Das Religions-Special, Teil 1

Grobe Übersicht über die kommende Fragestellung

Wozu also überhaupt eine Religion? Wie kann man jemanden erklären, dass eine Religion sinnvoll ist, wenn man selbst nicht glauben kann? Wie soll man die Liebe erklären, wenn man keine Liebe spürt?

Religion ist mehr als Denken, Religion ist mehr als Text-Verständnis, Religion ist mehr als Interpretation. Das muss ich gleich vorweg sagen, es ist eine wichtige Feststellung!

Viele Menschen haben keinen Bezug mehr zur Religion, weil sie zu analytisch und trocken ist. Verwöhnt von den bunten Medien des Fernsehers, den unzähligen Reise- und Vergnügungsmöglichkeiten der modernen Welt, ist die Religion nur noch ein Konzept- etwas unverständliches und langweiliges.

Auf meine Frage z.B., was denn der Pfarrer nun gepredigt hat, konnte mir niemand der Kirchgänger eine zufriedenstellende Antwort geben. Nein, niemand wollte sich auch nur damit beschäftigen- Religion ist out.

Die christliche Kirche, so wie sie heute ist, hat es ganz einfach versäumt, die alten Inhalte auf eine neue Sprache zu übersetzen. Und solange sie das nicht tut, wird sie weiterhin Mitglieder verlieren.

Kein Wunder, dass populäre Strömungen wie der Buddhismus, mit einfacheren Formeln und menschlicher Ethik, so viele Menschen im Westen überzeugen, die vielleicht früher Christen gewesen sind- so auch mich.

Wenn ich im Blog über Religion rede, kann ich nur über zwei Strömungen reden: Über den Buddhismus und das Christentum.
Ich tue das mit einer neutralen, analytischen Sicht und ich versuche, nicht system-immanent, sondern immer wenig von extern die Sache zu untersuchen. Das erlaubt es mir auch, offene Kritik anzubringen und macht mich frei von Ängsten und verklemmten Moralvorstellungen.

Zur Zeit habe ich eine religiöse Sinnkrise, daher eignet sich dieser nicht-fertige Geisteszustand hervorragend, alle Aspekte über dieses Thema aus der verstaubten Truhe zu holen und neu einzuordnen.

Zuerst, die wichtigste Frage überhaupt: Wozu überhaupt Religion?

  • Religiöse Fragen sind Sinnfragen, sie tauchen auf, wenn man viel über das Leben nachdenkt. Je nachdenklicher ein Mensch also ist, desto eher wird er auch auf religiöse Fragen treffen: Sie helfen also, das Verständnis über kausale Zusammenhänge zu vertiefen
  • Religion kann dem Menschen Sinn und Halt geben und aus schweren Krankheiten befreien, z.B. von Depressionen oder allgemeinen Lebenskrisen. Dies ist wohl auch der Grund, warum Sekten Menschen immer dann „infizieren“, wenn diese in einer Sinnkrise und psychisch geschwächt sind. Der Mensch kann viel argumentieren, aber im Kern ist der Mensch ein rückbezügliches Wesen und braucht den Halt, den die Religion bietet.
  • Religion ist der Inhalt des „Über-Ichs“. Der Instanz im Menschen, die das Leben verwaltet und moralische Entscheidungen trifft und bewertet.
  • Religion ist also der moralische Kompass durch einen größer werdenen Dschungel an Möglichkeiten.
  • Religion deckt Fragen nach dem „richtig oder falsch“ ab, für die es sonst keine vernünftigen Antworten geben würde.
  • Religion ist Antwortgeber für ungelöste Menschheitsrätsel. Was passiert nach dem Tod? Welchen Sinn hat unsere Existenz? usw.
  • Religion ist Platzhalter für alle variablen und schwierigen Fragen. Sie ist der Nährboden für Hoffnung und gibt Kraft in dunklen Momenten. So kann z.B. der Glaube an die Wiedergeburt den Wunsch nach Suizid ausgleichen, indem man sich sagt, dass man sowieso wiedergeboren wird- wozu also sich selbst umbringen?

Religion hat aber auch ein paar handfeste Nachteile:

  • Wenn sich jemand stets nach moralischen Aspekten ausrichtet, dauern die Entscheidungen länger
    Diskussionen und Sinnfragen verschlingen Zeit und Energie; der augenscheinliche Sinn wird nicht gesehen; Religion wird als unwichtig klassifiziert
  • Religionen sind immer menschengebunden: der Gläubige wird vom Religions-Vertreter und dessen Meinung abhängig; Freiheit durch Religion kann also nur entstehen, wenn die Religion eigenständig ausgeübt werden kann.
  • Religionen sind Glaubens-Systeme, nicht die Realität. Es sind Muster, um die Realität zu verstehen oder zu deuten. Daher sind sie fehleranfällig. Sie können nicht jede Entscheidung abnehmen, sie helfen nicht immer. Der Glaube an etwas oder jemanden soll nicht davon abhalten, eigenständige Entscheidungen zu treffen!
  • Religion betrifft oft menschliche oder psychologische Fragen und greift tief in die natürliche Wesens-Anatomie des Menschen ein; wenn man falsch denkt oder zuviel mit Religionen beschäftigt ist, kann das normale Leben schwer oder bis zur Unlebbarkeit eingeschränkt werden. Das ist dann das Zeichen für eine falsche Interpretation!
  • Religionen sollten nicht dazu benutzt werden, augenscheinliches Unrecht zu rechtfertigen- leider ist gerade das schon oft passiert (Kreuzzüge, heiliger Krieg, Terrorangriffe, „Achse des Bösen“, usw.)

Die Religion, die mich am meisten interessiert ist, die, die ich selbst leben und verwalten kann- ist der Buddhismus. Der Buddhismus unterscheidet sich vom Christentum dahingehend, dass der Mensch mit seinen Taten als der allein Verantwortliche gesehen wird- es gibt keinen Schöpfergott und niemanden „von außen“. Im Buddhismus kann man sich nicht freikaufen, noch frei-predigen. Der Buddhismus unterstützt die menschliche Selbstständigkeit, aber auch die menschliche Freiheit.

Er ist sehr nahe der menschlichen Psychologie und leicht verständlich. Das Kausalitätsprinzip ist wissenschaftlich und verständlich. Die Regeln sind klar und gut nachzuvollziehen.

Dem Buddhismus aber fehlt der -emotionale hilfreiche- Halt des Gottes.

Das Schöne am christlichen Gott ist die Vorstellung, dass er die Karre schon aus dem Dreck holen wird, wenn man es selbst mal verbockt hat. Und das kann- weiß Gott- oft vorkommen! 😉

Im nächsten Teil wird es also um die Gott-Frage und die Kausalität des Buddhismus gehen- wir halten beides gegeneinander und schauen, wo die Vorteile und Nachteile liegen.

Damit wir auch morgen sagen können: Religion? 3..2…1 – meins!