Gender-Unterschiede in Blogs

Gestern kam von verschiedenen Stellen ein Artikel auf mich zu, was wiederum zeigt, wie wichtig er bestimmten Personen war und wie gut die Quervernetzung im Netz funktioniert.

Es geht um das Thema „Blogs von Frauen“ und die Frage, warum Frauen nicht in der Zahl im Netz vertreten sind und gehört werden wie Männer.

Ich möchte einfach die prägnanten Thesen herausgreifen und dann meine (persönliche) Meinung dazu formulieren.

Hinweis: Da ich wieder vermute, dass es -wie bei allen Gender-Themen- viele Kommentare dazu geben wird, werde ich die Moderations-Funktion anschalten und nur solche Kommentare freischalten, die einer bestimmten Netetiquette genügen, freundlich und sachlich sind. Außerdem wünsche ich mir mehr Kommentare von anderen Frauen, da es schließlich auch um sie geht!
Dafür wird der Artikel dann in jedem Fall im Netz stehenbleiben und nur bei groben grammatikalischen oder inhaltlichen Fehlern nachträglich korrigiert werden.

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Im ersten Absatz wird eine Statistik herangezogen und die Autorin kommt zu dem Schluss, dass die geschlechtliche Vertretung im Netz nicht ganz identisch ist (nämlich 79% der Männer und 65% der Frauen). Dieser Unterschied wäre noch zu vernachlässigen, auffälliger wird es in den „Blogcharts“ , eine viel zitierte Seite, die die Bedeutung und vor allem den Verlinkungsgrad und den Einfluss von Blogs misst.

Der erste, von einer weiblichen Person betriebene Blog landet auf Platz 46, davor sind es alles Männer.

Auffällig ist vor allem die inhaltliche Verteilung der Blogs, dass Frauen mehr Tagebuch-Einträge schreiben und Männer mehr „für die Öffentlichkeit relevante Themen“. Aber hier darf man schon die erste Frage stellen und Zweifel anbringen: Ist es denn so wichtig, unbedingt in diesen Charts vertreten zu sein? Und wer bestimmt eigentlich, was für die Öffentlichkeit relevant ist? Wir haben hier nicht nur ein Wahrnehmungs-, sondern auch ein Interpretationsproblem.

Wenn Frauen persönliche Einträge schreiben und sich mit ihren Blogs lieber um gute, soziale Kontakte kümmern oder mit Hilfe einer nach innen gerichteten Nabelschau ihre Gefühle verarbeiten, was ist daran auszusetzen? Die Frage muss dann nicht lauten: Warum gibt es so wenige weibliche Bloggerinnen in den Charts, sondern: Warum werden weibliche Themen soviel anders „bewertet“ ? Warum gibt es für weibliche Themen weniger Verlinkungen und weniger Machtgeplänkel um den Einfluss und die Bedeutung herum? Vielleicht weil das zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die überhaupt nicht zueinander passen?

Wirklich diskriminierend finde ich daher nur die Art der Fragestellung, den rhetorischen Rahmen, der über die Realität und den Status Quo gespannt wird: Frauen sind nur gut und wertvoll, wenn sie mit den Männern gleichziehen können, wenn sie sich in Bereichen behaupten können, die klassisch männlich besetzt sind. (Gleichbedeutend damit: Frauen sind nur wertvoll, wenn sie eigenes Geld verdienen und sich von einem Mann loslösen können- überspitzt formuliert)

Der Reiz der Geschlechter und der sexuellen Anziehung liegt aber auch gerade an den Widersprüchen und der Unterschiedlichkeit. Schonmal überlegt, dass Frauen gar nicht gleich sein wollen? Oder dass sich Männer mit Beeindruckungs-und Machtposen vor den Frauen absichtlich stark positionieren wollen? Man sollte also auch fragen: Warum ist es dem männlichen Geschlecht so wichtig, nach Macht und Einfluss zu streben und warum werden Männer immer auf die Rolle des Machers, des gefühlskalten Analysten und des pausenlosen Arbeiters reduziert? Der zudem die Familie ernähren muss?

Und auf der anderen Seite: Macht man die Frauen nicht per se unglücklich, wenn man die Fragestellung so formuliert? Kann es nicht eine Minderwertigkeit und sogar eine Abwertung von Weiblichkeit sein? Warum kann man diese Weiblichkeit und dieser andere Art der Lebensbewältigung nicht einfach akzeptieren? Ich persönlich empfinde es (als Frau!) abwertend, wenn ich mich mit solchen, rein technischen Charts messen soll und mein Wert dann indirekt nur über die Verlinkung erkannt werden soll. Das ist der typische, feministische Bemessungsrahmen „von oben“ und er stinkt mir, auf deutsch gesagt. Ich möchte selbst entscheiden dürfen, was gut und wichtig ist. Oder was ich als „weiblich“ und für mich wichtig empfinde.

Der Wert eines Blogs und vor allem einer Person liegt in vielen Dingen, aber er liegt ganz sicher nicht im Grad der Macht oder der Anzahl der Personen, die irgendwo ihren Senf ablassen. Wer das für sich erkennen kann, wird frei von diesen Belangen und ich schätze persönlich(!) solche Menschen höher ein, als diese, für die es extrem wichtig ist, immer und überall gehört werden zu müssen (das ist nämlich kein wirkliches Zeichen von Stärke, eher von Geltungssucht). Aber das ist wiederum auch mein persönliches Dilemma meiner persönlichen Einschätzung von Menschen und Situationen und damit ist es: weiblich! Ein „Genderproblem“. Aber mein eigenes, kein gesellschaftliches.

Etwas später wird in dem Artikel behauptet, dass die Sozialisation an allem Schuld sei, dass man mit der Ausbildung eines bestimmten Rollenbildes (z.B. über Spielzeug) Frauen in eine Rolle drängt und sie dann wie aus heiterem Himmel jegliches Interesse an Jungspielzeug und Jungsdingen verlieren. Dagegen sprechen aber aktuelle Hirnforschungen und andere Studien und die Frage nach der Rolle und der Prägung über die Gesellschaft ist höchst umstritten. Fakt ist z.B. dass es große Unterschiede in den Gehirnen, schon von Geburtsseite her gibt und dass die Geschlechter dadurch unterschiedliche Lebensthemen wählen und eben auch „von innen heraus“ andere Interessen haben (das festgelegte Geschlecht eines Menschen ist im wesentlichen eine Kopfsache, aber keine erlernbare, sondern eine unveränderliche).

Nicht umsonst wollen viele Frauen heutzutage immer noch Friseuse oder Model werden und die Männer KFZ-Mechaniker oder etwas mit Technik. Die Frage muss also lauten: Was war zuerst: das Identitäts-Geschlecht oder die Sozialisation? Und ich denke, dass dies die Kernfrage für den aktuellen Feminismus sein müsste.

In vielen Fällen kann man die Identität einer Person und die von ihr bevorzugten Lebensbereiche auch mit Gewalt, mit Zureden, mit Umerziehung, mit Quoten und allen anderen Dingen nicht ändern. Wichtig ist: Die Identität eines Menschen zu akzeptieren und sich nicht immer auf Vergleiche mit anderen einzulassen (in diesem Fall die von den Männern dominierte, kämpferische Außenwelt, die sich auf Macht und Status gründet).

Aber dennoch zeigt der Artikel, dass es eine Diskriminierung dahinter geben kann, die kaum sichtbar ist: Nehmen wir die Blogs. Ein Blog kostet Unmengen an Zeit und möchte man einen annehmbaren hohen Verlinkungsgrad und entsprechenden Einfluss erlangen, muss man extrem viel Zeit verbringen und : Man muss auch gut sein. Das ist die natürliche Auslese in einem marktwirtschaftlich-orientierten Gesellschaftssystem, zu dem leider auch die derzeitige Blogosphäre und deren geistige Inhalte gehören. Nur nett sein alleine reicht da nicht.

Da Frauen auf Grund der gesellschaftlichen erzwungenen Doppelbelastung durch Familie, Kinder, Haushalt und Beruf meistens alle Hände voll zu tun haben, ist es kein Wunder, dass sie insgesamt weniger Zeit in ihre Arbeit stecken können, wenn sie nicht die anderen Dinge vernachlässigen möchte. ((Politisch wird das christlich-konservative Hausfrauenmodell immer noch gefördert und dann ist da noch die stets offene Frage mit der Kleinkindbetreuung)) Und welche Frau möchte ihren Mann vernachlässigen oder sich nachsagen lassen, dass sie keine gute Mutter wäre, weil sie ständig am Computer sitzt? Hier greift dann die Ungerechtigkeit über die „Rollenbewertung“ und das ist dann eine wirkliche Diskriminierung. Denn eigentlich dürfte eine Frau genauso viele Freiheiten haben wie ein Mann, genauso viel arbeiten und sich genauso lautstark Gehör verschaffen. Eigentlich. Könnte, dürfte, wenn….

Ungerecht ist es, wenn Frauen nicht die gleiche Zeit mit Technik und Computer verbringen können und sie in einem traditionellen Partnerschaftsmodell nicht ausreichend entlastet werden. Hier greife sich jeder Mann und jedes zu lang daheim gebliebene Kind mal an die Nase und frage sich, ob für die Mutter & Frau genug getan wird? Oder immer nur gefordert und erwartet? ((dies ist die eigentliche Grauzone der Diskriminierung, die man mit politischen Mitteln nur schwer erreichen kann))

Meine Vermutung ist daher, dass eine Frau genau den gleichen Erfolg erreichen könnte, wenn sie nur genügend Zeit und Energie in bestimmte Projekte stecken würde und auch langfristig den entsprechenden Ehrgeiz hätte, so gut wie die Männer zu sein.

Die Frage hinter dem Artikel muss also auch lauten: Warum gibt es so wenige Frauen mit dem entsprechendem Ehrgeiz? Ich denke nicht, dass es an den Fertigkeiten oder „den Genen“ liegt. Ich denke, dass es für viele Frauen derzeit weder erstrebenswert noch möglich ist, ein zeitintensives und Macht/ Streit geprägtes Medium wie ein Blog zu führen und führen zu wollen. Das Problem ist eine Mischung aus gesellschaftlichen Rollenerwartungen/ Chancen, tatsächlicher Lebensrealität (Bloggen kostet Zeit und Geld) und eigene Geschlechtsrollen-Interpretation. (wie weiblich o. wie männlich will ich sein?)

Vergleichbar sind die Vertretungen in anderen Berufen, die viel Arbeit und Ellenbogen verlangen und eher als Männerdomänen gelten: Führungspositionen, Politische Ämter, Aufsichtsräte.

In einem Absatz des TAZ-Artikel steht weiter: „Frauen empfinden es eher als Missbrauch einer sozialen Beziehung, was für Männer normal ist: Netzwerken, um voran zu kommen.“ Dies ist ein Hinweis darauf, dass es auch eine Art der Eigen-Bewertung ist, die im Weg steht. Um wirklich voranzukommen, reicht es nicht, bestehende Rollenmodelle zu kopieren, sondern man muss auch bereit sein, neue Wege zu gehen und ich finde: Man sollte vor allem die ganzen Zweifel endlich beiseite legen.

Im besten Fall können solche Artikel dazu beitragen, dass der Ehrgeiz geweckt wird, im schlimmsten Fall: Können sie das eigene, passive weibliche Rollenbild nur zementieren und in die Resignation führen („ich bin eben Frau, ich kann nichts daran ändern“).

Denn das Modell der hemdsärmeligen „Powerfrau“ liegt nicht jeder.

Die, die es kann, sollte ihre Chance ergreifen. Und dann sollte man sie auch lassen.

5 Gedanken zu „Gender-Unterschiede in Blogs“

  1. Da dachte ich schon, ich fände in Deinem Posting garkeinen Punkt, den ich ernsthaft kritisieren könnte – und das bei einem Geschlechterthema!

    Aber dann hast Du ja zum Glück das Thema der Doppelbelastung der Frauen erwähnt. Laut der Studie „Wo bleibt die Zeit?“ des statistischen Bundesamtes wenden im Durchschnitt Männer (minimal) mehr Zeit in der Summe von bezahlter und unbezahlter Arbeit auf (mit der Ausnahme von nicht erwerbstätigen Rentner-Paaren, wo die traditionelle Rollenverteilung wohl noch durchschlägt):
    Seite 15 von http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/frueher/wobleibtdiezeit,property%3Dfile.pdf

    Wenn Du also nicht unterstellen willst, daß all die „erfolgreichen“ Blogger ihre Aktivitäten auf Kosten ihrer jeweiligen Arbeitgeber entfalten, mußt Du diesen Erklärungsansatz wohl verwerfen.

    LG, LL

  2. Hallo Laufleser,

    schön, dass du etwas zu meckern findest. 😉 Ich dachte schon, hoffentlich merkt keiner, dass ich das Ende des Artikels, wo es um die wirklichen Fragen der Diskriminierung geht, die Argumentation etwas verwaschen und dann schnell beendet habe. Denn so richtig wohl ist mir beim im -wunden- Punkt- herumwühlen nicht und man muss im Feminismus höllisch aufpassen, dass man die „richtigen“ Diskriminierungen von den „falschen“ unterscheidet. Oft ist eine Diskriminierung je nach Wort-Bedeutung auch keine bösartige Schlechterstellung eines Geschlechts, sondern einfach ein Ungleichgewicht (eine Trennung), das/die sich beinahe unbewusst abspielt und dann von beiden Geschlechtern übernommen wird (die „Rolle“ eben). Und nur über die Rolle können wir diskutieren und bewerten, über die „Identität“ nur schlecht. Für viele Frauen gehört z.B. eine mütterliche Identität so fest zum Selbstbild, dass sie von der Rolle nur schwer zu trennen ist.

    Deine verlinkte Statistik ist ganz interessant, danke dafür. Der Bereich der persönlichen Zeitverwendung ist schwierig zu überschauen, umso besser wenn es dazu Zahlen gibt.

    Ich hatte eine andere Statistik im Hinterkopf, die besagt, dass Frauen traditionell mehr Hausarbeit machen als Männer. In deinem PDF findet sich darauf ein Hinweis auf Seite 10: Frauen verbringen 63% im Haushalt, Männer nur 46%. Frauen drücken sich dafür etwas bei den handwerklichen Tätigkeiten (1% !!) , die dafür von Männern gemacht werden (10%).

    Interessant ist die Zahl, dass Männer 26% mit Einkaufen verbringen, Frauen aber nur 20%. Mal ganz ehrlich: Im Supermarkt treffe ich jedes Mal auf gefühlt 90% Frauen, ich frage mich, wie das zusammenpasst (die Erfahrung mit der Statistik?). Aber das nur am Rande.

    Bei der Pflege ist es ungefähr gleich (7/10%), dafür haben Männer doppelt soviel Zeit für das Ehrenamt (12%) wie Frauen (6%). Ist ein Blog auch als Ehrenamt anzusehen oder eher als „Beruf“ ?

    Nochmal zu deinem Argument: Du fasst die Summe der Tätigkeiten zusammen, aber auf Seite 15 geht doch eindeutig hervor, dass Frauen z.B. mit Kindern, Mann und Beruf 7:20 Stunden (!!!) mit nicht bezahlter (!!!) Arbeit verbringen und dann gerade mal statistische 9 Minuten für ihren Beruf haben. Wo ist da die Gerechtigkeit? Der Mann kann in dieser Konstellation satte 5:30 Stunden für den Beruf aufbringen, das ist wohl das Modell „die Frau hält dem Mann den Rücken frei“ und wenn nicht, schimpft die Schwiegermutter oder die Scheidung droht. Da möchte ich keine Frau sein.

    Und nochmal die Frage: Ist ein Blog Hobby oder ist es als „Job“ anzusehen, mit dem man an die Spitze kommen kann? Ich denke, bei den Profi-Bloggern ist es in dem Ausmaß auf jeden Fall etwas Job-ähnliches. Man kann sogar Geld damit verdienen, wenn man entsprechend viel Einfluss hat (z.B. über Werbeeinnahmen, Flattr, Werbeaktionen und ähnliches). Und jeder weiß, das ein gutes berufliches Netzwerk nur mit permanenter Präsenz aufgebaut und gepflegt werden kann.

    Um also eine gute, weibliche Bloggerin zu sein, müsste man… Moment mal nachschlagen in der Sparte: „Ohne Kind, beide erwerbstätig“ rutschen (dann bleiben noch 4:28 Stunden für den Job). Dann ist man in den Augen der Gesellschaft aber die böse, kinderlose, studierte Karrierefrau, und sowieso eine Hexe… und das will keine (normale) Frau, weil Frauen meistens Familie wollen und Vereinbarkeit. Also haben Frauen keine Profi-Blogs.

    Insgesamt sind Zahlen immer mit Vorsicht zu betrachten und ich gebe zu, dass es schwierig ist, allein nach der Zeit eine Diskriminierung festnageln zu wollen, weil die freie Zeit ja auch etwas selbstgewähltes ist und sehr in den persönlichen Lebensbereich und die Autonomie hineinreicht. Politisch wird man daran auch nichts ändern können, Frauen müssen selbst entscheiden, was sie wollen und/oder sie brauchen einen sehr toleranten Partner, der sie in ihrer Berufswahl unterstützt.

    Dennoch bleibt die Frage etwas unbeantwortet: Warum verbringen so wenige Frauen ihre freie Zeit mit Blogs .. (wenn schon in der freien Zeit, dann werden es blümchen-gespickte Tagebuchblogs, die keiner ernst nimmt) und warum ist es für Männer so wichtig, ganz oben in den Charts zu stehen? Wofür sie dann höchstwahrscheinlich auch ihre berufliche Zeit aufbringen? Freie Journalisten z.B.

    Hast du noch irgendwelche Vorschläge, Kritik oder Erklärungsansätze? Würde mich sehr interessieren.

    Mit freundlichen Grüßen, Julia

    ps: Du fragtest im vorletzten Kommentar nach einer Vorschaufunktion. Ich biete nur die Möglichkeit, den Kommentar nachträglich zu korrigieren, du kannst bei Nichtgefallen auch eine Löschung beantragen. Mit der Vorschaufunktion muss ich nochmal extra schauen, ob es da ein gutes Plugin gibt.

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