Reisebericht Dänemark

Wann: Juni 2014, eine Woche
Wo: Nord-Jütland

Dänemark, das freie Land. Kaum zurück, kommt mir alles so unfrei und eingeengt vor. Ich hab keinen Platz mehr um mich herum. Ständig trifft man auf Menschen. Man wird wieder gemustert. Man kann nicht einfach so an seinem Tisch sitzen, ohne von allen Seiten betrachtet zu werden. Meine Schutzzone schrumpft wieder auf wenige Zentimeter. Die Dinge laufen wieder „organisiert“ ab, was nichts anderes heißt, dass irgendjemand die Peitsche schwingt – und wenn es die imaginäre ist, die „innere Motivation“, die man nicht erziehen noch mit Worten vermitteln kann. Mein Deutschland. Je öfters ich verreise, desto kritischer schaue ich auf das eigene Land. Dinge, die mir selbstverständlich erschienen, schimmern plötzlich in einem anderen Licht. Wenn nicht das, was ist dann der Sinn einer Reise?

In Dänemark war eindeutig mehr Platz. Die Leute leben gelassener und strahlen das auch aus. Leben und leben lassen, was sich viele Deutsche auf die Fahne schreiben (und einbilden zu leben) wird dort wirklich gelebt. Wenn man wirklich frei und glücklich ist, muss man nicht ständig darüber schreiben oder sich irgendjemanden beweisen. Dann ist man einfach frei und glücklich.
Vieles davon mag dem Platz geschuldet zu sein. Bei uns leben 80 Millionen Menschen in Dänemark sind es nur 5 Millionen. Und diese verteilen sich auf einer relativ großen Landmasse mit viel Wasser und noch mehr Wind.

Mit dem Essen konnte ich micht zuerst nicht anfreunden. Wenn man eine längere Zeit im eigenen Land lebt, kommt einem das tägliche Essen so selbstverständlich vor, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass es in anderen Ländern einen anderen Geschmack gibt. Die Dänen haben sehr viel Fisch auf ihrem Speisezettel und sie lieben das verspielte. Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon. Viel frisches Gemüse, weniger Obst. Kartoffeln werden oft mit Schale serviert („natürlich“) und sind dann kleiner als bei uns. Die Brotkultur ist gut und ausgeprägt. Die europäische Brotgrenze scheint an der dänischen Außengrenze zu enden… Was man seltener sieht, sind Nudeln. Auch reine Fleischgerichte wie bei uns habe ich kein einziges Mal gesehen. Als ich es doch mal versucht habe und das Schnitzel bestellt habe, kam ein nicht ganz so gutes Schnitzel (etwas labbrig), das in einem Haufen von kaum gekochten Erbsen ertränkt wurde. Auf dem Schnitzel war noch eine Fischspezialität und eine scharfe Meerrettich-Soße. Irgendwo hatten sie sogar noch eine Zitronen-Scheibe versteckt.

Das Klima ist anders als bei uns und erfordert erstmal Gewöhnung. In den Sommer-Monaten wie jetzt wird es nicht wirklich dunkel. Den ganzen Tag scheint die Sonne. Hell, aber nicht unangenehm. Einen Sonnenschutz brauchte ich nicht. Zu Hause in Süddeutschland hatte ich schon nach einer halben Stunde ungeschützt einen leichten Sonnenbrand. Gegen 17 Uhr hat man das Gefühl, dass jetzt die Dämmerung kommt und es bestimmt bald dunkel wird. Doch die Sonne geht nur ganz langsam unter (auf Grund des anderen Breitengrades). Die Zeit steht plötzlich still. Man sitzt im Restaurant, war noch etwas zu früh, weil man im Urlaub sowieso weniger drauf achtet und bummelt mal eben die zwei, drei Stunden ab, die man sich in Deutschland nie dafür genommen hätte. Dann guckt man wieder in den Himmel, um sich zu orientieren und die Sonne steht irgendwie immer noch da, wo sie vorher war. Auch um 22 Uhr wird es nicht dunkel. Der Himmel verfärbt sich langsam dunkelrot. Um 0 Uhr kommt die Müdigkeit. Man schläft zwei, drei Stunden mit zugezogenem Vorhang und erwacht wieder um 5 Uhr. Dann ist man aufgekratzt, kaum angestrengt und wach.

Die Autobahnen sind so ruhig und herrlich, dass ich keine Probleme hatte, darauf zu fahren. In Deutschland fürchte ich mich immer und bekomme Adrenalinschübe und Panikattacken, in Dänemark hat sogar mir das Fahren Spaß gemacht. Dafür wurden Autos gemacht, nicht für diesen Wahnsinn, der in Deutschland herrscht. Auf unseren 400 km durch Dänemark habe ich keine einzige Baustelle gesehen und die Straßen waren glatt wie Pfirsichhaut.. Kaum waren wir bei Flensburg über die deutsche Grenze wurden die Straßen schlagartig schlechter und eine Baustelle folgte der nächste. Bis in den Süden habe ich aufgehört zu zählen, aber es waren bestimmt fünfzehn Baustellen. Wenn man diesen Kontrast mal so richtig spürt, fragt man sich, in was für einer Bananenrepublik man eigentlich lebt und warum unserer öffentlicher Sektor so marode ist und so schlecht funktioniert. Die Dänen, die viel weniger Einwohner haben, bekommen alles deutlich besser hin.

Teilweise sind die Dinge aus einer Not heraus geschuldet, die anscheinend überall zu finden ist: Arbeitskraft- und Fachkräftemangel. Experten werden gesucht. Aber anstatt zu resignieren, werden die Dinge eben automatisiert. Automatisierte Waschanlage, automatisierte Zapfsäulen (obwohl jemand an der Kasse sitzt), automatisierte Türen, überall einfache und praktische Schilder, dass man sich auch ohne Oberlehrer, neugierigen Nachbarn oder anderen Plagegeistern selbstständig und autonom zurechtfinden kann.

Ich empfand das als sehr angenehm. Endlich wird mal an die Vernunft appelliert, endlich hat man mal die Entscheidung, die Dinge einfach so zu machen, wie man sie möchte. Deutsche Schilder wirken mehr angsteinflößend, befehlend, von oben herab, in Dänemark hab ich sie eher als Hilfestellung empfunden.

In der ersten Raststätte in Deutschland waren die ersten Schilder „defekt“ an den Geldautomaten im Eingang „zur Toilette“ mit Pfeil und dann der Befehl „Tür bitte geschlossen halten“. Und dann stand noch eine Schale im Flur, mit der um Trinkgeld gebettelt wird. Auch das habe ich bei unserem nördlichen Nachbarn kein einziges Mal gesehen. Wahrscheinlich, weil die Löhne besser sind und die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten nicht so groß sind.

Dafür wurde mir das System mit den Kaffeetassen sehr deutlich erklärt… (in die kleinen Tassen nur Cappuccino! die großen Tassen für den linken Automaten! sie können auch stop drücken!) .. in Dänemark hätte man mich da alleingelassen und auf meine Entscheidungskraft vertraut… oder einfach nur eine Sorte Kaffeebecher hingestellt, die man anschließend in den Müll geworfen hätte.

Die vielen Einwohner in Deutschland bedeuten auch, dass man überall billige Arbeitskräfte bekommen kann und sich über Automatisierung nicht soviel Gedanken machen muss. Der Service ist in Deutschland besser, überall wuseln Leute um einen herum, in einem Café sitzt man keine drei Minuten und wird schon bedient. In Dänemark muss man zuerst rein an die Theke, sich dort vorstellen oder man bekommt einen Tisch zugewiesen. Irgendwann kommt dann die Bedienung und nimmt die Bestellung auf. Meistens dauert das aber alles viel länger als bei uns, und dem organisierten Deutschen, der ständig ungeduldig auf die Uhr schaut, mag das am Anfang befremdlich vorkommen.

Die Arbeitswelt scheint insgesamt lockerer als bei uns zu sein. Viele Dinge werden in der Gruppe besprochen und Besprechungen und Diskussionen sind auch viel häufiger als bei uns. Der Einzelkämpfer, der seine Stunden runterackert und durch „Anwesenheit glänzt“, scheint in Dänemark eher ein Außenseiter zu sein. Deutsche Technik und deutsches Know-How werden aber geschätzt. Generell ist das kleine Dänemark sehr auf Importe und Absatzmärkte angewiesen. Und wenn man schon importieren muss (den Wein z.B.) dann wird auch auf Qualität gesetzt.

Die Mülltrennung ist ähnlich wie bei uns, aber je nach Region gibt es nicht soviele Einzelbehälter. Bei uns waren es im wesentlichen Papier und Restmüll. Importierte Flaschen und Getränkebehälter (z.B. Dosenbier aus Deutschland) wird einfach den Restmüll geworfen, die Dänen sind quasi Dosenpfand-befreit.

Viele Dänen sind in Vereinen organisiert, z.B. in Angel- oder Jagdvereinen. Es ist ein leichtes, mal eben mit dem Boot aufs offene Meer oder den Fjord rauszufahren, die Natur ist herrlich, weit, offen und unberührt. Die wenigen Flecken menschlicher Zivilisation werden vorbildlich gepflegt und in Schuss gehalten. Überall gibt es Mülleimer und Toilettenhäuser, die dazu in gutem Zustand sind.

Dänemark- das Land des Lichts ist eine Reise wert. Und wenn ich kann, werde ich auch gerne wiederkommen. 😉