, mit Brillianz und Witz den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen.

Obwohl die „Super Ex“ ein wenig überzeichnet ist und der Film insgesamt viel zu flach und Popcorn-Kino lastig, fand ich ihn gut. Selten, dass solche übertriebenen Stilmittel in einer Beziehungskomödie zwischen Mann und Frau verwendet werden. Meistens überwiegen doch eher die Stereotypen. Thurman spielt hier eine „gewöhnliche“ Frau, die durch die Berührung mit einem geheimnisvollen Asteroiden in eine Superheldin verwandelt wird. Allerdings schafft sie es trotz „beruflichen Erfolg“ und aller Bemühungen nicht, einen Mann fürs Leben zu finden, worunter ihr kleinbürgerliches Selbstverständnis dann wieder leidet und in einem ironischen Diskurs mit ihrem ansonsten heldenhaften Leben als Powerfrau steht. Kann man die Probleme moderner Frauen besser auf einen Punkt bringen? Die hohen Erwartungen an sich selbst und die damit heillos überforderten Männer, die lieber ein klassisches Rollenverständnis ihrer weiblichen Pendants sehen würden?

…zwei Gesichter…

Ideales Gegenbild für diese perfekte -und zudem noch sehr hübsche Frau- ist daher der Büromensch Matt Saunders, der sie anfangs sehr attraktiv findet und sie auch als Erster anspricht. Als die beiden eine Beziehung beginnen, merkt er allerdings sehr schnell, dass mit ihr etwas nicht stimmt und er ihren übersinnlichen Kräften nichts abgewinnen kann. Letztendlich fürchtet er ihre unkontrollierten Emotionen und empfindet sie zu einengend und manipulativ. Z.B. geht sie beim gemeinsamen Sexualakt in seinem Bett so sehr zu Sache, dass der Boden von den Schwingungen zerkratzt wird und das Bett schließlich ganz zusammenkracht. Die Last ihrer Kräfte (= ihre Dominanz, denn sie besteht auch darauf, oben zu liegen) ist einfach zuviel für die beiden, vor allem aber für ihn.

Er fühlt sich nicht männlich genug und versucht daher, sich von ihr zu trennen. Sie beginnt daraufhin einen extrem übertriebenen Rachefeldzug, der dem Film seinen Namen gibt.

Kurz und knapp, die Verdrehung der Geschlechtsrollen und Zuständigkeiten ist hier das, was ich an dem Film lustig fand. Der Mann ist mal nicht der Held und strahlender Übermensch, sondern die Frau. Der Mann ist eher ein Loser und weckt in den starken Hauptfiguren, die ihn umgeben, einen mitleidigen Eindruck. Manchmal hat man das Gefühl, die Frauen wissen gar nicht wohin mit ihren „Superkräften“ und dominieren ihre Bezugspersonen nach Strich und Faden. Es ist kein Wunder, dass die „Super-Ex“ dann mit der Nebenbuhlerin, einer Büroangestellten von Matt, in Streit gerät, und die beiden sich anzicken und bekämpfen. Der Umstand, dass die Frau meistens diejenige ist, die den Sexualpartner aussucht und dieser als „Spermaspender“ dabei nur eine Statistenrolle einnimmt, wurde in diesem Film hervorragend karikiert.

Der Film hat natürlich ein Happyend und wird zum Ende her leider vorhersehbar. Ein wenig mehr Mut in den Entscheidungen wäre gut gewesen, es fängt vielversprechend an und wird immer durchschaubarer.

Dennoch gefiel mir die Schauspielerin Thurman so gut, dass ich noch ein wenig über sie in Wikipedia nachgelesen habe.

…und ein Flop

Darin erfährt man unter anderem auch, dass sie bei einen überaus erfolglosen Film mitgespielt hat, der von vielen Kritikern zerrissen wurde, am ersten Wochenende in den USA nur 50.000 $ einspielte und in Großbritannien sogar nur 12 (!) Besucher anzog und 88 Pfund einspielte. Damit ist es der schlechteste Filmstart aller Zeiten. (( Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Uma_Thurman#Karriere ))

Wie kann es zu so einem Gegensatz kommen? Uma Thurman, die bestimmt kein unbeschriebenes Blatt ist und spätestens mit Kill Bill zu Weltruhm gelangt ist und dann noch ein Film, der zumindest von der Inhaltsangabe ganz attraktiv wirkt:

Nicht mehr ganz so erfolgreiche Schriftstellerin in New York, die mit beiden Kindern heillos überlastet ist und ihre Sorgen in ein Blog schreibt.

Ist das nicht Spiegelfläche für Millionen, ist es nicht die mutige Herangehensweise an ein feministisches Problem? Das Thema „Probleme mit der Mutterschaft“ endlich mal kritisch beleuchtet? Anstatt die Frauen und Mutterschaft zu glorifizieren oder als Thema ganz aus den Kinos herauszuhalten?

Aber wie kommt es zu so einem Flop in den Kinos? Leider habe ich den Film noch nicht gesehen, was bleibt sind also wilde Vermutungen: Dass Kinobesucher keine „Problemfilme“ schauen wollen. Dass Filme ohne Action und Brutalität kein Geld einspielen. Dass man zwar die Beziehung zwischen Mann und Frau darstellen, sich dabei aber an gängige Konventionen zu halten hat: Frauen opfern sich gerne auf, es gibt zwar kleine Probleme, aber am Ende wird alles gut. Oder allein die Heldentaten des Mann sind Inhalt des Films und die Frau die hübsche, aber inhaltsleere Nebenrolle, die dann am Ende erobert, verteidigt und geliebt wird.

Es ist auch interessant zu sehen, welche Rollenbilder auf ein zahlendes Publikum attraktiv wirken: Die Frau, gesehen aus den Augen eines Mann, strotzend vor Kraft und Brutalität in „Kill Bill“ ist ein überaus großer Erfolg- die Frau auf dem Territorium ihrer biologischen Heimat- der Mutterschaft und der damit verbundenen Hürden- kein Thema für einen erfolgreichreichen Film. Vielleicht ist das Thema „Mutterschaft“ einfach zu nahe an der Realität, ohne künstlerische Fallhöhe?

Wenn man die Kommentare und Kritiken so anschaut, liest man oft etwas heraus wie „langweilig“, zu nah an der Realität, öde, wird Thurman nicht gerecht. („Die schöne,coole Tarantino-Muse Uma Thurmann als heruntergestylte nervige NewYorker-Klischeemutter, das geht gar nicht“; )

Wenn der Film nur von Männern gemieden würde, hätte ich es noch verstehen können. Die Thematik ist zu weiblich und das Beschäftigen damit zu alltagsnah und zu langweilig. Ins Kino geht man, weil man sich gerade von solchen Dingen ablenken möchte, nicht weil man die Probleme nochmal aus anderer Perspektive sehen oder gar neu interpretieren möchte.

Das schlechte Einspielergebnis deutet aber daraufhin, dass ihn selbst Frauen gemieden haben und das wiederum stimmt ein wenig nachdenklich.

Trailer und Kritiken zu New York Mom