Bloggen und Vernetzen , Teil 2

Teil 3, Teil 2 und Teil 1

In diesem zweiten Teil will ich nochmal auf das soziale Vernetzen von Blogs zurückkommen. Blogs zu vernetzen macht aus verschiedenen Gründen einen Sinn; neben den menschlichen Aspekten und psychologischen Vorteilen möchte ich vor allem den Fall herausnehmen, dass sich Menschen zusammen für eine gute Sache begeistern lassen und zusammen an einem Strick ziehen. Da der Wahlkampf vor der Tür steht, bleibt auch die Frage, wie die Menschen sich aktiv politisch engagieren können und wo man dabei am besten ansetzt.

Wenn das mit dem Blog vernetzen so einfach wäre, würde es tausende von gut vernetzten Blogs geben, Gemeinsamkeiten, Leute die sich zu großen Meinungsknoten zusammengeschlossen hätten und nun gemeinsam die gesellschaftlichen Probleme lösen. Nach meiner Beobachtung gibt es sowas aber meistens nicht. Es gibt zwar vernetzte Blogs und Blogs mit vielen Lesern, aber es gibt in Deutschland fast keine Blogs, die sowas wie meinungsbildend sind und auch ein politisches Gewicht hätten (okay bis auf die wirklich wenigen, großen, die alle kennen). ((Wie immer, wenn ihr rühmliche Ausnahmen kennt, dann schickt mir bitte Links oder meldet euch in den Kommentaren. Ich kann bis hierhin nur über Blogs schreiben, die ich kenne, lese oder irgendwo gefunden habe, aber natürlich nicht stellvertretend für alle Blogs reden.))

Blogs kann man, was ihre Vernetzung angeht, in verschiedene Kategorien teilen:

  • die „einsamen“ Blogger, die für sich selbst schreiben und für die das eigentliche Schreiben das wichtigste am Hobby und am Blog ist; diese sind unbelehrbar, aber unabhängig; sie wollen eigentlich keine Diskussion, sondern nur eine Meinung, nämlich ihre eigene; Sie sind sehr zäh im Verteidigen ihrer eigenen Meinung und ziemlich humorlos; sie sind Einzelgänger und Grübler, und keine Spaßkanonen; Vorteil: Sie haben die Fähigkeit, wirklich frei von anderen Meinungen etwas objektiv und kritisch zu beurteilen und kommen der klassischen Journalistenrolle sehr nahe; Nachteil: Man kann keine oder nur schlecht Beziehungen zu ihnen aufbauen
  • die Extrem-Kommentierer und Quassler, die überall kommentieren und entsprechend viel Rückmeldung bekommen; Vorteil: Sie kommen viel rum und erfahren oft als Erste, was so angesagt ist; da sie sehr aktiv sind, kommt bei ihnen auch viel zurück und die „Ausbeute“ ist höher als bei den einsamen; der Nachteil: sie kommentieren meistens nur um des Kommentars willen, aber nicht weil sie wirklich Zuneigung zu einem Menschen pflegen oder ein Interesse teilen, das sehr tief und dauerhaft wäre; diese Freundschaften zerbrechen dann auch sehr schnell, weil sie meistens keine Grundlage haben
  • die „qualitativen“ Vernetzer; diese haben nur sehr wenige Kommentierer und wenige Links in der Blogroll, pflegen diese Kontakte aber sehr gut; sie kommentierern sich regelmäßig und gegenseitig; Nachteil: diese bilden oft geschlossene Cliquen in die man nur schlecht reinkommen kann; wenn ein Blog von der Gruppe ausfällt, kann das nicht so schnell kompensiert werden; Inhaltlich treten diese Gruppen meistens auf der Stelle und sind auch meistens wert- und meinungskonservativ
  • Die Mehrfach-Vernetzer: ihnen reicht es nicht zu kommentieren oder zu twittern, nein sie telefonieren auch noch, machen Treffen aus, adden sich auf Facebook und chatten im Messenger miteinander; Vorteil: Man lernt die Leute so besser kennen, die menschlichen Beziehungen werden gestärkt; Nachteil: Es kostet sehr viel Zeit; man kommt sich sehr schnell sehr nahe; obwohl die Beziehungen hier auf vielen Ebenen aufgebaut und gehalten werden, sind auch diese auf Grund von Meinungsverschiedenheiten nicht immer dauerhaft

Blogs und soziale Schichten

Ein anderes Problem sind die Menschen und die sozialen Schichten, die sie repräsentieren. Da die bildungsfernen, ärmeren Schichten auch meistens keinen Computer haben oder diesen anders nutzen, ist die Quote der gut gebildeten, reichen, bürgerlichen Schicht recht hoch. ((infolgedessen haben ärmere Leute auch schlechtere soziale Netzwerke, wie man z.B. bei Wikipedia nachlesen kann; die Fähigkeit sich zu vernetzen, muss gelernt werden, ebenso braucht man die drei wichtigen Ressouren Bezahlte Arbeit, Geld und Zeit, um ein Netzwerk aufbauen zu können)) Das Bild, das also von der Gesellschaft auf Twitter oder Blogs gezeichnet wird, entspricht nicht der gesellschaftlichen Realität von allen, sondern nur eines kleinen Teiles.

In sich geschlossen, entsteht für diese Gruppe ein homogenes, realistisches Bild, dieses ist aber nur ein abgeschnittener Teil der restlichen Gesellschaft.

Diese reiche bürgerliche Schicht zeichnet sich durch verschiedene Faktoren aus; das Solidaritätsgefühl mit Schwächeren ist schwach ausgeprägt, die Verfügbarkeit über Geld und Zeit ist hoch; das politische Interesse gering; man vertreibt sich eher die Zeit, als dass man aktiv handelt oder Probleme löst.

Wirkliche menschliche Probleme kommen also nur im seltensten Fall in die Blogosphäre, meistens überwiegt der Spaß- und Freizeitfaktor. Sobald „echte Probleme“ auftauchen, sinkt die Hilfsbereitschaft.

Dies ist eindeutig kritisch zu bewerten, da es Problemansätze aus dem Volk heraus verhindert und die Politikverdrossenheit zusätzlich fördert.

Die reiche, bürgerliche Schicht sollte ihre Verantwortung zur gesellschaftlichen Verbesserung ergreifen. Es kann nicht reichen, wenn alles indirekt über den Staat und die Sozialausgaben abgewickelt wird. Dieses indirekte Helfen über Geld fördert nur die Gräben, löst aber nicht die Ursachen.

Eine Frage der Technik

Die dezentrale Vernertzung im Internet fördert das Abgelenktwerden. Da alle auf der gleichen Stufe stehen, herrscht sowas wie Informations- aber auch Meinungschaos. Es gibt nicht „das Blog“, das alle kennen müssen, es gibt nicht „die Meinung“, die immer Bestand hat, weil alle Sekunden neue Meinungen in die Blogs schießen und man auf Twitter ständig etwas neues lesen kann. Nur die stärkste, am häufigsten geäußerte Meinung kann sich langfristig durchsetzen, nicht die qualitativ beste. Dies führt zu einer gewissen Auswahl an Meinung, zu einer Selektion der starken Meinungen zulasten der Schwächeren. Politisch und menschlich sinnvolle Meinungen sind aber meistens „schwache Meinungen“.

Ich habe mich mal in verschiedene Blogverzeichnisse eingetragen und auch hier festgestellt, dass sich die Popularität nicht von alleine einstellt, sondern man danach nur in einem Archiv liegt, wo tausende andere auch liegen. Das Interesse am eigenen Blog kann erst dann entstehen, wenn der Autor aktiv wird und „als Mensch“ auf andere zugeht.

Mangelnde Emotionalität und Zurückdrängen des Privaten

Gefühle scheinen im Ausverkauf zu liegen. Es ist so schwer, menschliche Beziehungen zu anderen im Internet aufzubauen, weil jeder diese Maske des Perfekten, des Unantastbaren trägt. In den Medien wird die Angst vorm Privaten so heftig geschürt, dass sich diese Gefühle tatsächlich aus der Online-Welt verabschieden. Angst ist der natürliche Gegner der Freiheit.

Eine latente seelische Krankheit der Gesellschaft, die Gefühle und Menschlichkeit zulasten der Wirtschaft und Leistungsprinzipien opfert, kommt erschwerend hinzu (siehe hierzu auch die Bücher von Peter Lauster).

Nationale Mentalität

Neulich im Supermarkt: Hunderte von Menschen kaufen ein, doch es herrscht Stille. Die Deutschen machen ihre Arbeit, doch sie lachen nicht dabei. Frust an der Schlange, jeder stellt sich artig an. Unsichtbar geleitet, verhält sich jeder Deutsche korrekt, ordentlich- ohne dass er dazu aufgefordert worden wäre. Obwohl wir alle lange warten müssen, beschwert sich niemand- der Deutsche ist ein angepasster Zeitgenosse. Lautes Herumschreien und offenes auf andere zustürmen, liegt ihm nicht so.

Der Deutsche liebt die Ordnung, die Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit. Worte und Blogs sind aber sehr chaotisch und meistens das Gegenteil von dem, was er so vergöttert. Die Folge: Der Deutsche meidet Blogs. Sie sind ihm unheimlich.

Ein Wahlkampf über Twitter oder Blogs zu führen, wie man es aus der USA kennt, ist in Deutschland so gut wie unmöglich. Die Deutschen sind weder begeisterungsfähig, noch besonders politisch interessiert. Die Deutschen lassen sich politisch gerne führen, sie übernehmen aber ungerne eine aktive Rolle. Die Rolle des Meckerers ist ja auch viel bequemer. Wer will schon selbst Hand anlegen?

Mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit des Mitgefühls

Warum soll man sich mit anderen vernetzen, wenn man sich selbst hat? Warum mit anderen zusammenarbeiten, wenn man Geld hat, das für einen arbeiten kann? Warum sich auf die Schwierigkeit der Kommunikation mit anderen einlassen, wenn man einen Fernseher hat? Warum den Schwachen, Armen, Behinderten helfen, wenn ich mit Hilfe der Abwrackprämie meinen Autohändler glücklich machen kann?

Mangelnde Solidarität ist ein gesondertes Blogthema, das näher untersucht werden muss. Es führt, zusammengefasst aber dazu, dass die Menschen kontaktarm sind und sich nicht gerne miteinander vernetzen. Wo ich keine Motivation habe, werde ich nichts ändern, wo ich nichts ändere, bleibt stets alles gleich.

Die Folge: Ein Wahlkampf, der nicht auf Touren kommt.

Fazit:
Wer ein gut vernetztes, qualitativ gepflegtes Blog mit vielen Links, offenen Autoren und einem großen- auch im echten Leben gepflegten- Freundeskreis hat, der hat alles richtig gemacht.

Ausblick auf den nächsten Teil

Im dritten Teil sollte es vor allem um praktische Aspekte gehen. Wo vernetze ich mich, wie geht das mit dem Kommentieren und wo erfahre ich am besten, was angesagt ist?

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Weiterführende Links

  • Blog Patenschaften– Soziales Engagement vernetzen
  • in der realen Welt vernetzen
  • Vernetzt euch; ausführlicher Artikel zum Thema
  • Studie über soziale Netzwerke
  • Über die Nachteile virtueller Freundschaften
  • Soziales Netzwerk bei Wikipedia „Ressourcenreiche Netzwerke mit einer hohen „supportiven Valenz“ fördern Sicherheit und Gesundheit. “ > sind aber leider oft bildungsabhängig

4 Gedanken zu „Bloggen und Vernetzen , Teil 2“

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