Erfolg & Einigkeit

Gedanken zur Europawahl

Erfolg ist eine tolle Sache- vor allem, wenn man ihn hat.

Die Nicht-Erfolg-Habenden müssen sich hingegen mit Minderwertigkeitskomplexen herum plagen.

Erfolg scheint mir eine sehr temporäre Sache zu sein. Man kann kurzfristig erfolgreich sein, man kann kurzfristig angesagt sein, man kann Geld verdienen und ausgeben. Man freut sich über das neue Handy, doch bald ist es veraltet- oder so wie in meinem Fall, der Akku geht kaputt, das Display verkratzt- man braucht irgendwann ein Neues.

Erfolg, vor allem materieller und oberflächlicher Erfolg ist wie ein Kaugummi, den man frisch aus der Packung holt, freudestrahlend darauf herum kaut, sich über den netten Geschmack erfreut, bis er irgendwann fad und langweilig wird.

Wir Menschen wissen irgendwie, dass Erfolg wichtig ist- obwohl wir vielleicht auch wissen, dass er oberflächlich und belanglos ist, werden wir vom Erfolg magisch angezogen. In der Werbung werden nur Produkte versprochen und beworben, die unser Leben verbessern sollen- nie aber verschlechtern.

Es soll immer aufwärts gehen, wir werden nie satt. Haben wir gestern noch drei gute Freunde gehabt, brauchen wir morgen fünf, haben wir fünf, sind wir schon bald mit zehn nicht mehr zufrieden.

Mit dem Geld ist es ähnlich- je mehr, desto besser, aber das eigentliche Ziel ist der Weg, das Streben und mehr -Wollen. Wir können unter Umständen nicht anhalten und werden krank davon, brennen aus und leiden.

Die Buddhisten sagen ganz einfach „Gier“ dazu. Etwas, dass mit der Finanzkrise auch unsere Weltwirtschaft auf eine harte Probe gestellt hat. Schlimm wird es für den Süchtigen, wenn der Stoff ausgeht, wenn die harte Realität der Kausalitäten die Blase zerstört und das Ausmaß der Zerstörung sichtbar wird. Kein Wunder, dass diese Mechanismen der Gier auch in unseren Köpfen und in unserer alltäglichen Einstellung Einzug gehalten haben.

Wir können nicht mehr glücklich sein, mit dem was wir haben, was wir sind. Wir müssen immer auf den Kalender schauen, planen das Morgen und vergessen dabei das Heute.

Erfolgssucht ist wie eine Krankheit. Man kann sie inhaltlich und methodisch nur schwer trennen von der nötigen Entschlossenheit und dem inneren, beschwingten und fröhlichen Antrieb, den man braucht, um Gutes zu erreichen.

Man sollte sich also vom Zeit zu Zeit fragen: Bin ich auf dem richtigen Weg? Dienen meine Anstrengungen der ganzen Gesellschaft oder befriedige ich nur eigene Interessen? Ist es gesund, was ich mache oder schade ich mir selbst und anderen?

Was ist das Ziel meiner Suche? Erreiche ich mit den jetzigen Mitteln mein Ziel? Gäbe es vielleicht bessere Mittel oder gar andere Ziele?

Auf der anderen Seite sind Konsum, Erfolg und Fortschritt die Grundlagen für unsere Marktwirtschaft und die damit verbundene Forschung, die Menschen müssen konsumieren, um den Kreislauf am Leben zu erhalten. Die derzeitige Gesellschaft braucht Gewinner und Verlierer, das untergräbt die natürliche Solidarität. Ändern kann das nur ein gerechtes System, eine Gleichverteilung und eine Erfüllung der Bedürfnisse von allen. Daher wundert es mich z.B. an dieser Stelle, warum die Linksparteien und vor allem die SPD nicht von der Krise profitieren konnten. Die Wähler haben sich vor allem für die konservativen und die „bürgerlichen“ Parteien entschieden. Mir scheint, die Leute mit Besitz können sehr genau festmachen, welche Partei im Moment ihre Besitzstände sichert und welche Parteien nur „heiße Luft“ erzeugen- und sich mit dem Slogan leider ein Eigentor geschossen haben. Dass die SPD in einer Profilkrise ist, flankiert von nichtssagenden Aussagen und dem schweren Hartz 4- Erbe, kommt noch erschwerend hinzu.

Obwohl der kritische Menschenverstand zum Schluss kommen müsste, dass das ganze System in einer Krise ist, liefern die Wahlen ein beinahe widersprüchliches, paradoxes Ergebnis: Ein Teil, ungefähr die Hälfte der Wählerinnen und Wähler hat resigniert und ging gar nicht erst zur Wahl. Das sind die geknechteten, hoffnungslosen, bildungsfernen, die es bereits aufgegeben haben, an Gerechtigkeit und Wandel zu glauben. Übrig bleiben die Gebildeten, die wissen, wie man die Zügel in der Hand hält und was jetzt wichtig ist. Das Ergebnis: Es wird sich erstmal nichts ändern. Das allgemeine Bewusstsein wurde nicht wachgerüttelt. Mit geschickten psychologischen Belohnungsmittelchen hat man Autos unter das Volk verteilt und den Irrglauben verbreitet, alles im Griff zu haben und großzügig zu sein. Die wahren Abhängigkeiten und Begebenheiten werden von den meisten Menschen entweder nicht begriffen oder nicht hinterfragt: Es bleibt alles beim Alten.

Für die Reformen und den Veränderungsdruck im Land ist das ein handfester Nachteil. Bis zur nächsten Wahl muss sich etwas ändern. Die Wahlkämpfe müssen endlich politischer und eindeutiger werden. Die Parteien müssen alle aus ihrer Starre heraus und endlich anfangen, Menschen zu mobilisieren. Die niedrige Wahlbeteiligung ist ein Alarmsignal, ebenso die vielen kleinen Splitterparteien und euroskeptischen Parteien, die nun indirekt profitieren konnten. Einigkeit sieht anders aus.

Ohne Einigkeit : kein nötiger Wandel.