Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Um Moral in einer besonderen Form ging es auch bei der gestrigen Reportage „Schwarz auf Weiß“ auf Arte.

Sie zeigte den als besonders wandlungsfähigen bekannten Schriftsteller Günter Wallraff in einer neuen Rolle und zwar geschminkt und „angemalt“ als dunkelhäutiger Mensch mit ausgedachter, somalischer Herkunft.

Zuerst kam mir der Film wie ein Witz vor und ich dachte, dass die Leute entweder die Maske sofort erkennen würden oder sich keine Diskriminierungen ergeben würden, da Deutschland ja als Land inzwischen so tolerant geworden ist, dass Rassismus wohl kein Problem mehr sein wird. Aber damit weit gefehlt! Allein schon die dialektische Ausgangslage zeigt, dass Wallraff ein wirklich gutes Gespür für authentische Dokumentationen und gewagte Fragestellungen mit sich bringt.

Mit diesem Film hat er mal wieder voll ins „Schwarze“ getroffen. Gezeigt wurden unterschiedliche Szenen und Begebenheiten in ganz Deutschland, die er nun mit seiner neuen Identität als Kwami Ogonno versucht zu meistern.

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Erst kommt das Fressen

„dann kommt die Moral“- Zitat aus der Dreigroschenoper

Die Frage nach der Moral ist mitunter genauso bagatellhaft wie die Frage nach dem Sinn des Bloggens. Entweder man stellt sie sich oder nicht. Entweder man entwickelt darüber das Gefühl, dass es eine Frage ist, die es wert ist, darüber nachgedacht zu werden oder man verzichtet darauf.

Wozu also Moral? Oder : was ist überhaupt Moral?

Als Laie würde ich es mir so erklären: Moralische Handlungen sind Handlungen aus dem Über-Ich (also dem Gewissen im Unterschied zum logisch-analytischen Denken und den kindlichen, emotional motivierten Absichten). Im Volksmund sagt man auch „Gewissen“ dazu. Beispiel: „Er hat gewissenhaft gehandelt“ oder das ist „ein Mensch ohne Gewissen“.

Das Gewissen ist also eine virtuelle Instanz, die bei Mensch höchst unterschiedlich stark ausgeprägt ist und als übergeordneter Gehirn-Bürokrat in die triebhaften und autonom ablaufenden, unreflektierten Handungen eingreift. Ein zu starkes Gewissen kann dabei den normalen Arbeitsalltag sehr erschweren, weil es mitunter zum Zweifeln, zum Zögern und zum Hadern führt und der „Spaß am Leben“ sich einfach nicht entfalten kann. Umgekehrt ist es bei Menschen ohne Moral, im Extremfall Verbrecher, die einfach das machen, worauf sie Lust haben und ihnen der Sinn steht. Wenn sie etwas haben wollen, holen sie es sich einfach und fragen nicht nach dem Besitzer. Aber auch der rücksichtslose Liebhaber, der sich einfach aus dem Staub macht und auf die Bedürfnisse seiner Partnerin keine Rücksicht nehmt, ist und handelt gewissenlos.

Moral ist flexibel und Deutungen unterworfen

Es ist sehr verbreitet, die moralisch verwerflichen Handlungen und das Fehlen einer Moral zu kritisieren. Wenn man genau hinschaut, ist das tägliche Geschäft der Medien, aber vor allem der Ereiferer dahinter, den Stammtischbürgern und der Volksseele (den Wutbürgern). Auf der einen Seite gibt es „alternativlose“ Pläne und Beschlüsse von moralisch dünn-besetzten Politikern und dann gibt es Wut-Aufschrei der Protestgeneration.

Alles ist letztendlich auf die Fragen des Gewissens zurückzuführen, auf die Frage nach der Moral und nach dem jeweiligen Interpretieren dessen, was richtig oder falsch ist.

Im gleichen Zug hat sich der Begriff des „Gutmenschen“ verfestigt, mit dem die moralisch attackierten „Schlechten“ den Kritikern ein Spiegel vor das Gesicht halten können. Das deutet daraufhin, dass die Moral in ihrer Besetzung flexibel ist und sogar umgedreht werden kann. Letztendlich ist für viele Menschen immer die eigene Haltung, die eigene Einsicht „moralisch“ und die der anderen, die den eigenen Thesen widerspricht „unmoralisch“. Für die einen sind Atomkraftwerke eben moralisch gut, weil sauber und effizient und für die anderen steht der Atommüll und die Gefährdungslage im Vordergrund. Moral ist eine Frage der Bewertung und es ist sehr schwer, eine objektive Moral herauszuarbeiten.

Generell denke ich aber, dass die Moral-Fragen die wichtigsten sind, weil es die einzigen sind, die das Handeln von Menschen hinterfragen, die ihn und seine Entscheidungen transparent werden lassen.

Ein starke Moral-Instanz aus früherer Zeit waren die Kirchen und ihre- zugegeben- oft zweifelhafte oder doppelzüngige Moral. Es gibt langfristig keine absolute Moral-Instanz, die ohne Fehler ist und je mehr jemand dieses für sich behaupten möchte, desto anfälliger wird er für Kritik und reale Verfehlungen. Man denke z.B. an die Vorfälle im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandalen in katholischen Einrichtungen.

Manchmal kann eine starke moralisch Atmosphäre und die Verpflichtung „moralisch“ zu sein, sogar eine Bürde oder eine Last für die Betroffenen sein und die Verstöße gegen die Moral (z.B. die Sexualmoral) dann umso reizvoller erscheinen oder das eigentliche Bedürfnis so sehr unterdrücken, dass es sich irgendwann untkontrolliert einen Lauf bahnt.

Moral und Philosophie

Die Moral und die Philosophie sind enge Verwandeten, denn auch die Philosophie fragt stets nach dem Warum, Weshalb und ob etwas richtig oder gut ist. Es kann keine normativen Erklärungen der Welt geben, ohne dabei die weitausläufigen Gebiete der Moralfragen zu streifen.

Auch die oft als moral-freie definierte Wissenschaft erreicht ihre Grenzen, wenn etwas wissenschaftlich möglich ist, aber von den Grenzen der Moral eingefangen werden muss: Zum Beispiel die Nutzung der Atomkraft, Atomwaffen, oder genetische Veränderungen an Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Frage lautet dann: Ist das überhaupt gut, was wir da machen? Ist es moralisch gesehen einwandfrei? Solche Fragen hätten schlimmeres verhindern können, denkt man z.B. an die ersten Atomwaffen-Abwürfe im zweiten Weltkrieg. Aber ein Krieg kann, wenn er erstmal entfesselt ist, nicht als der Hüter der Moral bezeichnet werden, sondern eher als deren Vernichter.

Die Moral als Solches ist im Volks-Bewusstsein und im jeweiligen Zeitgeist streng verstrickt und erinnert tlw. an die Auswirkung eines gedanklichen „Virus“ der von Vera Birkenbihl einst so anschaulich beschrieben wurde.

Moralischer Zeitgeist

Es ist z.B. derzeit unmoralisch, zu rauchen. Die Denkweise hat sich bei den Menschen (bzw. einer bestimmten bürgerlichen Schicht von Menschen) stark verbreitet und z.B. in Bayern zu einem Volksentscheid geführt, der dann das Rauchen aus öffentlichen Räumen und Kneipen verbannt. Noch vor ca. dreißig Jahren haben viel mehr Menschen geraucht, es gab Werbung im Fernsehen dazu und es war sogar „schick“ wenn man rauchte. So schnell können sich die Ansichten drehen und so flexibel ist die Moral.

Dann gibt es aber unmoralische Dinge, die schon immer unmoralisch waren und sich wahrscheinlich nicht ändern werden. Vieles findet man in den zehn Geboten oder anderen Gesetzen wieder: Jemand zu töten ist sehr unmoralisch, genauso wie stehlen, lügen, fremd gehen, usw.

Aber die Dinge können auch aufgeweicht werden, „Fremd gehen“ ist z.B. nicht mehr ganz so unmoralisch wie einst. Es gibt viele Dating-Plattformen im Internet, die sich darauf spezialisiert haben und einen bequemen Seitensprung anbieten. Auch das einst stark verpönte uneheliche Kind ist heutzutage kein Problem mehr, eine Brustvergrößerung kann machen, wer will und die Patchwork-Familien sind an der Tagesordnung. War die Scheidung vor ein paar Jahren (vor allem seitens der Frau) noch ein Riesenproblem, hat sich die moralische Bewertung dessen heute stark gewandelt. Vieles ist „normal“ geworden , was früher noch „unmoralisch“ war.

Grenzenlose Moral?

Vielleicht können die letzten Jahrzehnte mehr als je zuvor eine Befreiung des Menschen von der Moral bezeichnet werden. Alles muss schneller, besser größer sein, die persönlichen Freiheiten haben in den Industrieländern stark zugenommen und der materielle, volkswirtschaftliche Reichtum ist stark angestiegen. Natürlich kommt der Reichtum nicht bei allen an, denn durch das moralische oder nicht-moralische Handeln von einzeln wird eine ungleiche Verteilung voran getrieben. „Reichtum für alle“ war gestern und heute eine Utopie wie je zuvor und die Verfechter des Kommunismus sind „höchst unmoralisch“ (obwohl sie ja eigentlich etwas moralisch gutes wollen, nämlich Reichtum für alle..).

Diese riesige Freiheit an Möglichkeit und Entscheidungen führt aber auf der anderen Seite auch zur Unsicherheit. Wo alles möglich ist und die Grenzen der Moral ausgehebelt wurden, gibt es auch keine Grenzen mehr. Wer begrenzt unseren Konsum, wenn nicht wir, durch unsere Moral? Wer hält uns davon ab, pro Woche 20 kg Fleisch zu essen und uns mit Süßigkeiten vollzustopfen? Bestimmt nicht das Geld, bestimmt nicht der Mangel an Lebensmitteln- sondern nur wir selbst.

Die Befreiung von der öffentlichen Moral und den äußeren Grenzen ruft automatisch unsere Verpflichtung zu einer inneren Moral wach. Die innere Moral ist oft der einzige Pfeiler, der uns geblieben ist. Er muss unweigerlich wachsen, wenn wir nicht in der Fülle der Möglichkeiten untergehen und völlig den Halt verlieren wollen.

Der Mensch, so frei wie er auch ist, kann nicht ohne Moral leben. Die Moral, hat im Guten einen wichtigen Zweck: Sie ist Wegweiser und höhere Instanz, die die Dinge bewerten kann. Sie muss flexibel und darf nicht dogmatisch sein.

Die Fülle des Lebens IV

Weiterführende Informationen u. interessante Medien

Wenn ich über das Thema noch weiter nachdenke, komme ich gedanklich unweigerlich auf den Film „We feed the world“ zurück, der mich damals sehr geprägt hat und nach dem Kinobesuch nun auch im DVD-Regal steht.

Für eine volle Rezension müsste ich ihn nochmal frisch anschauen. In Erinnerung geblieben ist der Eindruck an einen authentischen, gut recherchierten Film, der die Zusammenhänge der Lebensmittelindustrie und Globalisierung aufzeigt. Welche Rolle die Politik der einzelnen Länder, die Verbraucher und die Denkweise manch großer Firmen spielen, wird dem Zuschauer dabei anschaulich vermittelt. Oder wie der Zusammenhang zu erklären ist, dass es auf der einen Seite der Welt eine maßlose, durchdesignte und technisch hochgewirtschaftete Überproduktion gibt und auf dem anderen Teil der Welt noch nichtmal das einfachste Korn gedeiht. Warum in westlichen Ländern das Thema Übergewicht an der Tagesordnung ist und die Menschen buchstäblich an Überfettung sterben und 3.000 km weiter südlich an Unterernährung.

Vor allem auch moderne Entwicklungen wie z.B. Patente auf Saatgut oder genetische Veränderungen fand ich erstaunlich. Da laufen Entwicklungen ab, die für die meisten Menschen komplett unsichtbar und verborgen sind, aber dennoch eine große Wirkung auf den Lauf der Welt haben können. Letztendlich kann man mit allen Dingen ein „Geschäft“ machen, so auch mit der Schöpfung der Erde und den künstlichen Veränderungen daran.

Alles in allem ein sehenswerter Film für den, der sich in der Thematik noch ein wenig vertiefen will.

Aber wer weiß, vielleicht kennt ihr auch noch ein passendes Buch, Blog oder Medium? Zum Thema Globalisierung, Auswirkung auf die Umwelt, Massenkonsum, Genetik?

Dann rein mit euren Tipps in die Kommentare. 😉

Tipps von Leserinnen und Lesern

Cradle to Cradle
(Müll- und schadstoffreier Produktionsweg)

Web-Links

Ein Drittel aller Lebensmittel landet im Müll

Die Fülle des Lebens III

Persönliche Gewissensbisse und poetische Geschmacksverstärker

Kommen wir nun zum schwierigsten Abschnitt der Reihe, die persönlichen Konsequenzen aus der gewonnen Einsicht. Wenn ich an „Fülle“ denke, muss ich unweigerlich auch an mir selbst herunterschauen: Ein kleiner Bauch hat sich gebildet und kleine Fettpölsterchen aus den letzten Jahren sind dank guter Ernährung und gestiegener Kochkunst etwas mehr an Umfang gewachsen. Ich gehe gerne in den Supermarkt und ich kaufe gerne ein. Bin ich nun automatisch ein böses Konsum-Monster? Hey, ich fahre sogar Autos, ich benutze einen Computer, ich verbrauche Strom, ich mag Lichterketten und eine Festbeleuchtung im Zimmer, im Winter hab ich´s gerne warm, ich esse gerne Fleisch, ich habe ein Handy, ich trinke vorzugsweise Kaffee (der hoffentlich nicht in Dritte-Welt Ländern angebaut wird) und ich trage manchmal auch T-Shirts aus dem Discounter. Ich ernähre mich ungesund, ich gehe zu Mc Donalds, ich bin weder Mitglied in einem Umweltverein, noch in der Kirche und spenden tu‘ ich nur zu Weihnachten.

Also, ich denke- ein ganz normaler Durchschnittsmensch.

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Die Fülle des Lebens II

Während der Sonntagmorgen-Kaffee noch gemütlich in seiner Tasse vor sich hindampft und hin und wieder von mir in kleinen Portionen genippt wird (heiß!), denke ich über das Weltbevölkerungsproblem nach und was es für uns bedeutet.

Vor ein paar Jahren habe ich in einem Buch vom Dalai Lama gelesen (der sich auch sehr für die Lage der Welt interessiert und interessante Meinungen dazu hat), dass es mit das drängendeste Problem für die mittelnahe Zukunft sein wird.

Warum ist das so? Ich denke, z.B. auf Grund der knapper werdenden Ressourcen.

Im Wikipedia-Artikel steht, dass es vor 75.000 Jahren nur noch 1.000 bis ca. 10.000 Menschen auf der gesamten Erde gegeben hat, auf Grund eines schweren Vulkan-Ausbruchs.

Das war so etwas wie der historische Tiefstand und was wir heute erleben, ist so etwas wie der historische Höchsstand und es wird wohl noch immer weiter gehen. (Grafik )

Wenn nur 10.000 Menschen auf der Erde leben, können sie sich alles aussuchen: Wenn sie einen Baum fällen, juckt es niemand und ähnlich wie die Indianer in den Wäldern mancher amerikanischen Kontinente können sie soviel jagen wie sie wollen und die Bestände erholen sich immer wieder (nachhaltige Wirtschaft). Bei ca. 7 Milliarden Menschen sieht es aber ganz anders aus: 7 Milliarden Menschen brauchen deutlich mehr zu Essen, was zu intensiver Landwirtschaft, zur Überdünung des Boden, zum Flächenverbauch und Umweltschäden führt. Der gestiegene Lebensstandard, die Ausstattung mit Luxus- und Konsumgütern, aber auch die Dinge des täglichen Lebens müssen alle hergestellt werden. Je höher der allgemeine Lebensstandard, desto mehr Autos werden gefahren und Kühlschränke gekauft. Dazu braucht man Unmengen an Material und Energie. Schon jetzt werden die fossilen Energieträger knapp oder künstlich knapp gehalten, die Erdtemperatur steigt auf Grund des CO2-Ausstoßes, die intensive Fleischwirtschaft führt zu Lebensmittelverknappung (oder Verseuchung) und einen hohen Methan-Ausstoß, z.B. bei Rindern (( die These ist allerdings umstritten, mehr Hintergrundinfos z.B. hier )).

Handel und Spekulation auf Lebensmittelpreise führen zur Überteuerung der wichtigen Rohstoffe wie z.B. Getreide, dazu kommt dass auf Grund des hohen Energiebedarfs z.B. Raps oder andere Biosprit-taugliche Pflanzen angebaut werden, die wiederum die Flächen für die Ernährung „verdrängen“. Hunger und Armut ist für viele Menschen schon heute ein derart grausamer Alltag, dass wir uns in der reichen EU noch nichtmal ansatzweise vorstellen können. Armut führt zur Flucht und Massen-Emigration aus den Heimatländern in reichere Regionen, was man heute schon ansatzweise an Hand der Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer oder der griechischen EU-Außengrenze beobachten kann.

Das ganze Thema ist wirklich komplex und ich könnte bestimmt noch tausende weitere Zusammenhänge überlegen und ausführen. Klar ist aber, dass das Thema Überbevölkerung und Umweltschutz ein wichtiges Thema sein wird, vor allem für alle Menschen. Ich denke, es wird kaum möglich sein, dass nationale Agendas über dem Interesse der gesamten Bevölkerung stehen können. Man sollte wirklich anfangen, global zu denken und sich als eine „Menschheitsfamilie“ zu betrachten.

Wenn wir alle letztendlich auf die 10.000 Menschen zurückzuführen sind, die sich damals im Einsatz ihrer letzten Kräfte vor dem Vulkan gerettet haben, wie können wir dann noch sauer auf unsere Mitmenschen sein oder uns von ihnen abgrenzen? Wenn sie damals nicht alles gegeben hätten, würde es uns heute gar nicht geben.

Aber dennoch, wenn ich nochmal an den übervollen Möbelmarkt von gestern denke, wie ist bei sovielen Menschen Freiheit und psychische Gelassenheit möglich? Die Enge führt automatisch zu Streß und Aggression und diese schwappt leicht über. (zu beobachten z.B. auf Autobahnen: Wenn es leer ist, fahren die Leute gelassen und ruhig und bei einer bestimmten Verkehrsdichte nimmt auch die Aggression deutlich zu).

Die herkömmliche Vorstellung von Freiheit muss überdacht werden:

Freiheit bedeutet für viele Individualität und Abschottung vor dem anderen.

Konsum und der Erwerb von Dingen beschert uns ein bequemes Leben, die gesundheitlichen und anderen Risiken werden von Versicherungen und Geldwerten abgesichert. Wir brauchen die Bande der sozialen Beziehungen nicht mehr so stark, und wenn wir mit einem Konflikt nicht mehr klar kommen, halten wir es für sinnvoller uns zu trennen (Scheidung) oder die Beziehung zu beenden, weil sie unbequem geworden ist (Freundschaft).

Wir halten uns normalerweise für frei, wenn wir alleine sein, wenn wir viel Platz um uns haben, wenn uns keiner stört, wenn sich unsere Gedanken und Taten ungehindert entfalten können. Das ist wohl die moderne Vorstellung von Freiheit eines „aufgeklärten“ Menschen im postindustriellen Zeitalter.

Ich würde aber weiter gehen und sagen, erst wenn eine bestimmte Harmonie mit uns selbst und der Umwelt besteht, können wir uns als frei betrachten. Bei sovielen Menschen ist es kaum möglich, nicht eines Tages in den Weg eines anderen zu laufen, wenn man recht überlegt, ist das sogar eher die Tagesordnung. Wir ständig von anderen Menschen umgeben, müssen uns ständig mit ihnen beschäftigen. Wir profitieren zwar auf der einen Seite von ihnen, aber die Probleme mit ihnen würde wir gerne verdrängen.

Ich staunte daher über die Leute gestern im Möbelmarkt: Obwohl es übervoll und tlw. echt unangenehm eng war, hatten die Menschen gute Laune und man wurde ständig angelächelt. Die Menschen (inklusive meiner selbst) fühlten sich in der Masse wohl. Man reibte sich Arm an Arm und Schulter an Schulter, aber doch hat sich keiner darüber beschwert. Obwohl es soviele Menschen waren, waren alle gleich und respektierten sich gegenseitig. Kein Hass, keine Panik, nur der übliche Streß, der in solchen Einkaufssituationen üblich ist.

Ich möchte das gerne (gedanklich) auf die Gesamheit übertragen können: Miteinander friedlich auf der Erde zu bleiben, könnte möglich sein. Es kommt aber sehr auf die Einstellung an. Und dass ein jeder an der Fülle und den Schätzen des Lebens teilhaben kann.

Die Fülle des Lebens

Frühling! Sonne in allen Ecken. Menschen in Massen. Autos in Reih und Glied. Es wird gehupt und gedrängelt. Hektik und Streß, Getümmel und dazwischen thront unerschütterlich die gute Laune. Positives Denken! Veränderung!

Ein Schelm wer meint, geradeaus gehen zu können. Fülle. Dichtheit und Einschränkung des persönlichen Raums, Warten in Schlangen, Gedränge. Massenkonsum. Dreckige Toiletten und nicht funktionierende Waschbecken. Trocknungspapier fehlt.

Streitende Eheleute und weinende Kinder. Mittelkleine und mittelgroße Versionen der gleichen laufen kreuz und quer oder werden wahlweise über den Lautsprecher ausgerufen, Mütter unterhalten sich munter plaudernd mit anderen. Eine volle Rolltreppe. Durchschnittsalter 35. Passt, hier bin ich unter gleichen, hier bin ich richtig. Die Marktforschung hat mich erwischt, die Werbung hat gewirkt. Wagen bis oben hin gefüllt. Ist heute Weihnachten? Nein, besser: Winter-Schlussverkauf.

Die Augen sind wieder schärfer als sonst, die Laune wieder oberhalb der imaginären Null-Linie. Das Gröbste ist überstanden und neue Hoffnung macht sich in allen noch so verstaubten (Gehirn/ Schrank-)Nischen breit. Das neue Jahr rast, braust, nein stürmt wie der Wind in die Seele der winter-geplagten Menschen.

Abends Tee und Entspannung am PC, der Tag schwankt noch etwas unter den Füßen, aber die Gedanken lichten sich schon bald. Die letzten Krankheitserreger werden abgewehrt und neue Kraft strömt in den Körper. Hände waschen nicht vergessen!

Aufbruch! Emotionaler Frühling? Nicht wirklich, aber so eine kleine Vorstufe davon.

Dazwischen ich, etwas müde, aber guter Dinge. Für das Blog war es die letzte Woche zu hektisch, aber ich hoffe, alles (inkl. der Diskussion und Kommentare) nächste Woche nachholen zu können.

Und nicht vergessen: 6,9 Milliarden Menschen auf der Erde, davon gefühlte 2 Millionen mit mir im Möbelmarkt.

Morgen wird geschraubt.

Das Erbe der Höhlenmenschen

„Freiheit statt Angst“ dieser Satz fällt mir ein, wenn ich über das Moderierungs-Problem nachdenke. Ein paar Terroisten jagen ein Hochhaus in die Luft und ein paar Wochen später, wird jeder Passagier bis auf die Unterhose gefilzt, darf nur noch 50 ml Zahnpasta, in möglichst unsichtbarer Verpackung (oder noch besser: vorsorglich bereits auf die Zähne aufgetragen) mit sich tragen, werden die Leute durch ein Raster geschickt, unterteilt nach Glauben, Ethik, Herkunft und Geschlecht. Schlaue Ingenieure erfinden Maschinen, mit denen Leute bis auf die Haut „gescannt“ werden und obwohl man sich dabei soviel Mühe gibt und mit immer größeren und intensiveren Mitteln versucht, die Sicherheit herzustellen, die es nur im Kopf gibt, scheitert man. Gegen den Terror der Angst gibt es anscheinend kein Abwehrmittel, denn die Angst entsteht im Kopf und nicht in der Waffe, dem Glauben oder der politischen Einstellung.

Angst ist etwas unsichtbares, aber doch beeinflusst sie die Taten der Menschen auf eine sehr sichtbare Weise. Ich habe Angst vor Trollen und unfreundlichen Kommentatoren. Wohin führt die Angst mich? Ich schaue automatisch nach Mitteln, die mir mehr Sicherheit versprechen, die die Aggression von anderen Menschen (die nur gefühlt wird und gar nicht real ist) abfedern, abpuffern und weicher machen soll. Ich habe also Angst vor der Aggression, Angst vor dem Hass, ich wünsche mir anscheinend eine Welt mit lauter bunten Blümchen, mit Schafen, die über die Wiese hoppeln und einem schönen, rosafarbenen Regenbogen, der sich über den tiefblauen und wolkenfreien Himmel spannt. Sieht so aus, als ob das Harmoniestreben in diesem Falle eine Schwachstelle ist.

Die imaginären Trolle (= die Terroristen) haben das erreicht, was sie wollten: Sie haben Angst und Schrecken verbreitet. Sie haben ihr hämisches Grinsen aufgesetzt, ein bisschen mit der metallisch glänzenden Klinge gescharrt und mit der Zunge geschnalzt und die Menschen haben angstschreiend das Weite gesucht. Wie beim Anblick von Piraten oder Plünderen, die über die Felder der armen Bauern herfallen. Das muss ein uralter Reflex sein: Angst schützt vor Gefahren. Lieber einmal zu früh hochfliegen, als einmal zu langsam sein und sich von der Aggression der lebensfeindlichen Natur auffressen zu lassen.

Lieber eine Sicherheitskamera mehr aufgestellt, als einmal im entscheidenen Moment zu wenig gesehen zu haben. Lieber einen Polizist mehr Streife patroullieren lassen, als es einmal zu verpassen, wie zwei Jugendliche eine alte Frau oder einen Kinderwagen auf die Gleise schubsen.

Angst bestimmt das Gemüt. Schon morgens, wenn wir die Zeitung aufschlagen, werden wir mit Angst konfrontiert: Bus rast in Auto, Kind wird von U-Bahn erfasst, Einbrecher bringen schlafenden Mann um, Jugendlicher erschlägt Vater, Frau von wütendem Mann erstochen, 3.000 Menschen sterben bei Hochwasser und eine Chemiefabrik ist explodiert.

Herje, und das alles an einem Tag? Das kann kein normaler, von der Evolution auf Angst und Überleben dressierter Mensch aushalten.

Ja, Freiheit ist eine tolle Sache. Aber lasst sie erstmal von anderen ausprobieren, bitte. Ich entscheide mich dann später, wie ich mich entscheide. Hier in meiner Höhle, ist es gerade so bequem. Ich habe da ein gemütliches Bett aus Stroh und einen dicken Felsen, der mich vor blutsaugenden, mädchenfressenden Dinosauriern schützt. Viel zu essen in der Kammer und wenn ich mal jagen muss, ist da noch mein Bruder. Der ist viel stärker als ich und gerissener. Den schicke ich vor.

Wenn er nicht zurückkommt, werde ich abends (spätabends, bei Dunkelheit!) langsam den Fels zur Seite rollen und ganz schnell, husch husch zu den Beerensträuchern rennen und ein paar von den roten Beeren pflücken. Aber nicht so lange, nur zehn Minuten. Circa..

Still, da raschelt etwas in den Blättern, ich muss mich beeilen. Bis später dann!

Die Intensiv-Gefühle-Überlastungschutz-Firewall

im echten Leben suche ich sie noch

Ich möchte nur kurz etwas zum „Kommentare moderieren“ sagen, weil ich diese Funktion in den letzten Monaten öfters angestellt habe. Ich weiß, dass das etwas umstritten und bei manchen Bloggern sogar verpönt ist. Dennoch fühle ich mich dabei wohler, wenn ich alle Kommentare moderiere.

Die Gründe sind recht einfach: Ich räume dem Blog eine feste Tageszeit ein, meistens ein oder zwei Stunden am späten Vormittag, und kommentiere dann die aufgelaufenen Beiträge. Während der anderen Stunden mache ich was anderes und abends lasse ich den Computer oft aus. Ich sehe mich nicht gezwungen, ständig auf mein Handy oder Netbook zu schauen und ständig mit allen und jeden in Kontakt zu bleiben. Je intensiver die Web 2.0- Dienste werden, desto mehr schrecken sie mich in ihrer Notwendigkeit, ständig verfügbar sein zu müssen, ab. Das ist auch der Grund, warum ich im Moment so wenig auf Twitter schreibe, der Reiz des Dienstes ist für mich derzeit verflogen. Es gibt ja viele Blogger, die sind von ihrem Blog auf Twitter übergesprungen und bloggen nun gar nichts mehr, aber das kann ich kaum nachvollziehen. Bei mir ist es eher umgekehrt, allein schon weil ich so gerne lange Texte schreibe und mich diese Begrenztheit der 140 Zeichen doch sehr stört. Der freie Geist soll sich an die Bytes- geizige Maschine anpassen? Eigentlich ist es doch total paradox, wenn man lange genug darüber nachdenkt… fehlt nur noch, dass man per SMS Schluss macht oder einen Heiratsantrag stellt, was es bestimmt alles schon gegeben hat.

Ich sehe das Blog und seine Rückmeldungsfunktion eher wie ein Mittelding aus Zeitung und Leserbrief an und möchte mir daher für jeden einzelnen Kommentar Zeit lassen. Außerdem kann ich nicht ausschließen, dass negative Kritik kommt und ich möchte mir davon nicht den Tag verderben lassen (dafür scheint die Sonne zu schön).

Wenn man die Kommentare moderiert, gibt es auch ein paar Nachteile. Der eine ist, dass sich keine „Live-Diskussion“ zwischen verschiedenen LeserInnen ergeben kann, so wie ich das mal vor ein paar Jahren hatte, als sich eine sehr intensive Diskussion aufbaute und ich mich am Abend durch mehr als dreißig Kommentare lesen musste! (Ich glaube, bei dem Google-Artikel)

Ansonsten ist es der einzige Schutz, den ich als Bloggerin vor Spam und Trollen habe. Nicht, dass ich besonders viel Ärger mit Trollen hätte, aber wenn sie zuschlagen, dann meistens dann, wenn man nicht damit rechnet. Und ich möchte nicht, dass das hinter meinem Rücken passiert, während ich gerade beim Essen bin und die bösen Trolle dann mein virtuelles Wohnzimmer verwüsten! Und meine gute Laune gleich mit… das ist es einfach nicht wert.

Ja, die schöne Weltoffenheit und Toleranz, sie kennt ihre Grenzen. Gesunde Grenzen, so hoffe ich. Vor allem möchte ich wissen, was die LeserInnen darüber denken. Ob es in der Form okay ist oder ein nicht moderiertes Blog höher geschätzt wird?

Vier und eine Geschichte

über das Schreiben

Das Schreiben klappt in der letzten Zeit wieder besser und allein in den letzten Tagen habe ich mir ca. vier mittelgute Geschichten ausgedacht und sie einfach so „runtergeschrieben“. Nur bei der Veröffentlichung, da schrecke ich noch etwas zurück, es klappt in der letzten Zeit nicht mehr so einfach wie früher. „Zu privat“ denke ich mir oder „da ist zuviel von mir drin“. Dazu kommt die Selbstentblößung vor einem Publikum, die mental sehr anstrengend sein kann, wenn man sich nicht 100- Prozentig sicher ist und die Texte einiges an persönlichen Gefühlen enthalten.

Und wer ist sich schon immer 100- Prozentig sicher? Bei einem wackeligen Projekt wie einem „Kunstprojekt“ oder so etwas flüchtigem wie reinen Gedanken und in Text gegossenen Emotionen kann man das nur schwer vorhersagen. Manchmal verflüssigen sie sich im Anschluss und werden wieder heiß, nass oder eisig-kalt… im Austausch mit anderen leben die Gefühle, und wenn man sie für sich behält, werden sie starr. Wenn man sie austauscht, kann man verletzt, angegriffen und kritisiert werden- wenn man sie für sich behält nicht. Wenn man die Texte veröffentlicht, braucht und erhält man dadurch automatisch eine innere Stärke.

So oft habe ich es mit dem Blog erlebt, dass ich mich beim Schreiben frei gefühlt habe und dann ein paar Stunden hinterher nochmal über die Texte nachgedacht und die Veröffentlichung dann bereut habe. Wenn ich ehrlich bin, ist das eher die Regel als die Ausnahme. Wirklich authentisch und „ehrlich“ zu sich selbst gegenüber Texte zu produzieren, erschafft auf der einen Seite lesenswerte Texte und gute Kunst, wie immer man sie auch definieren mag. Die authentischen Gefühle eines in eins-zu-eins abgebildeten Seelendiagramms ist durch eine konstruierte Geschichte kaum zu ersetzen.

„Vier und eine Geschichte“ weiterlesen

Neujahrsansprache, zerpflückt

Mal wieder gibt es: eine sehr schöne Auseinandersetzung mit der politischen Rhetorik und der „Wahrheit“ dahinter, auf den Nachdenkseiten.
Diesmal geht es um die Neujahrsansprache der Kanzlerin. So sehr würde man sich als BürgerInn etwas Nettes, Aufrichtiges wünschen, so gerne hätte man das Gefühl, für „die richtige Sache“ zu arbeiten.
Dass das mit den Banken, Steuern und der Arbeitslosigkeit alles keine Lüge ist, dass die Deutschen wirklich fleißiger als die anderen sind und nicht nur von ihren aggressiven Exportüberschüssen und der auf den Schultern der Bürger ausgetragenen „Lohnzurückhaltung“ profitieren.

Nach dem Lesen des Artikels verfliegt dieser Optimismus allerdings ziemlich schnell. Die andere Frage: Gab es ihn je?

Menschen arbeiten gerne für das Gemeinwohl, das ist eigentlich ihre Natur und eine wichtige moralische Grundlage. Nur schade, wenn man bemerkt, wie dieses Bestreben an anderer Stelle und von Leuten mit mehr „Macht“ torpediert wird. Oder es sich nicht mehr lohnt, „noch mehr zu geben“.

Die Nachdenkseiten bewundere ich für ihre genaue Recherche, für die Kenntnis der Zusammenhänge, die schon fast jenseits eines guten Zeitungsjournalimus stehen, dass es alles kostenlos ist und sie den Mut haben, die unbequemen Wahrheiten auch zu formulieren.

Es sind diese Blogs, die die Demokratie wachhalten und den Blick für das Wesentliche schärfen.

Nur die Freude an der Demokratie, die darf man sich dabei nicht verderben lassen.