Der Spion und das Schulterzucken

Ich finde, dass es wirklich ein leichtes ist, die aktuelle „Krise der Blogs“ mit den Skandalen der NSA-Affäre und anderen Spionage-Vorfällen in Verbindung zu bringen:

Eine aktuelle Sphäre des Misstrauens macht sich durch die bekannt gewordenen „Skandale“ breit. Die Botschaft ist klar: Wir können alles und jeden überwachen, vor nichts wird halt gemacht. Werden die Verschlüsselungen besser, setzen wir halt Experten ein und gründen eine „Hackerparty“ und gewinnen die besten Köpfe. Es geht mal wieder ums Aufrüsten. Wer hat die besten Experten? Wer entwickelt die sichersten Algorithmen? Wer hat den wenigsten Skrupel?

Der andere Spieler auf der Gegenseite hat nur wenig Macht und ist eine Gruppe, die man nur schwer definieren kann, die auch nicht besonders „organisiert“ ist oder auf große Geldmengen zurückgreifen kann : Die bürgerliche Zivilgesellschaft. Jeder einzelne, ob bei Facebook oder Twitter aktiv, ob mit einem Blog oder beim Hochladen von privaten Fotos in Daten-Austauschdiensten, ob beim Online-Banking oder Klamotten-Kauf über den Online-Shop: Nichts ist potenziell sicher, wenn es in digitaler Form aufbereitet werden kann. Immer muss damit gerechnet werden, dass die eigene Aktion überwacht oder mitgeschnitten wird.

Daraus entsteht eine gefährliche Entwicklung: Durch die zunehmende Technisierung und Computerisierung aller Abläufe im wirtschaftlichen und zivilen Bereich wird der Notwendigigkeit für Computer Haus und Tor geöffnet: Wir wollen und können nicht mehr ohne Rechner leben. Waren sie vor rund 20 Jahren noch ein Relikt für den absoluten Nerd, mit dicker Brille, im einsamen Keller sitzend und bei schlechter Luft und noch schlechterer Ernährung sich Code-Zeile um Zeile ausdenken und kryptische Buchstaben und Kombinationen in einen „Brotkasten“ eintippend… sind die Computer und ihre schicksten Neuentwicklungen, das salonfähige Smartphone oder das praktische Tablet.. kaum noch aus dem Alltag wegzudenken. Computer sind einfacher geworden, zugänglicher. Sie stehen der breiten Masse zur Verfügung und taugen schon seit längerer Zeit zum reinen Konsumprodukt: Digitale Daten werden eingesogen und eine kleine Spur der digitalen Rückverfolgbarkeit bleibt kleben.

Jeder Klick, jedes Kaufverhalten, jede Email kann theoretisch ausgewertet werden. Alles und alle sind gläsern geworden.

Wo Daten erstmal da sind, wachsen auch die Begehrlichkeiten, auf sie zugreifen zu wollen. Das hat man in der jüngsten Debatte um die Maut-Daten mal wieder gesehen. Erst in letzter Instanz wurde zurückgerudert, aber ach- es wäre ja zu schön gewesen, wenn man darin auch noch rumschnüffeln könnte… und wegen einem einzigen (!) Verrückten, der mit einem Gewehr in seinem LKW herumgefahren ist und den man nur deshalb finden konnte, weil man das alte verhasste Instrument der Rasterfahndung aus der Mottenkiste geholt hat… möchte man nun alle (!) Bürger in potentielle Sicherheitsverwahrung nehmen und grundsätzlich alles überwachen. Die Unschuldsvermutung wird ausgehebelt und in ihr Gegenteil verkehrt: Erstmal alle verdächtig nennen und dann durch gründliches Aussieben die verbleibenen Terroristen-Spreu finden. Ach und wenn alle hängen bleiben ist es eigentlich auch nicht so schlimm.

Die „Gegenseite“ hat nur wenig Mittel, um sich zu wehren. Die Zivilgesellschaft wird moralisch unterdrückt und eingeschüchtert. Angst und Misstrauen macht sich breit. Wenn ich mich im Internet nicht mehr frei äußern kann, weil ich immer damit rechnen muss, dass es „irgendjemand hört oder mitschneidet“, werde ich auch automatisch meine eigenen Aussagen zensieren oder einschränken. Darin liegt eigentlich die größte Gefahr für die Gesellschaft und auch für die Demokratie: Dass sich die Menschen nicht mehr frei fühlen, dass sie sich nicht mehr voll entfalten können.

Zuviele Regelungen und Überwachungen würgen die Initiative eines Landes ab. Alles wird kompliziert, unberechenbar.. wenn alle Menschen grundsätzlich verdächtig sind, liegt auch der Verdacht nahe, in meinem eigenen Umfeld plötzlich „misstrauisch“ zu werden.
Der wirtschaftlich- finanziellen Krise folgt eine ethisch-moralische Krise.

Die Freiheit wird bedroht. Und mit ihr auch die produktiven Stimmen, die Möglichkeiten zur Veränderung, die kritische Auseinandersetzung. Wenn alles nur in Hinterzimmern geschieht, aber auf der großen politischen Bühne nur noch Scheingefechte gefochten werden und Marionetten ihre auswändig gelernten Floskeln runterleiern, kann sich eine Demokratie nicht mehr entfalten. Macht-Interessen überlagern das Wohl der Gesamtheit. Einige wenige nutzen die Strukturen aus, um sich zu bereichern oder ihre eigene Klientel zu schützen und zu fördern.

Weiche Themen wie „Freiheit“, „Allgemeinwohl“ kann man leicht übergehen oder ignorieren, wenn dagegen so „harte Interessen“ wie Vermehrung der eigenen Macht oder Vermehrung des eigenen Geldes stehen.

Das schlechteste was der Bürger im Moment machen kann, ist sich von der Angst anstecken zu lassen und sich nicht mehr zu trauen, alles offen zu äußern.

Die Lösung der allgemeinen “Überwachungskrise“ könnte also auch im moralisch-ehtischen Bereich liegen:

Dem Misstrauen müssen Werte entgegen gesetzt werden, die sich jeder Kamera und jedem Computer widersetzen: Offenheit und Toleranz, Mut zur eigenen Meinung und zur Freiheit. Die Dinge, die einen bewegen, offenherzig mitteilen.. sich nicht einschüchtern lassen, sondern gerade das Gegenteil zu demonstrieren. Auch wenn man angegriffen oder angefeindet wird.

Mit der Offenheit und der eigenen Toleranz gegenüber den anderen nimmt man dem allgemeinen Misstrauen automatisch den Wind aus den Segeln. Wenn ich dem anderen vertraue und mich öffne, wird er immer weniger Gründe haben, mir zu misstrauen.

Dann macht sich am Ende der lächerlich, der noch an der Tür steht und lauscht und das Mikrofon in der Hand hält… er wird sich eines Tages dafür schämen, dass er überhaupt einen Verdacht erhoben hat, wo alle Menschen so friedlich sind und nichts zu verbergen haben. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich die Deutschen derzeit von der NSA nicht bedroht fühlen. Es betrifft sie einfach nicht.

Sie zucken mit den Schultern und gehen zum Tagesablauf über.

Im Land der Glückseeligen

Smile

Manchmal denke ich, ich bin im Land der Glückseeligen, Dauerzufriedenen, Ewig-Glücklichen.

Diese Welt duldet keine schlechte Laune. Wir sollen Leistung erbringen und Leistung bedeutet eben auch, die eigenen Gefühle im Griff zu haben. Kritik am System ist nicht erlaubt, denn das System ist es ja, das uns im Griff hat. Die Mühle des Lebens ist etwas Anonymes, nichts Greifbares, aber wie finden wir da heraus? Wollen wir überhaupt oder reicht uns das jetzige Leben? Was bietet es uns? Ist es die Bequemlichkeit, die verleitet oder doch eher die Angst vor Konflikten?

Die lebendige Seele, der sprechende Mensch, das Wesen im Fluss ist die Eigenschaft, die wir brauchen, um wieder wir selbst zu werden.

Positive Identität (als Sammelbecken für alle Gefühle, Meinungen und Ansichten) muss nicht zwangsläufig bedeuten, vordergründig auf andere bezogen zu sein, es reicht auch, wenn man auf sich selbst bezogen ist. Man kann in sich selbst alle Antworten finden, die man braucht. Wenn man zu sehr darauf hört, was andere sagen, gerät man in Gefahr, fremdbestimmt zu werden.

Außerdem, wenn man ausgeglichen ist und in sich selbst ruht, kann man auch viel leichter auf andere zugehen und hat weniger Bedenken. Diese Ausstrahlung können andere spüren: Entweder man hat sie, oder man hat sie gerade nicht.

Was diese Welt aber nicht braucht, ist eine kollektive Massenmeinung, davon haben wir schon genug. Was diese Welt sehr nötig hat, sind individuelle, persönliche Menschen und freie Meinungen.

Wie gut ist die Meinungsfreiheit, wenn wir das meiste doch nicht bloggen, was uns auf der Seele liegt? Ist es nicht ein Betrug an unserer Seele, wenn wir das immer wieder verschweigen, was wir eigentlich denken? Ist es nicht unser Blog und wir haben das gute Recht zu sagen und zu benennen, was uns drückt?

Oft stehe ich vor dieser Frage und immer wieder muss ich sie neu beantworten. Soviele Artikel hab ich schon geschrieben und wieder gelöscht, daran seht ihr, wie heftig ich mich mit dieser Frage auseinandersetze und wichtig sie mir ist. Natürlich möchte ich mit meinen Worten niemanden verletzen, aber wenn ich schweige, verletze ich mich vielleicht selbst damit? Was ist das kleinere Übel und wo soll man anfangen?

Wie gut man sich fühlt, nachdem man einem Menschen seine wirkliche Meinung gesagt hat. Es setzt Energie frei, es ist Lebendig-sein. Gleichmut, Angst, Kälte sind die Folge von nicht gelösten und vor allem nicht gelebten Gefühlen, es entsteht Monotonie und Monotonie lähmt.

In „Die Kunst des Liebens“ von E.Fromm steht z.B. dass Liebe immer ein aktiver Schritt ist. Liebe entsteht, wenn man etwas gibt, wenn man sich öffnet und sich mitteilt. Liebe ist vor allem frei von Bedingungen und Erwartungen, „man liebt einfach.“ Und das muss nicht nur ein Mensch sein, nein man kann die ganze Welt lieben und wer die ganze Welt liebt, der lebt gesund.

Was genau für Gefühle beim sich Öffnen herrauskommen, ist erstmal unerheblich. Auch negative Gefühle (und ein Großteil der Problem-auslösenden Gefühle sind ja negativ) haben ihren Wert, ihre Bedeutung und ihren Sinn. Ein negatives Gefühl wie z.B. Wut oder Ärger kann davor abhalten, dass man etwas unverdaut runterschluckt. Es ist eine Schutzreaktion und schützt das Ich vor einer negativen Emotion. Mit dem nach Außen richten von Gefühlen kann man zumindest einen Teil der Probleme lösen (aber nicht alle).

Um sich wieder mehr auf andere einlassen und vertrauen zu können, ist es wichtig, regelmäßig negative Gefühle „abzubauen“ – das geht meistens am besten, indem man sie wahrnimmt. Dann ist auch wieder Platz für die schönen Dinge im Leben. Und wie kann man Gefühle besser wahrnehmen, als wenn man schreibt, malt, Musik hört, liebt…

Wer immer nur vorgibt, keine Probleme zu haben, macht sich nur unnötig selbst was vor.

Probleme an sich sind keine Schande, es kommt aber darauf an, wie man damit umgeht.