Ministry of Writing

Vorgärten, Wälder, Dankbarkeit

Nun, da stehe ich inmitten dieser gepflegten Vorgärten, in diesen 90 Grad Winkel genauen Abbilder eines strengen Geistes, der sich nach Regeln sehnt. Wildes Wachstum, zementiert in Geradlinigkeit. Weiße Wände, sauber und klar. Gekehrte Auffahrten, sauber gepflasterte Terrassen ohne Fehler, klar abgesteckte Blumen und ordentlich hingestellte Blumengefäße.

Gärten, in die man sehen kann, die vor Zeigen und Gesehen werden wollen nur so strotzen -und dann doch so langweilen. Langweilig, wie Werbung. Sauber und kalt, wie eine Durchsage, wie ewig nach kopiertes und immer neu gefiltertes. Schön, ja- aber auch gleichgültig.

Im Grunde ist der Garten Quell der Natur und Wildheit und doch lieben so viele Menschen diese ordentlichen Gärten. Ich bin umgeben davon und erschrecke mich davor.

Wie ein Donnergrollen in der Idylle erscheinen die vier jungen Menschen auf den zwei Motorrädern, die so plötzlich die spießige Haardtrand-Idylle mit ihren knatternden Motoren am frühen Abend durchbrechen. Eine Frau nimmt ihren Helm ab, langes Haar kommt darunter zum Vorschein, vorher hätte ich sie eher für einen Gangster gehalten. Sie schaut mich streng an, eine Mischung aus Verlangen, Neugierde und Sehnsucht ist zu erkennen. Aber auch Abwehr und kritisches Mustern. Ich gehe schnell weiter, ich spüre Unheil und Aggression. Und auf das Gespür zu hören, ist immer ein guter Rat.

Was aber stört mich an den Gärten genau? Mich stört, dass ich keine Wildheit, keine Ungezwungenheit sehe. Dass alles so ordentlich, sauber und scheinbar übersichtlich und „perfekt“ ist. Dass die gepflegten Menschen der Mittel- und Oberschicht Ideale vertreten, die sich wiederum auf die ganze Gesellschaft auswirken und sie in einer Zange der Macht und Unterwerfung halten. Wie die Unterschicht lebt, ist eigentlich egal: diese prägen die Gesellschaft nicht, sie sind mehr eine Folge der Gesellschaft, von schlechten Aufstiegschancen, widrigen Arbeitsbedingungen, Ausbeutung, Dumping-Löhnen und allen anderen Argumenten die das linke, politische Spektrum so bieten kann. Oder soll man sagen, dass die „Unterschicht“ selbst daran schuld sei, sich selbst zu produzieren und nichts aus ihrem Schicksal zu machen? Dass sie vielleicht faul und ungeeignet sind? Welches Argument hat mehr Kraft?

Wie auch immer, kann ich nur beschreiben, was ich sehe, und das sind die Gärten der Mittel- und Oberschicht – und mir wird klar, warum es in Deutschland nicht voran geht. So ängstlich und unfrei, wie die Gärten gestaltet sind- und mögen sie noch vor Liebe, Blumen und Vielfalt glänzen, offenbaren Unfreiheit. Sie offenbaren ein Ideal aus Reichtum und Erfolg, welches aber nur eine Fassade darstellt. Sie gleichen einem Rundgang durch die meisten deutschen Blogs, die auch vordergründig und perfekt sein wollen und das dahinter liegende immer nur ankratzen, nie erreichen oder gar aufwühlen.

Der neu gemachte Gehsteig von geschätzten 200 Metern Länge z.B.: Er ist so kalt geworden. Funktional ja, aber auch kalt. Verzinktes Metall, und graue Steine. Das sieht nach nichts aus. Ordentlich, ja—-praktisch, vielleicht— teuer: gewiss— aber hübsch?

Kein Unkraut wagt sich noch durch, keine Pflanze kann dieser Bastion aus Stein und Willen etwas dagegen halten, Sturheit überwiegt. Sturheit der Steine.

Und zwischendrin, ziemlich sichtbar, quer, rebellisch und dunkel, erzeugt es einen so deutlich und unübersehbaren Kontrast, offenbart die 200 Gramm schwere Hinterlassenschaft eines Hundes den ganzen Widerspruch des gesellschaftlichen Dilemmas und der kollektiven Seele unserer Gegenwart.

Dreck passt nicht. Unaufgeräumtes ist unberechenbar. Schmutz gehört verboten, Reinheit muss her. Sauberkeit, Übersicht- und doch ist das echte Leben frei und chaotisch. Der all zu saubere Mensch verkommt, wird von seiner Seele abgeschnitten, ist einsam, perfekt und – kalt. Und vor dem Dreck des Lebens schützen kann er sich auch nicht. Dreck ist Leben.

Ich bin nur froh, dass dieser Ort so fest eingebunden ist in die heilende Kraft des Waldes, der mich immer und immer wieder neu erquicken kann. Im Wald steht alles, wofür das Leben steht, das Gute und Schöne und Heilsame. Der Wald hat die Kraft, mich nach nur einer halben Stunde Aufenthalt völlig zu reinigen und mich die Welt neu sehen zu lassen. Keine Fernsehsendung der Welt, kein Genussmittel und auch kein Essen hat diese Kraft. Der Wald ist so einfach und doch so perfekt. Der Wald ist Natur, Leben. Er riecht gut, er besteht aus einer so mannigfaltigen Anordnung der Gerüche, dass mir die Worte fehlen. Einmal der sandige Boden. Die warme Sonne auf der Borke der Bäume. Die geschnittenen Bäume am Wegesrand hüllen den Wald im Mai mit einem feinen Duft- so wie eine Frau sich abends ein Parfüm auflegt, so duftet der Wald nach Holz. Kerniges, frisches Holz aus Kiefern wie ein offenes Glas aus Honig vermengt mit frischem Cannabis. Würzig und stark, intensiv und verlockend. Unendlich.

Hummeln säumen den Wegesrand und verrichten ihre fleißige Arbeit. Sie lassen sich nicht beirren. Sie schauen nicht einmal, sie fragen nicht, sie arbeiten einfach. Die Hummeln wirken auf mich glücklich. Die Blätter auch, die feinen, wie sie sich im Wind wiegen. Ein wenig Sonne durchlassen, manchmal viel, feine Strahlen, die sanft auf die Haut prallen und tlw. versiegen, mir neue Kraft geben. Danke, Wald.

Danke, dass es dich gibt!

Nie Gewesenes- Quellen der Fiktion

Live-Blogging Part 1

Der letzte Schluck Schöfferhofer Weizen prickelt über meinen Rachen und ich denke mir „aaah“. Gar nicht so schlecht, dieses Getränk. Fein-herbe und süß mit einem Hauch von Hefeweizen- Nachgeschmack. Dabei nur 2,5 Umdrehungen und recht gut zu vertragen, auch für heulsusende, zartbesaitete, dünn gebaute und wenig Alkohol vertragende Weibchen- wie mich :).

Die Erinnerungen der letzten Tage prasseln ähnlich wie der Alkohol an meiner äußeren Gehirnrinde vorbei, ohne sich groß einzulassen, aber auch nicht ohne Unruhe und Gefühlsstrudel der Wankelmut zu hinterlassen.

Der Radiosender, mein Lieblingsvertreter Sunshine Live, hämmert leise im Hintergrund und eine recht hohe Frauenstimme schickt ihre Liebesbekundungen über die trancig-treibende Melodie. Sie versetzt mich in einen sanften Zustand der Trance, in einem Gleichmut der Gefühle, in ein Hoch- ein Hoch von dem es sich aus gut schreiben lässt.

Nun, meine lieben Leserinnen und meine lieben Leser, lasst mich euch eine Geschichte erzählen, eine Geschichte über mein Leben. Wo aber soll ich anfangen? Das ist stets die gleiche Frage.. die mich quält und peinigt und schlussendlich überwunden werden will- stets aufs Neue den Anfang wagen, das ist mein Motto.

Viel passiert ist nicht, nein vielmehr zeichnet sich der feinfühlige und etwas freakhafte Autor dadurch aus, dass er aus wenigen Sinneseindrücken viel macht, dass er aus der scheinbaren Belanglosigkeit und Oberflächlichkeit der Welt auch noch das Letzte, wie beim Zerquetschen einer Zitrone, herausholt.

Dabei streichelt mir mein Hund zart den Oberschenkel und will mir sagen „hab mich lieb“.

Nachdem der Autor es nun in nur wenigen Absätzen geschafft hat, Perspektive, Ort und Zeit, Geschlechter, Personen und Handlungsbezüge gleichermaßen zu tauschen und zu wechseln, bleibt nur noch die Frage: Was bleibt? Und ich hauche Dir mit einem fruchtigen, promillelastigen Atem, „nichts“ in dein Ohr.

In diesem fatalistischen Ausgeburt meines kranken Gehirns prägt sich stets neu ein Muster, dass ich nicht festhalten kann, dass nun mal auch keine Bedeutung hat. Es fließt einfach.

Nennt es Quell für Krankheit, nennt es Quell der Kreativität, nennt es mich, nennt es Mensch, egal wie, es ist. Ich bin.

Ich habe mich z.B. heute Mittag dabei erwischt, dass ich kurz vorm Einschlafen war und im Traum etwas gesagt habe. Da es nur ein recht dünner Schlaf war, geschah etwas Erstaunliches: Ich wachte auf und sprach im Geiste diesen Satz. Ich wurde wacher und wacher und dachte über die Bedeutung oder den Sinn des Satzes nach, nur um wiederum kurz darauf festzustellen, dass er absolut überflüssig und sinnlos gewesen war- und ich noch nichtmal mehr wusste, in welchem Kontext er geäußert wurde!

Dieser bedrohliche, gewiss Angst einflößende, vielleicht auch belanglose Zustand meines Geistes passt gut zu meinem derzeitigen Leben und meinen tieferen inneren Mental-Zustand.

Seit langem kann ich mal wieder stolz und fest behaupten: Ich fühle mich depressiv, bzw. die Depression hat mich wieder.

Was aber ist die Depression und woran erkenne ich sie? Wohlgemerkt, es ist eine leichte Depression- vielleicht auch einfach nur eine Verstärkung meiner natürlichen Grundstimmung des Zögern, Zauderns und Grübelns (anbei: ich habe den Unter-Titel des J.A. Blog geändert, doch dazu evt. später mehr).

Aber dennoch bin ich inzwischen mit meinen über dreißig Jahren – und diverser erlebter „Depressionen“ soweit zu erkennen, dass es eine ist. Ich habe keine Angst mehr davor, denn ich weiß, dass ich schon viele davon- u.a. eine sehr schwere überlebt und überstanden habe. Nein, ich lächle sogar und freue mich, denn es bedeutet, dass Neues kommen wird. Dass sich Altes auflösen und neues beginnen kann.

Depressionen sind Äußerungen des Geistes, alles Bestehende grundsätzlich in Frage zu stellen. Nicht unweigerlich alles, aber doch zumindest geläufige Quellen des Glücks und des Zeitvertreibs. Mein Blog z.B.: Nie zweifelte ich so sehr darüber, wie heute und jetzt. Nie habe ich soviel über den „Sinn des Bloggens“ nachgedacht, wohl wissend, dass es Abschaum, Ekel und Gelächter, vielleicht sogar Sarkasmus, Voyerismus und Sadismus der geneigten, heimlichen Leser, wecken wird. Ich stelle mich dar. Das Blog ist Spiegel meines Selbst und derzeit ist es ein so hässlicher, trauriger Spiegel voller Fragen und ohne Antworten.

Ich stelle mich vor ein Publikum und erkläre, dass ich nichts weiß. Dass ich ein Clown bin, der das Lachen verlernt hat und dem eine Träne aus Salz über das Gesicht kullert. Der über Liebe schreibt, aber doch so oft schon unglücklich verliebt war. Der über Freundschaften schwadroniert, aber keine hat. Der sich immer und immer wieder lächerlich und blöd macht und meint, dahinter auch noch einen Sinn erkennen zu können! Wie arm!

Ich schaue mir meinem Blog an, mein „Kunstwerk“ aus mühsam zusammen gefrickelten Zeilen, meine lose Ansammlung von Papiernestern und Unvollkommmenen und meine, es wäre „mein Werk“. Wie ein unerwachsenes Kind, dass eben einen ersten Strich aus blauer Kreide gezeichnet hat und nun felsenfest das gleiche behauptet.

Ich bin so stolz auf die zwei Euro Werbeeinahmen, dass ich fast einen Orgasmus bekomme und dass ich davon erregt werde. Dass ich in den Spiegel schaue und die große, gesellschaftsprägende Autorin der Nation erkenne. Dass ich mich zart über den Popo streiche und mich an meinen schönen, weiblichen Formen erfreue, mir in meinem langen blonden Haar herumwühle und mich unwiderstehlich finde! Dass ich mit einem freundlichen Lachen durch die Welt gehe und meinem einvernehmenden Wesen auch noch die letzten Zweifler auf meine Seite- die Seite der puren Weiblichkeit- ziehe!

Ohja, davon träume ich und ich träume mir meine Welt so bunt- so schön. Wie sie vielleicht nie war.

Nun- whatever in meiner Seele steht, ich finde es ist die Pflicht einer jeden Autorin, und wenn sie noch so unberühmt, unerfolgreich und geistig arm ist, darüber zu schreiben, was ich gesehen habe, euch gleichermaßen den Spiegel vorhalte, den ich in meinem Geist erkenne, was ich erlebt, gesehen und gefühlt habe.

Damit möchte ich beginnen, doch das wird ein neuer Text!

Also gemach.. 😉

Der Frühling- im Jahr 2160

Lange hatte er sich versteckt, man meinte, er wäre völlig verloren gegangen. Ein halbes Jahr hatten wir ihn nicht gesehen, uns innerlich von ihm verabschiedet- uns auf Dunkelheit, Nass und Grau eingestellt. Dann- mit einmal- brach er aus seinem Versteck und überfiel uns innerhalb weniger Stunden. Das Thermometer kletterte stündlich bis zur Mittagsstunde und mit der Zeitumstellung hatte der Tag plötzlich eine Stunde länger Licht als sonst. Alles ging sehr schnell. Wie ein gut geplanter, strategisch geplanter Feldzug einer Großmacht, waren die Armeen der Dunkelheit wehrlos gegen diese Breitseite aus Sonne, Wärme und guter Laune. Doch er hatte auch seine Nachteile im Gepäck: Der Staub und Dreck, der sich im Winter überall angesammelt und abgelagert hatte, wurde nun deutlich sichtbar. Die Fenster glichen einer großen Tarnnetz aus Schmutz und Erdfarben, die Fensterbänke lagen versunken in einem Meer aus Staubpartikeln der angrenzenden Baustelle. Die Sonne zeigte uns dieses Bild nun sehr deutlich und niemand konnte sich noch davor verstecken.


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Die Erd-Mission 2

—– hier geht´s zum ersten Teil —–

Es dauerte nicht lang und das Expeditionsraumschiff war über dem Himmel von Tibet angekommen. Die Mannschaft drückte sich die Nase an den Panorama-Fenstern platt und stürzten die mitgereiste Putzfrau angesichts der vielen Abdrücke auf der Scheibe in eine tiefe Sinnkrise. „Da- ich kann einen Berg sehen“ rief der Wissenschaftler.. „ich sehe Schnee, oh ich liebe Schnee!“ freute sich die Praktikantin. „Ob wir auch den Dalai Lama treffen werden?“ fragte sich der Ethik-Beauftragte Moses Petemal und setzte die Stirn in Falten. Das hatte er schon oft gemacht, denn seine Stirn war tief zerfurcht von Zweifel- und Sorgenfalten.

„Nun Kinder, jetzt ist es also gleich soweit…“ der Kapitän erhob sich vom Stuhl, räusperte sich und wollte eine kleine Ansprache halten. Seine Haare waren schon etwas licht auf der oberen Schädelhälfte, aber gekonnt kämmte er die Haare so, dass es niemanden auffiel. Ein wenig Gel noch und sie hielten garantiert den ganzen Tag lang. Er war stets bedacht, seine beste Seite zu präsentieren, schließlich war er der Chef und durfte keine Schwachstellen zeigen. Ihm war klar, dass er das unangetastete Vorbild für seine Mannschaft war und diese Rolle liebte er.

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Die Erd-Mission

Außerirdische blicken auf unsere Welt

Mit ihrem kleinen Expeditionsschiff hatten sie die weite Strecke bis zur Erde endlich hinter sich gebracht. Ihre Langstreckensensoren waren sehr stark und zuverlässig und den Menschlichen weit voraus. Schon vor ein paar (irdischen) Jahrhunderten hatten sie unseren Planeten entdeckt, und da er nun mal nur einer unter vielen war, beschloss man, die lange Reise von einem Team aus Wissenschaftlern und Piloten-Neulingen machen zu lassen, die dabei ihren ersten Orden verdienen konnten.

An diesem sonnigen Frühlings-Montag kreisten sie also mit aktivierten Tarnschild über unserem Luftraum und verschafften sich einen ersten Überblick über unsere Spezies. Die Radioempfänger waren dank Auto-Kalibrierung und Übersetzungsprogrammen schnell auf die menschlichen Frequenzen eingestellt und nach kurzer Zeit kamen die ersten Botschaften aus den Lautsprechern. „Ah sieh an“ sagte der Käptn Pius Hiergehtslang „mir scheint, die große Kulturleistung der Erdlinge sind Werbung und Gewinnspiele…“ er lauschte andächtig den hastigen Worten der Radio-Moderatoren. „Nicht zu vergessen die vielen einzigartigen Werbeblöcke“ fügte sein erster Offizier Kalle Oberschlau hinzu. „Die Menschheit ist besessen von den vielen Einspielern, man räumt jedem Sender 240 Minuten Werbung am Tag ein, die Menschen lieben das“.

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Verliebt & Erwischt

Verliebt

Im Grunde habe ich es ja schon lange gewusst. Dieser Mensch ist einfach etwas Besonderes. Er war mir von Anfang an aufgefallen, die Haare so duftend, das Gesicht so rund und weich, der Gang geschmeidig. In jeder Zelle ihres Körper pulsiert das Leben, eine geheimnisvolle Aura umstrahlt ihre Haut. Und wenn sie erst ihren Mund aufmacht! Leute, das müsst ihr mal hören. Da ist kein Raum für blödes Gelaber…. Dieser Mensch ist Anmut in Person!

Kein Wunder, dass ich sie so liebe. Sie hat Verstand, politische Bildung und Intellekt. Sie kennt die meisten Filme, hat einen guten Geschmack, kann kochen und ist gut im Bett.

Ich liebe diese Frau. Männer sind immer so kantig, hart, haarig und grob. Frauen haben diesen Sinn fürs Feine, eine musikalische Ader vielleicht oder literarischen Geschmack. Ständig ist sie in dieser bezaubernden melancholischen Stimmung, macht etwas aus ihrem Leben, macht sich rar, verschenkt sich nicht. Ist selbstständig, selbstbewusst und hat gute Manieren. Sie lässt sich nichts sagen, hat eine eigene Meinung und besteht auf dem Prinzip Gerechtigkeit und Fairness.

Ich liebe diese Frau.

Sie ist fantastisch, sie hat alles, was ich möchte, ich hab es schon gesagt. Schaut euch diesen Körper an, gestylt, trainiert und gelenkig. Kein Alter, keine Wunden, die Reinheit in Perfektion! Und dieser Augenausdruck, das romantische und verspielte, es ist einfach hinreißend! Moment mal, die Augenbraue da kommt mir bekannt vor und auch diesen Mitesser habe ich schonmal gesehen… sieh an, diese Strähne, die kenne ich doch.

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Erwischt
Lange hatte er gewartet. Diesen einen Moment genau abgepasst. Er hatte heimlich auf sie gewartet, ihre Bewegungen genaustens studiert, sich bei ihr eingeschleimt, ein paar Späher losgeschickt. Er wollte alles über sie erfahren und er war sicher, inzwischen wusste er das Wichtigste. Wie ein Tier hatte er Fallen aufgestellt, sie eingekreist, wie ein Jäger hatte er Schaum im Mund und konnte es nicht mehr erwarten.

Heute war der Tag endlich gekommen, der Tag an dem seine Bosheit auf die Erde niederfahren sollte. Er freute sich, rieb sich die Hände und konnte sich kaum noch halten vor Geilheit.

Er ging in sich, entfaltete seinen Plan, schob die volle Kraft in seine Pläne und legte los. Nach wenigen Stunden hatte er erstes Land erobert und war endlich in ihrer Nähe, endlich sichtbar. Endlich wurde er beachtet!

Sie krümmte sich vor Schmerzen und fluchte laut, was seine positiven Emotionen noch mehr beflügelte. Schnell breitete er sich aus und machte sich un-umkehrbar. Nun würde sie sein sein, niemand käme mehr an sie heran, endlich hatte er sie für sich! So entstellt wollte niemand was mit ihr zu tun haben und er war am Ziel!

Der Mann in Weiß wich von ihrem Körper zurück und dachte kurz nach. Dann räusperte er sich und sprach:

„Ein eindeutiger Fall von Herpes Simplex, Frau W.. Ich verschreibe ihnen eine Salbe. Achten sie in Zukunft auf ihr Immunsystem.“

Sehnsucht

Stunde um Stunde hatte sie jetzt am Computer gesessen und Seite um Seite im Internet angeklickt. Sie war von einer Shopping-Seite auf die nächste gesurft, ständig dabei, die Preise zu vergleichen und zu überlegen, wo es noch etwas günstiger gewesen sein könnte. Nebenbei hörte sie innerlich Musik und hatte einen großen Spaß daran, die technischen und ästhetischen Details aller Produkte zu untersuchen, auf die so gestoßen war. Egal welche Produktgruppe, in dieser Woche hatte sie irgendwie an allem Gefallen. Ob das nun exquisite Kleidung, teure Möbel, aufwändige Bilder, geniale Mp3-Player oder andere Spielereien für den Computer waren. Ständig entdeckte sie was Neues und stellte sich vor, ihr eigenes Zimmer, das Haus oder gar das ganze Leben mit diesen Dingen einzurichten. Was würden die anderen sagen, wenn sie das gekauft hätte? Würde sie bewundert und geachtet werden? Welches Produkt würde sie benötigen, um ihren Ruf zu verbessern? Wo gäbe es am meisten Beifall, wo den meisten Neid? Welches Produkt würde man kaufen müssen, um den anderen zu beeindrucken, zu gefallen oder zu schmeicheln?

Welche Rolle würde sie spielen wollen, auf welche Farbe hatte sie gerade Lust, welches Gimmick fehlte noch in ihrem Leben? Im Moment war sie bereit für Neues, und wollte alles zusammen, das merkte sie ganz klar.

Sie träumte sich auf diese Weise ihr Leben bunt und verbrachte Stunden und Tage in diesen Welten. Im Geist war ihr ganzes Leben auf diese Weise verbracht und ausgestattet. Viele nette Menschen würde sie treffen, fröhliche Gespräche führen und endlich mal wieder in der wärmenden Sonne spazieren gehen.

Sie würde sich vielleicht neu verlieben, einen netten Mann kennenlernen. Für ihn würde sie sich sehr hübsch machen und nur die feinsten Stoffe verwenden. Mit ihrem neuen Handy würde sie ihn anrufen, in der neuen Lederhandtasche ihr Handy verstauen, den neusten Lippenstift in pink für ihre natürliche Aura verwenden.

In einer stillen Nacht würde sie ihn mit dem neusten Duft verführen, herzlich umarmen und innig küssen, nur um dann ganz leise in seine Hosentasche zu greifen und sein Portmonai zu entlocken.

Von dem auf diese Art und Weise gewonnenen Geld würde sie sich endlich neue Massivholz-Möbel kaufen- oder wer weiß, vielleicht gleich ein neues Haus? Ein hübsches, am Strand. Ein gemütliches in den Bergen. Oder beide? Dazu ein Auto, ein neues. Im glänzenden Rot, vielleicht in Schwarz. Es hätte einen guten Motor, zuverlässig und stark. Ihr perfekter Begleiter für weitere Abenteuer in der Nacht.

Ihr Aussehen würde sie bei der Kosmetikerin verbessern, beim Friseur die Haare stylen lassen und letztendlich bei ihrer privaten Psychologin die Sorgen abstellen.

Wenn das alles nicht helfen würde, würde sie ein paar von diesen Pillen im Internet bestellen. Die würden die Welt bestimmt sehr schön machen. Da war sie sich sicher.

Und wie sie gerade so am Sinnieren war, da kam jemand von hinten und legte ihr die Hand auf die Schulter „So Frau W. nun wird es aber Zeit…“

Es war die Gefängnis-Wärterin. Sie forderte die junge Frau auf, den Gemeinschafts-Computer zu verlassen und wieder in ihre Zelle zurückzukehren.

Leise seuftze sie, als sie sich vom Stuhl erhob. Vielleicht im nächsten Leben..

Die Bleifigur

Mit einmal wurde es Winter. So schnell wie nie hatte sich das Wetter verlagert, im Grunde war es einfach umgekippt wie ein toter Fisch. Ein paar Sonnenstrahlen im August, nur um dann in ewige Monotonie und Gleichgültigkeit zu verfallen.

Der Regen weinte seine Sorgen aus sich heraus.

Die junge Frau hatte sich- wie immer- soviel vorgenommen, aber letztendlich zog sich der Tag doch eher wie altes Kaugummi, denn wie frisches junges Gras.

Die Deutschen war wieder deutsch, perfekt bis in letzte Detail, genau, streng, langweilig. Die Nachbarn waren zurückgezogen, die Anrufe blieben spärlich, im Radio wurde dummes Zeug erzählt und auf übertrieben lustig gemacht. Die Leute im Radio waren so wie ewig im Karneval, kaum vorstellbar, dass sie sich nicht verstellten und tatsächlich immer so lustig und potent sein konnten.

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Hausfrauenschicksal

Zu allem Überfluss hatte jetzt der Computer auch noch den letzten Text verschlungen und sich auf ein Weiteres dumm und ungeeignet gezeigt, der jungen Frau die Arbeit abzunehmen. Nachdem sie schon im Supermarkt mehr orientierungs- und richtungslos umhergeschweift war und sich darüber geärgert hatte, dass ihr ständig die Einkaufswägen vor die Laufroute geschoben wurden, war das der notwendige Tropfen, der sie völlig aus dem Gleichgewicht brachte.
Erhellend wirkte da nur die Zeit, die die Menschen mit einem gemütlichen Plausch in aller Ruhe verbrachten, während andere gehetzt von einem Regal zum anderen liefen und in der Sparte „Berufstätig und wenig Zeit“ eine seltene Besetzung des derzeitigen Kundenstamms darstellten. So wunderte es auch nicht, dass die meisten Einkaufswägen eher spärlich beladen wurden und die Leute sich viel Zeit nahmen, die Angebote und Preise zu vergleichen, um ja das richtige Produkt zu wählen. Den ganzen Tag schon war die junge Frau in einer weinerlichen Stimmung gewesen, die ungefähr gestern begann, als ein schon seit geraumer Zeit verschicktes Paket zurückkam, nur weil das Lesegerät der Post die Schilder mit Absender und Empfänger verwechselt hatte.

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Eine Insel- Teil 2

SI3

Erster Teil

Als sie endlich angekommen war, wurde es schon dunkel. Der schöne Sonnenuntergang hatte sich in ein dunkles, intensives Blutrot verändert und in der Ferne sah man ein kleines Segelschiff als Silhouette auf dem Horizont… Sie war etwas aufgeregt und als sie sich an den kleinen Tisch mit Blick aufs Meer gesetzt hatte, merkte sie, wie ihr Herz heftig am Hals pochte. Durch sie Aufregung war sie sehr schnell gelaufen, schneller als normal. Ein wenig Angst hatte sie, dass sie vielleicht zu spät sei und er jetzt endlos warten müsste. Doch er war zum Glück noch nicht da. Sie hatte ein wenig Zeit, über die Runde der anwesenden Gäste zu schauen, einen kleinen beobachtenden Blick aus dem Augenwinkel zu starten. Viel war noch nicht los. Das Lokal war für die guten Live-Musik bekannt und da heute Freitag war, ging das Ganze erst spät los. Sie bestellte sich einen Tequila und ein Glas Mineralwasser mit Zitrone.

Eigentlich hatte sie auch Hunger, aber durch die Aufregung würde sie garantiert keinen Bissen herunterbekommen. Mit zittrigen Fingern kramte sie in ihrer kleinen Handtasche und holte einen schwarzen, glänzenden Spiegel hervor. Mit fachmännischem Blick musterte sie schnell ihre Gesichtskonturen und die Textur des Makeups. Keine Ränder am Hals und auch der Mascara und der Eyeliner hielten noch. Beruhigt klappte sie ihn wieder zu und atmete tief durch.

Beinahe wäre ihr langweilig geworden, da setzte schwere, E-gitarrenbasierte Musik aus den Lautsprechern ein. Sie war etwas laut eingestellt, aber die junge Frau mochte es. Augenblicklich kippten ihre Gefühle um. Sie merkte, wie der Alkohol wirkte und sich ihr Denken veränderte. Der Rhythmus des Schlagzeugs belebte das Denken und Fühlen.

Die Farben an den Wänden erschienen ihr plötzlich intensiver und leuchtender. Ihrem Magen tat der Schnaps nicht gut, da sie keine Grundlage gelegt hatte. Mutig bestellte sie noch einen Zweiten. Sie wollte sich Mut antrinken.

Nach dem dritten und auch nach dem vierten Glas war er noch immer nicht gekommen.

Etwas besoffen blickte sie in das Glas und stellte sich vor, er würde aus dem Glas kriechen. Das eine Auge hielt sie sich zu, mit dem anderen stierte sie auf den Boden des kleinen Gefäßes.
Doch soviel wie sie blinzelte, er kam nicht heraus. Sie wurde langsam unruhig, ungeduldig und als er nach dem sechsten Glas immer noch nicht da war, bezahlte sie, stand auf und verließ genervt den Raum.