Zeit der Aktivität

Lyon Stadtansicht (im Frühling)

 

Die letzten Tage waren sehr sonnig, ungewöhnlich warm und trocken. Auch jetzt regnet es immer noch nicht richtig. Die Feinstaubbelastung in den Städten ist sehr hoch, viel höher als normal.

Die Franzosen haben sich schon beschwert, dass die deutschen Kohlekraftwerke den Smog in den Westen blasen… bei meinem Besuch in Frankreich bin ich aber zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen: Die Luft in Frankreich ist schlecht, viel schlechter als in Deutschland, obwohl die Besiedlung und Industriedichte niedriger als bei uns ist (vor allem ist das Autobahnnetz auch nicht so dicht).

Ein Problem scheint eher das Umweltbewusstsein zu sein: Nicht selten, dass wir hinter einem richtigen „Stinker“ hergefahren sind, ein Auto ohne jeglichen Kat oder sonstige Vorrichtungen. Das Laufen an einer vielbefahrenen Straße ist in den größeren Städten eine richtige Qual. Natürlich ist das auch in Deutschland nicht toll, aber in Frankreich kam es mir noch giftiger vor. (schwer zu beschreiben, ist ein subjektiver Eindruck).

Im Hotel gab es eine Elektroheizung und im Bad gab es nochmal einen Heizlüfter und einen Föhn. Alles mit dem guten alten Atomstrom…. Über Energie scheinen sie sich in unserem Nachbarland ganz andere Gedanken zu machen. Auch Windräder sieht man viel seltener als bei uns. Unweigerlich drängten sich bei mir die Gedanken auf, dass Energiepolitik in Europa eigentlich viel einheitlicher, viel „zentraler“ organsiert werden müsste. Das wäre zumindest wichtiger, als ständig Dinge wie Staubsauger oder Kaffeemaschinen-Warmhalter zu verbieten.

Ansonsten ist Frankreich aber ein ausgeprochen schönes, freundliches Land und die Leute scheinen viel höflicher und aufgeschlossener als in Deutschland zu sein. Kundenfreundlichkeit wird groß geschrieben. Von der viel beschriebenen und tlw. schon „dämonisierten“ Abwehr der Franzosen gegen Deutsch- oder Englischkenntnisse habe ich nicht viel mitbekommen. Von den Franzosen, die ich kennengelernt habe, haben alle wenigstens ein paar Brocken Englisch gesprochen. Das mussten sie auch, denn meine eigenen Französisch – Kenntnisse gehen gegen Null und wurden nur kurz vorher mit ein paar Schnelllern-Programmen und Android-Tools aufgepäppelt (demnächst folgt evt. mal ein Bericht darüber). Vor allem die jüngeren Semester scheinen alle Englisch für ein paar Jahre auf der Schule gehabt zu haben. Was ein wenig fehlt, ist natürlich die Praxis. Und der Akzent ist ganz lustig anzuhören. 😉 (Wahrscheinlich so, wie mein Französisch-Akzent, Bonjour!)

Die Natur ist sehr schön und das Essen sowieso. Die Küche ist viel feiner als bei uns, es gab mehr Gänge, kleinere Portionen, die man dafür mehr genießen muss. In Deutschland liegt der Fokus oft sehr auf dem Hautpgericht und alles andere läuft so nebenbei oder wird ganz weggelassen (z.B. Salate oder Brot als Beilage). Auch ist die Wurst- und Fleischkultur eine ganz andere als bei uns. Zum Frühstück gab es immer nur eine Sort Wurst und die hat nicht besonders gut geschmeckt. Das habe ich in Hotels in Deutschland schon ganz anders erlebt. Dafür waren die Salate wesentlich abwechslungreicher und die Süßspeisen waren viel besser (z.B. Croissants).

Ich hab die sonnige Zeit der letzten Wochen für Aktivitäten genutzt und bin nicht viel zum Bloggen gekommen. Auch jetzt muss ich eher dazu zwingen, mal „innezuhalten“ und über das gelebte zu schreiben. Die Phase der Aktivität wird von dem ersten Tiefdruck seit langem etwas augebremst. Schon seltsam, wie abhängig man von dem Wetter ist!

Das Innere einer Kirche (Blick nach oben an die Decke)
Das Innere einer Kirche (Blick nach oben an die Decke)

 

Das Brötchenlabyrinth

Auf der Suche nach einem Kulturgut

Wozu brauchen Menschen eigentlich Mitgefühl? Wenn man so an einem normalen Alltagstag durch den Supermarkt oder die Fußgängerzone schlendert, kann man sich die Frage schonmal stellen. Alle hetzen durch das Leben, getrieben von ihren Pflichten, Ängsten und Sorgen. Man sieht unterschiedliche Gesichter, alle sind verschieden. Aber wer genau versucht, die Menschen anzuschauen und nicht gleich den Blick wieder abzuwenden, wird feststellen, wie wenige Menschen wirklich „sehen“. Wie wenig Menschen wirklich aufmerksam sind und sich für ihre Umwelt interessieren.

Im Supermarkt verhalten sich Menschen oft Roboterhaft, aber ohne das Vorhandensein jeglicher KI (Künstlichen Intelligenz). Sie heben einfach die Waren in den Wagen, stellen den irgendwo hin und gehen an die Kasse. Sicherlich, vom Markt und Konsum ein erwünschtes roboterhaftes Verhalten. Aber wie wenig Menschen nehmen Rücksicht auf die anderen und stellen den Wagen so, dass z.B. alle durchkommen. Wie oft wird man im Markt angerempelt oder angefahren, vorzugsweise in einer Schlange an der Kasse.

Wie schwer es fällt, in ein Gespräch verwickelt zu werden. Ich glaube man könnte problemlos den ganzen Tag durch die Stadt oder Supermarkt gehen, ohne auch nur ein Wort zu reden! Was bleibt, ist das obligatorische „Guten Tag“, „Wieviel macht das?“ „Ich schau mal ob ich es klein habe“ und ganz wichtig „Tschüss!“.

Ein guter Ausweg aus dieser Situation ist, selbst mitfühlend zu sein. Wenn man es nicht mit einer Maske und Gefühlspanzerung den anderen gleich tun will, muss man das Schweigen bewusst durchbrechen. Bewusst selbst freundlich sein, bewusst Worte finden, wo andere nur schweigen, bewusst Leben in das Einheitsgrau bringen, wo sonst nur Farbarmut und emotionale Leere herrscht. Es ist zwar nicht immer einfach und nicht jedem Tag ist einem danach, aber es ist ein guter Trick, der immer wieder erstaunliche Resultate hervorbringt. Zu warten, bis andere auf einen zugehen oder sich „von selbst“ etwas ändert, kann da viel langwieriger bis unmöglich sein.

Mich quält dieses tägliche Einkaufen dennoch sehr. Es versetzt den Menschen in eine groteske Situation und besonders grotesk daran ist, dass es so wenige mitbekommen und so wenige Menschen realisieren, wie abartig diese Situation ist. Wir sind abhängig von den Waren, freuen uns wenn der Einkauf schnell über die Bühne geht. Wir schauen auf günstige Waren, letztens las ich , dass Deutschland sogar besonders wenig Geld für Lebensmittel ausgibt und die Kunden sehr „preisbewusst“ sind. Aber es ist unsere Zeit, die wir hier verbringen, unser Geld, dass wir hier ausgeben? Was bekommen wir zurück, außer die Ware selbst? Wir werden zum Konsumenten degradiert und die Menschlichkeit erstickt.

Wie ist das, wenn man es anders machen will? Das Groteske ist, dass man es kaum kann, dass man sich dem Strom der Masse anschließen muss, ob man will oder nicht.

Beispiel Brötchen: Brötchen werden heutzutage kaum noch selbst gebacken, das meiste war wir essen, sind in der Industrie vorbereitete „Backlinge“, die dann nur noch im Wärmofen aufgebacken werden. Sorgfältig Zutaten aussuchen, Teig anrühren, auf Zusatzstoffe verzichten machen die kleinen „Bäckereien“ schon lange nicht mehr. Die Kunden wollen ja günstige Bröchten, achten mehr auf den Preis als die Qualität, und was man da täglich essen kann, ist das Ergebnis! Wusstet ihr, dass in manchen Aufbackbrötchen sogar der Zusatzstoff Gips, also Calziumsulfat enthalten ist? Hm, lecker..da kann man gleich auf der Baustelle bleiben und die Brötchen dort essen, macht ja eh keinen Unterschied. ((Quelle: http://www.wunderkessel.de/forum/backen-fragen-hilfe/6188-baguettes-brot-knuspern-lange.html ))

Wir haben gestern den großen Brot-Test gemacht: Bekommt man irgendwo in der Stadt noch frische Brötchen, die vom Bäcker selbst gebacken sind? Im kleinen Dorf gibt es nur eine Backstube, die aufbackt….Brötchen rund um die Uhr bekommt man nicht, einigermaßen frisch sind sie morgens. Also weiter in die Kleinstadt, acht Kilometer entfernt, es sind ja sowieso noch ein paar Besorgungen zu machen.
Im Supermarkt selbst gibt es nur die Backautomaten und die mega- umständlichen, personalfreien Verkaufsstände. Schräge Verkaufsfächer, die mit klapprigen Platten aus Plexiglas verdeckt sind. Um jetzt ein Brötchen zu bekommen, muss man mit einer Hand die Klappe aufhalten, mit der anderen Hand die Brötchenzange halten (ansonsten unhygienisch!), mit der dritten Hand die Tüte aufhalten und mit der vierten Hand schauen, dass nichts auf den Boden fällt (ansonsten bezahlen!). Das klappt nicht gut und schmeckt meistens auch nicht.

Der Verkaufstand der „Bäcker“filiale im Eingangsbereich macht es ähnlich, nur dass hier die Brötchen noch von einem echten Menschen in die Tüte gelegt werden. Also auf in die Innenstadt und weg vom Supermarkt-Einkaufsparadies-Speckgürtel. Auf der Suche nach dem großen Bäckermeister-Guru mit dem goldbemehlten Händchen.

Siehe da, das schönste Wetter und die Fußgängerzone beinahe leergefegt. Das einzige was man sieht: Menschen, die frei haben, alte Menschen, die in Gruppen schlendern und sich unterhalten. Was man nicht sieht: Familien mit Kindern, Frauen (oder gar Männer) mit Einkaufstaschen.. stattdessen leer stehende Gebäude und die Einheitssoße an großen Ketten, die noch genügend Marktmacht haben, um sich hier zu halten. Die Innenstadt stirbt aus und Schuld ist der Kaufkraft-Sog der großen Verkaufsketten im Umland. Auch das teure Sanieren des Pflasters und der Straßenlaternen kann den Verfall nicht mehr aufhalten. Vorbei der soziale Treffpunkt, vorbei der kleine Mittelstand. Wer hier noch ein Geschäft hat, geht sowieso bald in Rente und die Kinder ziehen in die Stadt.

Vor ein paar Jahren war die Fußgängerzone noch ein pulsierender Ort, in dem die Menschen dicht gedrängt ihre Einkäufe gemacht haben, weil es vor der Türen der Innenstadt noch keine Supermarkt-Flut gab. Zwanzig Jahre später sieht alles anders aus, ein trostloses Bild.

Ich sehe auch warum, das Auto ist das größte Problem. Wir laufen ca. 850 Meter durch die Sonnenhitze, bis wir endlich an einem Bäcker angekommen sind, der früher sehr gute Brötchen gebacken hat. Und jetzt? Fertig-Backlinge. Wir geben unsere Suche auf und kaufen entnervt die Backlinge, weil ich sonst weit und breit keinen anderen „richtigen“ Bäcker mehr kenne. Da kann ich auch gleich im Supermarkt kaufen!

Fazit :
Entweder 400 Kilometer fahren, bis wir einen richtigen Bäcker gefunden haben, der das Brötchen für 20 Cent mehr verkauft oder selbst backen.